63/Alles Theater: Johannes Schmidt im Gespräch mit der Schauspielerin Anna Maria Eder

Anna Maria Eder
Spontane Idee

Johannes Schmidt sprach mit der St. Pöltner Schauspielerin Anna Maria Eder über ihre Erfahrungen und Interessen.

Was hat Dich bewogen Schauspielerin zu werden? Hattest Du als Schülerin die Möglichkeit einschlägige Erfahrungen zu sammeln?

Ich hatte bei all den Überlegungen zur Berufswahl nach der Matura die spontane Idee, Schauspiel zu studieren und zwar ohne zuvor einschlägige Erfahrungen im Schultheater gemacht zu haben. Was aber sicherlich eine große Rolle gespielt hat, waren die von der Schule organisierten Theaterfahrten nach Wien. Ich erinnere mich noch gut, Karlheinz Hackl als Liliom gesehen und dabei gedacht zu haben: „Da oben auf den Brettern will ich auch stehen.“ Und der Altgriechisch Unterricht, bei dem wir viel über das altgriechische Theater gelernt haben. Eine Summe diverser Erfahrungen also.

Wenn sich eine junge Frau oder ein junger Mann an Dich wendete und Dich fragte, ob es sinnvoll wäre, eine schauspielerische Karriere anzustreben, was würdest Du ihr/ihm sagen?

Ich würde jede/n unterstützen, seine/ihre Träume jedweder Art Wirklichkeit werden zu lassen. Denn das Wichtigste im Leben ist, glücklich zu sein, bei dem was man macht. Und wenn Schauspiel einen glücklich macht, dann ist es das.

Welche Aufgabe hat Deiner Meinung nach das Theater heute? Soll es unterhalten, erziehen, belehren, politisch wirksam sein, einen Spiegel vorhalten oder einfach in beispielhafter Weise den Menschen in all seinen charakterlichen Facetten darstellen?

Theater hat vor allem die Aufgabe zu unterhalten – in all den Formen, die das Theater zu bieten hat, wie unter anderem: Interesse wecken für bestimmte Themen, zum Nachdenken anregen, Lebensgeister wecken, Menschheitsthemen widerspiegeln… Und dafür gibt es unzählige Möglichkeiten. Dem aktuellen Geschehen um uns herum kann Theater sich meiner Meinung nach ohnehin nicht entziehen, allein weil die großen Themen der Menschheit, die schon in den ältesten Dramen vorzufinden sind, nie an Aktualität verlieren. Wir, sowohl die Theatermacher als auch die Zuschauer, sind es, die den Inhalt mit neuen Augen betrachten und aktuelle Bezüge herstellen.

Wie beurteilst Du die soziale Lage von Schauspielern in Österreich, wenn wir einmal von den großen Stars absehen?

Die soziale Lage von Schauspielern in Österreich ist definitiv verbesserungswürdig. Denn in diesem Beruf ist es äußerst selten geworden, ein gesamtes Arbeitsleben durchgängig beschäftigt zu sein. Es wäre wichtig, dass freie Schauspieler kreativ sein können, ohne um ihr Überleben zu bangen. Ich finde, die Wichtigkeit dieser Arbeit sollte in unserer Gesellschaft höher bewertet werden.

Welche Rolle verkörperst Du am liebsten oder welchen Dramatiker schätzt Du am meisten?

Ich verkörpere am liebsten die Rolle, an der ich gerade arbeite, oder die ich gerade spiele. Und es gibt nicht einen Dramatiker, den ich schätze, sondern viele, aber es kommt ohnehin eher darauf an, was man aus einem Stück macht, wie gut es auch sein mag. Das finde ich an Elfriede Jelinek so toll, dass sie ihre Stücke als Vorlagen sieht und den Theatern freie Hand lässt.

Welches Publikum ist Dir das liebste? Kinder, die sich leicht begeistern lassen oder Jugendliche, die besonders kritisch sind oder ältere Personen und eingefleischte Theaterbesucher?

Das liebste Publikum sind Menschen, die sich berühren lassen, die sich mit offenem Herzen auf eine gemeinsame Reise mitnehmen lassen. Da können sich Erwachsene tatsächlich an den Kindern ein Beispiel nehmen und deshalb finde ich es äußerst bereichernd, für Kinder spielen zu dürfen.

Das Regietheater stößt vielfach auf Kritik? Ist dies berechtigt?

Ich persönlich habe mit dem sogenannten Regietheater keine Probleme, eher mit dem Begriff, der von den Medien gerne verwendet wird, um sich über die Zertrümmerung der viel geliebten Klassiker zu beschweren. Der Begriff Regietheater an und für sich bedeutet ja, dass es eine Idee zur Umsetzung einer literarischen Vorlage gibt, sich also ein Regisseur mit einem Text auseinandersetzt, um ihn dann mit seinen Ideen dazu auf die Bühne zu bringen. Das Regietheater bedeutet also im Endeffekt die Emanzipation von einer literarischen Vorlage. Wenn es das nicht gäbe, müsste man alte Dramen nicht mehr neu inszenieren und wie interessant wäre Theater dann noch? Ohne neue Ideen? Und da wäre ich wieder bei Jelinek, die nicht auf Werktreue besteht, weil sie weiß, dass Theater ein lebendiger, sich ständig weiter entwickelnder Prozess ist.

Kleine Bühnen kämpfen oft um das Überleben, während die großen Theater finanziell gut dotiert sind. Was würdest Du bei Subventionsvergaben ändern?

Ich finde es besonders schade, dass kleine Bühnen nicht besser subventioniert sind, da gerade diese die Vielfalt einer Theaterlandschaft ausmachen. Leider ist es am leichtesten an der Kultur zu sparen, wenngleich es falsch ist. Ich würde mir wünschen, dass die Entscheidungsträger der Kulturpolitik weitsichtig genug wären, die Vielfalt der Kulturlandschaft durch finanzielle Unterstützung zu erhalten.

Viele Schauspieler sind auch schriftstellerisch tätig? Trifft dies auf Dich zu?

Ich war immer mal wieder auch schriftstellerisch tätig, weil es mir Spaß macht zu schreiben. Aber fürs Schreiben muss ich mir immer ein extra Zeit- und Raumfenster schaffen, was nicht immer leicht ist. Würdest Du mit dem Wissen von heute noch einmal Schauspielerin werden? Auf jeden Fall!. Ich bin sehr dankbar diesen Weg gehen zu dürfen.


Anna Maria Eder
Geb. 1981 in St. Pölten, Schauspielausbildung von 2002-2006 an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Graz. Ihr erstes Engagement führte sie 2006/07 nach Zürich an das Theater am Neumarkt. Danach spielte sie am Landestheater Niederösterreich in mehreren Produktionen. Von 2009 bis 2012 leitete sie auch den Theaterbereich im innovativen Kulturverein Oxymoron in Linz. Von 2012 bis 2015 war sie in Wien als freie Schauspielerin tätig, unter anderem im Theater Drachengasse, in der Neuen Tribüne und im Projekt „Frauen. Träume. 2 Welten - 1 Maler“ in der Klimt Villa Wien. Seit 2015 ist sie Ensemblemitglied am Theater des Kindes in Linz.