Stein / Etcetera 89 / Lyrik / Johann Kleemayer: spürendes Gehen, Hängender Stein

Tautendorf, Etzmannsdorf, Wanzenau
nimm mir jetzt lieber das Leben
Idioplasma, Idiosynkrasie
ein Schnellkochtopf voller Gerüche
Spaghetti, Spagat

spürendes Gehen, Hängender Stein
er hat einen richtigen Trommelrevolver
ein wunderbares Alleinsein
einen Abgrund, ohne zu fallen
rechts und links nicht unterscheiden
eine frühe Erinnerung, Fotografie

spürendes Gehen, Hängender Stein
langsam erwachte Nächte, Überlebensstrategie
ein Ufer an einem weißen Strand
es macht mich traurig
du trommelst gegen die Tür
du versäumst es

spürendes Gehen, Hängender Stein
die Eisenleiter, der Billeteur
deine Augen lassen dich
du nimmst dein Brot
du bringst den Stausee zum Fließen
bezirksübergreifend, in Kontakt

spürendes Gehen, Hängender Stein
du nimmst dankend an
die Mutter in dir, der Vater in dir
du vermeidest die Insel, das Zentrum des Taifuns
ans andere Ufer geschickt, den Motor an, los
weit kannst du nicht kommen

spürendes Gehen, Hängender Stein
ein ungewöhnliches Blatt
geschoben in der Spirale der Gewalt
eine Scheibe Brot, Spielraum
eine Lieferung zur erdabgewandten Seite des Mondes
in einem Zustand von Gelassenheit

spürendes Gehen, Hängender Stein
auf heißem Vulkan, die Fahne aus dem Fenster gehängt
mit Steinen geworfen, gründlich gewaschen
nach fünf Stunden noch nicht genug
in blauen Sandalen, ein rotes T-Shirt
Felsbrocken wälzen

spürendes Gehen, Hängender Stein
getrennt sein, eins, verwundet sein
endlich Schluss machen
eine neue Beziehung beginnen
wenn ein Vater für alles zu haben ist
nicht zur Ruhe kommen, ruhen
spürendes Gehen, Hängender Stein
eine Erholung einfädeln
zu leben beginnen, zu sterben
im Schatten von dir
sich genug sein, loben
du, sie

 

Johann Kleemayr
Geb. 1954 in Schwanenstadt, studierte Germanistik und Religionspädagogik. Gründete 2018 das „Forum Flößerhaus“ in Thalheim bei Wels. Jüngste Bücher: „Ghana. Logbuch einer Reise“ 2021