76-77/Stern/Unstern/Lyrik/ Roul Eisele: Aus meinem Tischtuch kullern Sterne

JENE SÄTZE die du in deiner Hektik auf das Tischtuch schriebst

weil du wieder keinen Notizzettel parat hattest

glitten nun ab 

sie umlaubten die Küche 

manche Stellen waren unter Wasser gesetzt

anderswo blühte es herbstzeitlos

an wieder anderen sah ich deine Fußabdrücke

und die Zeit die du hier saßt

wenn ich dich mal wieder vergesse

schüttle ich das Tischtuch

und warte auf deine Ankunft. 

 

ich löse ein Ticket ZUM MEER

sitze im Zugwind 5B

im salzig süßen

schreibe auf Postkarten 

schreibe mein Herz darauf und liste

die Schuppen in meinen Haaren

ordne sie der Länge nach sehe 

den Glanz sehe

Fische schwimmen und den Flossenschlag 

im Aszendenten und schütte mich aus.

 

wenn wir einander ausstrahlen

uns vor- und zurückspulen 

vor- und zurück-

stolpern und zwei Leben wieder in Echtzeit spielt

ist es besser den Fernseher leiser zu DREHEN.

 

Raoul Eisele

Geb. 1991 in Eisenstadt, wohnhaft in Wien und Berlin. Studium der Germanistik und Komparatistik an der Universität Wien. Sein Debüt gab er mit dem Lyrikband „morgen glätten wir träume“ (Edition Yara, 2017). Weitere Veröffentlichungen in Anthologien sowie Literaturmagazinen erschienen u.a. in PODIUM, erostepost, Poesiealbum neu. Mit seiner Performance „eine größere Hoffnung“ war er als Artist in Residence beim Urkult-Festival in Ritten 2017 dabei. 2018 war er Teilnehmer der Literaturkonferenz Babelsprech in Slowenien und Teilnehmer am Tag der Poesie in Basel.  raoul.eisele@gmail.com