LitArena XI / Etcetera 92 / Heftkünstlerin / Elena Romenkova

Eva Riebler wurde durch die Obfrau Renate Minarz der Herzogenburger Kulturinitiative KISCH auf die russische Künstlerin aufmerksam. Elena Romenkova wohnt seit 2014 in Inzersdorf, NÖ, arbeitet bei der Caritas und im Festspielhaus St. Pölten.
Das Interview mit der Künstlerin fand im April 2023 in Herzogenburg statt. Elena wird bei der Heftpräsentation am 24.Mai 2023 um 18 Uhr in der Landesbibliothek St.Pölten ihre Werke mit elektronischem Sound ihres Gatten Christian Munk präsentieren. (Christian Munk aus Inzersdorf studierte nach der Ausbildung im Bereich der Automatisierungstechnik auf der FH St.Pölten Experimentielle Medien. Sein Studium mündete in einer Kombination aus Lehre und Wissensschaftsprojekten innerhalb des Institutes. Er projektiert im künstlerischen, wissenschaftlichen und technologischen Kontext.

Liebe Elena, du studiertest in St. Petersburg an der Fakultät der Künste. Welche Richtung der Ausbildung war für dich wichtig.
Ja, ich habe meinen Abschluss an der Kunstfakultät der Pädagogischen Universität in St. Petersburg gemacht. Dadurch konnte ich meiner Leidenschaft für die Kunst nachgehen und den Umgang mit Farbe, Komposition, Skulpturen verfeinern. Ölmalerei war schon immer meine bevorzugte Ausdrucksform. Farben als Spiegel von Emotionen verwendet zu können, um meine eigenen Emotionen und Erfahrungen auszudrücken, finde ich spannend.

… und welche Ausbildung kannst du heute profitabel verwerten?
Das Studium klassischer Kunst hilft mir viel beim 3D Grafiken, ein starkes Gespür für Komposition, Farbtheorie und Beleuchtung zu entwickeln, die allesamt entscheidende Elemente bei der Erstellung realistischer und ansprechender 3DGrafiken sind. Ich lernte Licht und Schatten zu verwenden, um Tiefe und Textur zu erzeugen, sowie Farben und Formen innerhalb einer Komposition auszubalancieren. So schaffe ich realistischere, dynamischere und emotional resonantere Kunstwerke!

Als du in Petersburg oder Moskau ausstelltest, gab es da für dich schon das Interesse an digitaler Kunst?
Zuerst gab es Phasen für die Kunstrichtung der abstrakten Malerei, dann ging ich durch die Glitch Art in die Fotografie, dann mittels Glitch in die Malerei und entdeckte die 3D-Welt. Die digitalen Bilder zeigen realistische Personen, jedoch sind diese surrealistisch verändert. Diese abstrakten Personen repräsentieren Gefühle. Z. B. Traurigkeit, Ängste, Sorgen, Einsamkeit. Quasi aus dem Unterbewusstsein kommen die emotionalen Zustände. Ich erinnere mich auch an Figuren oder manchmal auch an Farben der Nachtträume.

Du kannst dich noch an Träume erinnern?
Ja, ich versuche bewusst die Träume fest zu halten, weil ich nur abends produktiv und kreativ bin.

Du stellst Glitsch-Bilder und Videos seit 2013 aus?
Ja, ich habe mit digitaler Kunst in St. Petersburg angefangen, ca. 2013. 2014 stellte ich in der Ukraine in Kiew aus und in Moskau bei „Glitch-Diva“, wo ich meinen österreichischen Mann Christian kennengelernt habe. Im nächsten Jahr waren meine digitalen Bilder vorort ausgedruckt in Galerien in Krakow, Zagreb, Paris, Vancouver und New York (Con Artist Collective Gallery) und dann in Minneapolis … 2017 in der FH St. Pölten mit Videoanimationen und in mit einer Papiermasche- Skulptur in Wien in der ZENTRALE-Galerie … 2019 im Volkstheater Wien usw. Ich war auch u. a. 2021 eingeladen beim Bright-Festival, Kunstkraftwerk Leipzig.

Was sind Giltsch-Bilder?
Ich mache sowohl 3D Art Grafiken als auch Animationen.  Glitch-Bilder ist eine Kunstform, die digitale Fehler und Unvollkommenheiten nutzt, um surreale Bilder zu erstellen. Dieverzerrten Formen, Farben und Texturen erzeugen ein Gefühl der Desorientierung oder des Unbehagens … Glitch-Art kann mit einer Vielzahl digitaler Tools erstellt werden, darunter Texteditoren, Bildbearbeitungssoftware, Videobearbeitungssoftware und sogar Programmiersprachen.

