Heil-Froh / Etcetera 88 / Lyrik / Matthias Hänselmann: Durch die Jahre u.a.

Durch die Jahre

Freunde und der Weg dorthin,
Träume, Worte und Geschenke,
Kräuterschnaps und Aspirin,
ausgekugelte Gelenke.

Liebe und Geheimnisse,
blauer Himmel, Stadtfragmente,
nackte Wiesen, warmer Klee,
Heilung für das Abgetrennte.

Wein bis weit nach Mitternacht,
Frühling, Sommer, Herbst und Winter,
„Manchmal habe ich gedacht,
es steht niemand mehr dahinter …–

Bittersüße lange Zeit,
Hamburg, Birmingham, Berlin,
Freunde und Verbindlichkeit,
Freunde und der Weg dorthin.

Nun wird es Nacht

Sag, schläfst du schon? in deiner Kapsel hier:
dezente Rauschmusik, gedämpftes Licht
und leichte Ablenkung – gefällt es dir?
Noch angenehmer geht es beinah nicht.

Allein? – wir simulieren dich zur Zweiheit.
Die Reize schlagen kaum noch durch, nicht wahr?
die lästigen Verpflichtungen zur Freiheit,
der Atemzwang … – das löst sich wunderbar.

Mit deinen Träumen wird es Nacht– wie matt
du bist, wie müde – gleich tut nichts mehr weh.
Nur, wo das Kissen eine Falte hat,
entsteht im Rückenmark noch die Idee:

„Wenn es bequem ist, soll es dich betäuben” –
Schu-schu-schu, pst! Was soll dir schon passieren?
Wir wollen noch ein bisschen Glanz zerstäuben:
Sag, schläfst du schon?
Er schläft – wir können amputieren!

 

Matthias C. Hänselmann
Ist promovierter Mediensemiotiker mit Schwerpunkt im Bereich Literatur-, Film- und Hörspielwissenschaften.