Birgit Schwaner: Jackls Mondflug

Klaus Ebner

Birgit Schwaner: Jackls Mondflug
Klever/Literatur, Erzählung
2017, 128 Seiten
ISBN 978-3-903110-24-3

Mehrwert ohne Ausbeutung. Bei den meisten Erzählwerken kriegt man Stoff, Stoff, Stoff, und das genügt auch vielen Lesern. So wunderlich und berührend der lange Weg einer Bettlerstochter Mitte des 17. Jahrhunderts zur anerkannten Feuerwerkerin und so interessant das dabei wie nebenhin ausgestreute vielfältige Zeit- und Fachwissen auch ist, erschöpft sich Schwaners Buch nicht darin. Der Mehrwert, den man hier erhält, ist die Verarbeitung, die ‘Sprache’, wie man oberflächlich gern sagt, als wäre Sprache nicht Perspektive, Standpunkt, Stellungnahme und so vieles mehr. ‘Jackls Mondflug’ hat etwas Fugenartiges. Das ist kein artifizieller Selbstzweck, sondern Hinweis, auf wieviel Arten sich diese Wirklichkeit zusammensetzt. herbert j. wimmer darf fürs Motto herhalten (‘dädalus // immer ist / noch luft / nach unten’). Diese Umkehrung des Üblichen, bei der man das ‘immer’ nicht auf Ikarus beziehen, diesen aber auch nicht vergessen darf, führt schon zu einem produktiven Bedeutungstaumel. Dem Fugenartigen entspricht stellenweise der Zeit-Krebsgang als stilistisches Mittel, das Anagrammatische, das unter anderem aus Schnipp Pinsch, den Hund, macht, die Buchstabenvariation, die etwa dem Letzten Gericht sinnfällig das Gerücht zur Seite stellt und dem Ultraschall - sicher erst Seiten später - den Infraschall folgen lässt. Wer bei dieser dichten Webart Aufmerksamkeit darauf legt, wird in den englischen Einschüben (by the way) oder den Kommentaren der Autorin (ojeoje) rhythmische Elemente erkennen, wird Wortverkürzungen (zwar ‘verlornes’ aber doch ‘verschlafenes’) als musikalisch bedingt, wird Motivverschiebungen (vor allem beim mehrdeutigen Hellofanten) als Bearbeitungen genießen. Mit offengelegter Anteilnahme begleitet die Autorin ihre Figuren, statt sie nur stofflich auszubeuten, und so wirkt auch der Sprung vom schrecklichen ‘Liber vagatorum’ über Luthers Übersetzung (‘Von der falschen Betler Buberey’) zum heutigen Mythos von der Bettler- Mafia in jeder Bedeutung zeitgemäß.

Mehr Kritiken aus der Kategorie: