76-77/Stern/Unstern/Essay/Wolfgang Mayer König: Unter dem Stern und Unstern der Alchemie

Der Stern der Alchemie erbrachte in den Hochkulturen der Frühzeit bereits wissenschaftliche Errungenschaften zum Vorteil wie auch zum Nachteil der Menschheitsentwicklung. Die alten Griechen und Araber kannten schon den Begriff und die Bedeutung des Atoms, sie schufen damit die Grundlage für die Entwicklung der mächtigsten und den Planeten Erde gefährdenden Massenvernichtungswaffe. Die Entdeckung und Entwicklung der Gase führte zu den vom jüdischen Chemiker Fritz Haber weiterentwickelten Gaskampfstoffen , die wiederum die Basis für Zyklon B bildeten, mit dem Millionen von Juden, Roma und Andersdenkenden von den nationalsozialistischen Massenmördern bestialisch zu Tode gebracht wurden. Dieser Unstern der Chemie trat schon deutlich beim alttestamentarischen, historisch belegten Giftmischerkönig Nimrod in Erscheinung, den die zeitgenössischen Apothekerkammern heutzutage in ihren Druckwerken unbedarft als Schirmherr, Patron und Schutzheiligen der Pharmazie anpreisen. Der hoffnungsvolle Stern der Allchemie wurde im Laufe der Menschheitsgeschichte immer mehr zum Unstern. Aber alles der Reihe nach. Die Zusammensetzung und Zerlegung bestehender und wandelbarer Stoffe und ihre Verbindung mit anderen Stoffen zu erkunden, und die historische Entwicklung solchen Tuns, hängt im Wesentlichen von der kulturellen, zivilisatorischen und kulturanthropologischen Entwicklung von Menschen in einem bestimmten regionalen Umfeld ab. Während sich in unseren Breiten, also in den Längen- und Breitengraden des heutigen Mitteleuropas, der „homo sapiens“ mit dem Gebrauch von Mineralien (Flint, Calciumsulfat, Magnesiumoxyd, Hornstein, Kieselschiefer, Quarziten und Rhyoliten) und deren handwerklicher Verarbeitung zu Steinwerkzeugen beschäftigte, sich die physikalisch-chemische Auswirkung der Reibung, des Blitzes wie des Vulkanismus zu Nutze machte, und vor allem in der Verbrennung kohlenstoffhältiger Stoffe mit entsprechender Belüftung, also Sauerstoffzufuhr, und der Vermeidung des empirisch als tödlich erkannten Sauerstoffmangels bei diesem Vorgang (Bildung von Kohlenstoffmonoxyd CO) beschäftigt war, entwickelte sich in den Hochkulturen des Zweistromlandes zwischen Euphrat und Tigris so wie des Nilstromlandes in Ägypten nicht nur eine empirische, sondern sogar eine analytische Anwendung chemischer Vorgänge. Der Stern der Chemie erschien erstmals hell und klar am Bewußtseinshorizont. So wurde die erste Batterie schon im alten Ägypten vor 9000 Jahren entwickelt. Das ausgegrabene Artefakt eines speziellen Behältnisses, das nachgewiesenermaßen mit Traubensaft gefüllt war und Leitungen aufwies, sodass das elektronische Paar, die Pole, ein Spannungspotenzial erzeugten und aufbauten, welches ausreichend stark genug war, um Elektrizität zu erzeugen. Moderne Forschung und exakte Nachbauten haben dieses Ergebnis bewiesen. Und dies eben 9000 Jahre vor der Entdeckung moderner elektrochemischer Speicherzellen. Die selben alten Ägypter haben Kupfercarbonatpigment für Lidschattenschminke benutzt, nach Kombination von Kohlenstoffruß mit Bleiglanz. Dies beweist gleichzeitig fortschrittliche Syntheseverfahren, bei denen Steinsalz und Natron herausgefiltert werden mussten. Chemische Farbstoffe zum Einfärben gegerbten Leders und von Textilien  so wie Pigmente, etwa Bleiweiß, Zinnober, Blaustein, Bleiglanz, Arsensulfid und Antimonsulfid, auch Salze wie Alaun und Kochsalzlösungen aus verdunstetem Mittelmeerwasser, standen bei den alten Ägyptern in häufigem Gebrauch. Schwefeldämpfe, Schwefeldioxid und wasserlösliche Sulfite wurden vielfach verwendet, etwa zum Räuchern, Reinigen von Stoffen, zur Weinkonservierung, zur Auflösung von Farbstoffen und zur Herstellung von Alaun. Sogar Zahnpaste zur Mundhygiene wurde im alten Ägypten aus Steinsalz, Asche und abrasivem Bimstein synthetisiert.