Hast du Lieblingsmotive, -prozesse, ..
Meine Lieblingsmotive sind Darstellungen einer Person in einer bestimmten Umgebung, die Emotionen ausdrücken, Bilder eines Traums und nichtexistierender Welten. Träume und Fantasiewelten offenbaren oft verborgene Wünsche, Ängste und Befürchtungen, die im wachen Leben nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Indem Bilder dieser alternativen Realitäten entstehen, können die Benützer in die inneren Abläufe der menschlichen Psyche eintauchen und das kreative Potenzial des Unterbewusstseins erschließen.

Ist Vielfalt und Veränderung ein Motto? Hast du Lebensphasen in deiner Kunst?
Vielfalt in der Kunst anzunehmen, kann neue Ideen und Perspektiven fördern und Veränderungen führt zu Wachstum und Innovation. Ja, ich nutze gerne neue kreative Tools. Jetzt experimentiere ich zum Beispiel mit künstlicher Intelligenz, um meine Bilder zu erstellen. In meiner kreativen Arbeit durchlaufe ich nicht nur eine Phase des Experimentierens, der Beherrschung einer bestimmten Technik oder eines bestimmten Stils, sondern wichtig ist eine Phase der Selbstbeobachtung und Reflexion. Auch Veränderungen in meinem Privatleben, wie zum Beispiel der Umzug nach Österreich, beeinflussten meine Kunst.

Kannst du ohne Kunst leben?
Kunst ist für mich Leben!

Liebst du Eklektizismus?
Ich denke, dass Eklektizismus ein dynamischer und flexibler Ansatz für Kreativität ist, der es Künstlern ermöglicht, eine breite Palette von Quellen und Traditionen zu nutzen, um einzigartige, abwechslungsreiche und aufregende Werke zu schaffen, Eklektizismus ist heute in vielen kreativen Bereichen ein gängiger Ansatz.

Beeinflusste dich dein Partner Christian, der ja Medienkunde auf der FH St.P. studierte?
Natürlich! Er bereichert mich, da sie an der FH St. Pölten im Bereich experimenteller Medien auf dem Gipfel neuer Technologien sind. Es gibt immer neue Wissensressourcen und einen Erfahrungsaustausch in Verbindung mit Kunst. Außer dem komponiert Christian Musik zu meinen Animationen.

Deine Arbeitshaltung, Tempo, Ungeduld/Geduld?
Das ist unterschiedlich. Aber normalerweise mache ich ein paar Kompositionen pro Tag. Ich kreiere viele als Optionen, und dann wähle ich die beste Komposition und forciere sie.

Wie integriertest du dich in Inzersdorf?
Wir besuchen gern Heurige und als Mobilbetreuerin bei der Caritas St. Pölten helfe ich den Flüchtlingen beim Übersetzen und begleite sie zum AMS oder zum Arzt oder aufs Finanzamt ...

Liest du russische Literatur, welche?
Ich lese gern russische Literatur, momentan finde Ich die Bücher von V. Sorokin aktuell. Er behandelt die russische Zersplitterung, sagt die Zukunft Russlands voraus, dass es von Europa getrennt und von China beeinflusst wird. Und dann denke ich an meine russische Freundin, denn sie meinte kürzlich: dass ihr Enkelkind in der Schule nicht mehr Englisch lernen soll, eher Chinesisch!

Hast du in der deutschen Literatur Protagonisten/ Lieblingsautoren?
Ich lese jetzt viel von Erich Maria Remarque, momentan ist er mein Lieblingsautor.

Warum ausgerechnet … „Im Westen nichts Neues“ handelt ja vom I. WK?
Ja, weil es aktuell ist, vor allem „Arc de Triomphe“ beschreibt das Leben der Flüchtlinge zu Beginn des WK II. Er selbst war nach Paris geflüchtet. Ich arbeite mit ukrainischen Flüchtlingen und die sagten mir, sie können dieses Werk, das ich ihnen gab, nicht lesen, weil es so ähnlich zu ihrer Situation nun ist. Die Hauptperson im Buch ist ein Arzt und unter den von der Caritas betreuten Flüchtlingen sind auch Ärzte, die jetzt in Österreich nicht arbeiten können. Jetzt nach 100 Jahren wiederholt sich die Geschichte!

Möchtest du nach Russland zurück?
Nur zum Besuch meiner Familie.

Gibt es neue Arbeiten?
Die Virtuelle Brille stellte ich 2021 auf You Tube. Du bist durch diese Brille in meiner besonderen Glitsch-Welt in den von mir gestalteten Räumen mit meinen Figuren unterwegs.

Sehr spannend und interessant! Danke für deine Arbeiten und die Zugänge dazu!
LINK: youtu.be/Cy96Y51euVI