Sandra Brökel: Das hungrige Krokodil

Cornelia Stahl

Sandra Brökel: Das hungrige Krokodil
Bielefeld: PENDRAGONVerlag,
2018, 320 Seiten,
ISBN-13: 9783865326089

Geheime Notizen während des Prager Frühlings 1968. Der Fotograf Josef Koudelka hielt heimlich die Geschehnisse des Prager Frühlings im August 1968 mit seiner Kamera fest: Panzer des Warschauer Paktes, die durch Prags Straßen fuhren mit dem Ziel, die tschechoslowakischen Reformbewegungen zu beenden. Später emigrierte Koudelka in den Westen, sein Aufenthaltsort blieb lange Zeit geheim. 2018 waren seine Fotos im Rahmen einer Ausstellung Brüssel zu sehen und knüpfen unmittelbar an die Aufzeichnungen des Dr. Pavel Vodak an. Durch einen Zufall geriet die Autorin Sandra Brökel an geheimen Notizen des Arztes und formte daraus ihr Romandebüt. Was sich zunächst als Sciene-Fiction anfühlt, ist Bestandteil des Romans: Am Morgen des 21.August 1968 wird Pavel Vodak von undefinierbarem Lärm aus dem Schlaf gerissen. Als er aus dem Fenster blickt, entdeckt er einen „Himmel voll stahlgrauer Ungeheuer, Militärflugzeuge“ (S.140). Sandra Brökel schildert im Roman, der auf wahren Begebenheiten beruht, die Familiengeschichte des Arztes Dr. Pavel Vodak, während der Zeit von 1968- 1990. Vodak litt unter den zunehmenden Repressionen und Denunziationen und entschied sich, seine Heimat zu verlassen. 1970 emigrierte er mit seiner Familie über Jugoslawien und Österreich nach Deutschland und baute sich eine neue Existenz als Arzt auf. Bedrohliche Situationen zeigen sich im Roman im Gewand eines Krokodils. Lange Zeit nach 1990 nach Wegfall der Grenzen, verfolgten Vodak diese Traumatisierungen wie unsichtbare Geister. Brökel, geboren 1972 in Deutschland, gelingt in ihrem Debüt eine intensive Identifikation mit der Hauptfigur. Ihr Roman ermöglicht tiefe Einblicke in ein historisch bedeutsames Ereignis und trägt zur beiderseitigen Annäherung zwischen Tschechen und Deutschen bei.

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