5000 Jahre vor der Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming entwickelten die Ägypter das Antibiotikum Tetracyclin.

Ein Großteil all dieser chemischen Entdeckungen geriet im Laufe der Geschichte bis in die Neuzeit in Vergessenheit und war für diese Zeitspanne, hinsichtlich ihrer zivilisatorischen Nutzanwendung, verloren.

Auch die Babylonier erfassten analytische Kenntnisse über Metallgewinnung, die Scheidung edler-  von gewöhnlichen Metallen, oder die Gewinnung von Metallen aus Erzen. Auch kam speziell der Oxidationsvorgang und die Hervorbringung von Oxiden zur Anwendung. Im Nahrungsmittelbereich wurden spezielle Gärungs- und Fermentationsprozesse entwickelt. Auch die Erzeugung von Alkohol unter bakteriellem Einfluss und Gärungsprozessen so wie neuen chemischen Gärungsansätzen. Also die Umwandlung von  Traubenzucker unter zusätzlicher Anwendung des Enzymsystems der Hefe in Ethylalkohol plus Kohlenstoffdioxid oder Ethylalkohol mittels Acetobacter in Essigsäure plus Wasser. Es standen Formeln zur Stoffbestimmung und Volumensberechnung zur Verfügung. Zwischen 3000 und 2300 vor Christus entfaltete sich eine Blütezeit der Chemie und ihrer Schwesterwissenschaft der Physik, begleitet durch ein leistungsfähiges Maß- und Proportionalsystem (inkl.Multiplikationstabellen). Alles mit Artefakten auf Tontafeln, was Tafelsammlungen bewiesen, welche bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben sind. Es finden sich dort Keilschriftdefinitionen von Stoffen, Mengenverhältnissen und Synthesebestimmungen. Später, in der chaldäischen Periode um 600 v. Ch. wurde Babylon und das neubabylonische Reich zum Zentrum der chemischen Wissenschaft. Auch griechische Chemiker verfügten über chemisches Wissen aus chaldäischen Quellen. Beispielsweise geben die Keilschrifttafeln exakte Auskunft über die Metallgewinnung, den Vorgang der Oxidation und die Gewinnung von Oxiden. So wird das Gehäuse des Schmelzofens „ANKUBUMES“ beschrieben, der sogenannte, ohne Gebläse auskommende Windofen, so wie die Brennkammer, welche im Freien errichtet worden waren. Besonders interessant gestaltet sich der Kulturaustausch chemischen Wissens zwischen Babylonien und Assyrien. Das Wissen über natürlichen- und die Herstellung synthetischen Lasursteins: „CHESBET“ (NA4 Al (S3Na)) Al2Si3O12) wurde zwischen Ägypten und Assyrien ausgetauscht. Die Fürsten von Babel erhielten blauen Lasurstein als Tribut. Natürlicher Lasurstein: „UKNU“ wanderte von Babylon gegen gleiche Mengen an Gold nach Ägypten. Dies gilt ebenso für Schwefelkies resp. Pyritflitter und blauen Korund. Die Errungenschaften der Babylonier auf dem Gebiet der angewandten und analytischen Chemie führten zu dem Paradoxon, dass der christlich-römische Gelehrte Epiphanios Scholastikos im 6. Jhdt. n.Chr. den inzestuösen und größenwahnsinnigen König Nimrod (siehe den  archäologisch bewiesenen Zikuratturmbau zu Babel), der sich als Giftmischer auf solche Weise einer Anzahl seiner Feinde entledigte, zum Erfinder der Chemie und Pharmazie hochstilisierte. Was nebenbei auch dazu führte, dass die gegenwärtigen Apothekerkammern in ihren Druckwerken und Aussendungen, Nimrod sogar als „Patron, Schirmherrn und quasi Schutzheiligen“ der chemischen Pharmakologie ausweisen.

Die eingangs dargestellten regionalen Unterschiede in der Entwicklung chemischer Erfahrung und chemischen Wissens führten dazu, dass auf dem Gebiet der Metallurgie die Gewinnung der edlen Metalle Gold, Silber und Kupfer schon 4000 vor Christus von den Ägyptern,  so wie deren Verarbeitung und chemische Anwendung betrieben wurde. In Europa erfolgte dies erst ab 500 vor Christus. Dies gilt ebenso in Europa für die Metalllegierungen Bronze aus Kupfer und Zinn. Eine ebenso grosse Zeitdifferenz zeigt sich bei der Entdeckung und Verarbeitung von Eisenerz in Eisen zwischen Europa und den frühen orientalischen Hochkulturen. 

Die Griechen, vor allem Thales von Milet, hielten an Wasser (H2O) als Urstoff der Welt fest. Anaximenes, ebenfalls von Milet, behandelt den Urstoff Luft, und Heraklit schließlich den Urstoff Feuer. Empedokles aus dem großgriechisch, sizilianischen Agrigent beschrieb die Vereinigung der vier Urstoffe: Erde, Wasser, Luft und Feuer. Er nahm einen Feuerstoff in der Luft als These an, und erforschte, ob sich die genannten Urstoffe zufällig mischen oder nicht. Empedokles glaubte nicht, dass es ein Vakuum geben könne, sondern dass Luft aus Materie bestehe. Demokrit von Abdera und Leukippos erforschten die Existenz unteilbar kleinster Teilchen eines Stoffes, benannten und bezeichneten sie als ATOM. Platon und Aristoteles  befassten sich vor allem mit den äußeren und inneren Eigenschaften der Urelemente, zum Beispiel, ob sie feucht oder trocken,  kalt oder warm sind. Durch Austausch ihrer Eigenschaften sollten Stoffe transformiert, umgewandelt und reduziert werden können. Aristoteles ergänzte die Urelemente um den Äther, als Stoff, der alles durchdringt und in allen Stoffen enthalten ist (Vgl. Sauerstoff). Aristoteles wies auch auf die Bedeutung des Mischungsverhältnisses bei der Metallgewinnung hin und übertrug diesen Aspekt auf die Beschaffenheit der Körpersäfte im menschlichen Organismus. 

Besondere Bedeutung kam bei allen Hochkulturen, dem chemisch-physikalischen Reinigungsverfahren zu. Dies gilt ebenso für die Metallverarbeitung wie für die Farbstoffherstellung. Im Zeitalter des Hellenismus blühte die Forschung zur Herstellung synthetischer Stoffe und Materialien, wie synthetischer Goldimitationen, gefärbter Glassteine oder synthetischer Perlenimitationen, da durch den Bevölkerungszuwachs und zunehmende Demokratisierung der Gesellschaft Billigmärkte entstanden, die kostbare Edelmetalle und Juwelen auch für den Normalbürger erschwinglich machen mussten.

Die Römer spezialisierten sich auf die praktische Anwendung der Chemie im täglichen Leben und zur Entwicklung, Verbesserung und Modernisierung der Infrastruktur. Kupfervitriol, Kupfersulfat wurde sowohl als pharmazeutisches Brechmittel als auch als Spritzmittel in Weingärten eingesetzt. Bleiglätte wurde als pharmazeutisches Schlafmittel gebraucht. Die Römer verwendeten Hyoscyamin und Skopolamin als pharmazeutische Anästhesierungs- und Rauschmittel. Edelmetalle, wie Gold und Silber wurden für Münzprägung, Schmuckherstellung, künstlerische Skulpturen und Dekorationen von Gebäuden, Metalle wie Eisen für Rüstungen, Waffen und Gerätschaften, und Blei für die Verrohrung der Wasserzufuhr- und Abwasserableitungen, so wie für die Installationen von Fußbodenheizungen eingesetzt. Die Römer kannten auch Beton als Baustoff. Gebrannter Kalk, Wasser, Sand und Ziegenmilch, vermischt mit Vulkanasche, bildeten eine Stoffverbindung, die kristallisierte, und dadurch Festigkeit und stoffliche Struktur erhielt.

Aus diesem „Opus caementium“ formten sie Wasserleitungen, Aquädukte und Kuppeln mit enormer Spannweite, Krümmung und Punktlast, wie die des Pantheon in Rom.

Die Zeitenwende, das Christentum, brachte insofern eine Neuerung in der chemisch-wissenschaftlichen Betrachtensweise, als die innere, die seelische Erhellung durch ALCHEMIE in religiöser Ausrichtung auf die GNOSIS,  der Ausrichtung allen Übels auf der Welt, der THEODIZEE, gegenübergestellt, ja entgegengesetzt wurde. So benutzten Gnostiker erstmals chemische Begriffe wie Sublimation, Destillation, Mixtur und Lyse. Zuvor hatte lediglich Bolos von Mendes 280 vor Christus  chemische Prozesse so präzise definiert und mit bildgebenden Darstellungen die bezeichneten Vorgänge skizziert und festgehalten. Dies wiederholte sich erst 600 Jahre später im Rahmen des Zosismus aus Panopolis. An Stelle der Urelemente traten nun Grundstoffe der Materie, also eigentliche Elemente, wie Schwefel und Quecksilber. Es wurde erkannt, dass dieses flüssige Material mittels Amalgamierung durch Einwirkung auf andere Metalle fest wird. Das Nichtmetalloxid Schwefel und schwefelhältige Brennstoffe verbrennen in der Flamme und entwickeln dabei das Gas Schwefeldioxid (SO2), sie bewirken den im modernen Sprachgebrauch verwendeten Begriff des „saueren Regens“. Dieser Vorgang wurde bereits vom Zosimus aus Panopolis beschrieben.

Im 3. Jhdt.n. Chr. befasste man sich im hellenistischen Ägypten mit alten griechischen Schriften des Hermes Trismegistos dem „Corpus Hermeticum“. Es waren astrologische, magische, alchemistische und medizinische Texte, wobei im ältesten Teil, der sogenannten „Kore Kosmu“ also „Pupille der Welt“ erwähnt wurde, dass Hermes alles wusste, in einen Stein aus Smaragd graviert, zwischen zwei Säulen gestellt und verborgen gehalten habe. Die Nachkommen sollten danach suchen, um in den Wissensstand zu gelangen. Es handelt sich um die Tabula Smaragdina, eine beschriebene Steintafel aus purem ägyptischen Smaragd, die als Grundlagentext der Alchemie und als berühmteste alchemistische Literatur gilt. In zwölf Sätzen werden die Zusammenhänge von Makrokosmos und Mikrokosmos beschrieben. Ursprünglich hätte sich die Smaragdtafel im Grab des Hermes in der Cheopspyramide befunden. (Auch heute noch kann man  altägyptische Smaragdminen, die ältesten der Welt, in der Nähe der Siedlung Sikait im Rotmeergebirge nördlich des Tals Wadi El Gimal, so wie Fundstücke in der Mineraliensammlung des Naturhistorischen Museums in Wien und im Stadtmuseum in Mannersdorf am Leithagebirge in Niederösterreich besichtigen). Von der Tabula Smaragdina sind zwanzig arabische Übersetzungen aus dem Mittelalter überliefert. Die älteste arabische Fassung stammt aus dem Jahre 825 und ist im Anhang zum „Secretum secretorum“ des Apollonius von Tyana unter seinem arabischen Namen Balinus erhalten geblieben. Besonders eindrucksvoll gestaltet sich auch heute noch die Lektüre des Kitab Sirr-al-asrar, also des Secretum secretorum, in originaler arabischer Handschrift. (Sie ist übrigens vom englischen Historiker Eric John Holmyard und dem Orientalisten Julius Ruska entdeckt worden). Weiter wurde dieses Wissensgut durch die Übersetzung aus dem arabischen um 1100 durch Hugo von Santalla am Hof des Bischofs von Tarazona gesichert, weiters durch die Übersetzung von 1140 des Johannes Hispaniensis mit dem Titel „Liber de secretis naturae“ und 1220 durch Phillip von Tripolis, dessen Manuskript zu einer der berühmtesten Handschriften des Mittelalters avancierte, und in der dritten Übersetzungsgeneration plötzlich um ein Alchemietraktat erweitert wurde, das zweifellos schon um 1150 original in arabischer Sprache verfasst worden war.

Der Zerfall des römischen Reichs und die Periode der Völkerwanderung waren eher vom Vergessen und Verdrängen der chemisch wissenschaftlichen Erfahrungen gekennzeichnet, ja geradezu durch ein Verdrängen dieser Zivilisationserrungenschaften in Folge von Emigration und Kriegswirren. Dies gilt sowohl für die theoretische als auch für die angewandte Chemie. Hier setzt der Einfluß des fernöstlichen Chemiewissens und Erfahrungsschatzes über Porzellanherstellung und explosive Stoffe ein. Die Hunnen und Mongolen hatten sich bis Mittel- und Westeuropa mit Eroberungszügen durchgekämpft, und neben Zerstörung und Verheerung auch dieses Wissensgut gebracht. Schon 70 Jahre nach dem Tod  des islamischen Religionsgründers Mohammed im 6. Jhdt n.Chr. breitete sich das islamische Reich bis zum atlantischen Ozean aus. Zuerst wurde das Perserreich eingenommen, dann folgten Palästina, Jerusalem, Syrien, Ägypten und das gesamte Nordafrika, Südspanien und Südfrankreich. Sizilien und Unteritalien waren 200 Jahre arabisch. Interessanterweiseg ging das altgriechische Chemiewissen auf die Araber über, sodass es also nicht so sehr über die Römer sondern über die Araber in die frühmittelalterliche Alchemie hinübergerettet wurde. Der bedeutendste islamische Alchemist dieser Zeit war Dschabir ibn Hayyan. Er wird als Vater der Chemie bezeichnet. Stammt ja selbst der Begriff Chemie aus dem arabischen Wort „el Kimya“. Arabische Chemie war stets analytisch und glich am ehesten dem heutigen, modernen Verständnis von Chemie. In seinem berühmten Labor in Kufa, im heutigen Irak,  wurden 22 seiner Schriftwerke gefunden, die ausschließlich von Chemie handeln.  Seine Hauptinteressen lagen auf der Weiterentwicklung von chemischen Verfahren wie Kristallisation, Destillation, Kalzination, Sublimation, Evaporation, Filtration und Oxydation. Er entdeckte H2So4, die Schwefelsäure, mit der er edle von unedlen Metallen scheiden konnte. Er ordnete die Elemente in drei Kategorien: Erstens Stoffe wie Arsen und Ammoniak, die durch Erwärmen vergasen; zweitens Stoffe, wie Gold, Silber, Kupfer, Blei und Eisen, also Metalle; und drittens  Elemente, die zu Staub werden, wie Stein. Er gliederte darüber hinaus die Elemente in Metalle und Nichtmetalle. Er schrieb über chemische Elemente, die ohne ihre besonderen Eigenschaften zu verlieren, Verbindungen eingehen und zu winzigen, nicht mehr mit dem Auge wahrnehmbaren Elementen werden. Dschabir entdeckte nicht nur die Schwefelsäure sondern auch die Salpetersäure und die Nitro-Muriatische Säure. Diese Säuren bilden die Grundlage der heutigen Chemie. Er war der Vollender der Grundlagen der eigentlichen angewandten Chemie, denn er perfektionierte Vorgänge wie Stofffärbung, Vergoldung, Haarfärbung etc. Er löste Gold auf und entdeckte das Goldwasser. In seinen Werken: „Das große Buch der chemischen Merkmale“, „Gewichte und Größen in der Chemie“, „Chemische Bindungen“ sowie „Chemische Farben“ beschrieb er sowohl Laborgeräte und Apparate, wie zum Beispiel Öfen, die zum Kalzinieren und Destillieren verwendet wurden, als auch zahlreiche chemische Stoffe, wie Sulfide und Quecksilber. 

Im Hochmittelalter werden frühe Versuche einer phänomenologischen Theorie der Chemie unternommen. 1085 verfaßte der Italiener Gerhard von Cremona im spanischen Toledo das erste umfassende Chemiebuchwerk Europas, nämlich „Das Buch der Alaune und Salze“.  Die führenden Geister der katholischen Kirche im Mittelalter, Albertus Magnus(1193-1280) und der Kirchenlehrer Thomas von Aquin betrieben intensive chemische Forschungen. So entstand Thomas von Aquin’s Buchwerk „Studiae alchymicae“. Der Dominikanermönch Albertus Magnus isolierte als Erster das Element Arsen. Er zählt zu den bedeutendsten Chemikern des Mittelalters, weiters Libavius, Basilius Valentinus und Vannoccio Biringuccio. Seit dem 13. Jhdt. wurden auch Vitriolsäure, Königssäure und Scheidewasser gewonnen.

Der Mönch Roger Bacon (1210-1292) führte das Laborexperiment als unabdingbares Prozedere für Chemiker ein: „Sine experientia nihil sufficienter sciri potest“. Sein Einsatz der Waage diente lediglich der Maßgewichtung der jeweiligen Originärsubstanz. Erst in der Neuzeit durch Lavoisier wurde sie zum Instrument der durchgehend konsequent messenden Erforschung chemischer Vorgänge. 

Eine Zäsur im ausgehenden Mittelalter für chemisches Forschen bildete die päpstliche Bulle von Johannes XXII., der von den Zeitgenossen den Spitznamen „Fuchs von Cahors“ erhielt, eines französischen Papstes, der ausschließlich in Avignon residierte, und den der Dichter Dante einen „Verderber der Kirche“ nannte. Die besagte Bulle wurde jedoch immer wieder falsch ausgelegt und gedeutet, weil sie sich in der Zeit des Schreckens der heiligen Inquisition der heiligen römisch-katholischen Kirche eigentlich gar nicht gegen Chemie im Allgemeinen und Alchemie im Besonderen, sondern gegen betrügerische Goldmacherei, Münzfälscherei und übertölpelnden Elixierhandel zum Zwecke vorgespielter Lebensverlängerung unter Androhung der Exkommunikation richtete.

 

Wolfgang Mayer König 

Schriftsteller und Universitätsprofessor, Jg.1946, Autor von 48 Buchpublikationen, Gründer des Österr. Universitätliteraturforums, Herausgeber der Zeitschrift f. intern. Literatur „LOG“, Verfasser des Zivildienst-Bundesgesetzentwurfs, Koordinator des humanit. Wiederaufbauprogramms für Vietnam m.d. Intern. Roten Kreuz in Genf, Koordinator der Verhandlungen zur Geiselbefreiung nach dem OPEC-Terrorüberfall, Ständiger Delegierter bei den Vereinten Nationen, Mitglied der Akademien der Wissenschaften u. Künste: „Tiberina“ Rom, „Cosentina“ Cosenza, „Burckhardt“ St.Gallen, „Europa“ Viterbo,“Gentium pro Pace“Rom. Verdienstorden der arab. Republik Ägypten; Chevalier des Arts et des Lettres d. Rep. Frankreich; Österr.Ehrenkreuz f. Wissenschaft und Kunst I. Kl.; Oberösterr. Kulturmedaille f. Literatur; Körner Preis f. Literatur; Int. Friedenspreis; Ehrenobmann der Lit.Ges. St. Pölten seit 2006.