41 / Das Fremde im Text: Zelle 15 - Pius Njawe

Aktionsplatz: Das Fremde im Text
„Das Fremde im Text“ ist ein Aktionsplatz für Texte von Immigranten, die durch das „Writers-in-Prison-Komitee Österreich“ erfasst werden.

Pius Njawe
(Kamerun)
Bereits im Alter von 19 Jahren wurde der 1957 geborene Pius Njawe zum ersten Mal verhaftet, weil er die Nachricht verbreitet hatte, im Kamerun sei Erdöl gefunden worden. Als 22-Jähriger gründete er die Zeitung „Le Messager“ und wurde dadurch zum jüngsten Besitzer einer Zeitung in seinem Land. Seit damals engagierte er sich unermüdlich für die Pressefreiheit in seiner Heimat. Wiederhole Male wurde „Le Messager“ und das zweiwöchentlich erscheinende satirische Magazin „Le Messager Popoli“ verboten und beschlagnahmt. Die Periodika wurden mehrmals zensuriert, die Redaktionen geschlossen, die technische Ausstattung der Journalisten konfisziert und die Redakteure inhaftiert, bestraft und während des Regimes von Präsidenten Paul Biya gefoltert. Präsident Biya war achtundzwanzig Jahre im Amt. Pius Njawe wurde über dreißig Mal ins Gefängnis gesteckt. Immer wieder wurde ihm die medizinische Versorgung, die er als Diabetiker dringend brauchte, verweigert. Am 12. Juli 2010 kam Pius Njawe bei einem Autounfall in den USA ums Leben, er war zum Treffen „Cameroon Diaspora for Change“ unterwegs. Einen Monat vor seinem Tod sagte er: „Ein Wort kann stärker als eine Waffe sein und ich bin fest davon überzeugt, dass wir eine bessere Welt schaffen und die Menschen glücklicher machen können. Warum sollten wir aufgeben, wenn uns die Verpflichtung ruft? Außer Gott wird mich niemand mich zum Schweigen bringen, solange ich nicht das erreicht habe, was ich als Mission für mein Land, für Afrika – und warum nicht – für die ganze Welt betrachte.“

Pius Njawe
Zelle 15

Die Behandlung im Gefängnis ist im höchsten Maße demütigend. Ziel ist es, meine Moral zu brechen, wenn ich physisch nicht beiseite geschafft werden kann. Die Zelle 15 teile ich mit ungefähr einhundert weiteren Insassen, fast alle von ihnen sind Kriminelle, die Morde, Attentate, Raubüberfälle und ähnliche Delikte begangen haben. Der Kamerad, mit dem ich die Schlafstelle teile, war der Anführer einer Bande, die das Haus meines Nachbarn ausgeräumt hat. Zwar bekomme ich Zeitungen und Bücher, doch das Schreiben ist mir nicht gestattet. So schreibe ich heimlich. Dafür muss ich um drei in der Früh aufstehen und beim Licht einer Taschenlampe meine Gedanken zu Papier bringen. Außerdem muss ich meine Mithäftlinge bezahlen, dass sie mich nicht verraten. So verfasse ich auch diesen Bericht, den ich heimlich an mein Büro senden werde, damit er abgeschrieben wird.
Ich weiß, dass ich nun für meine Unbeugsamkeit im achtzehn Jahre dauernden Kampf für „Le Messager“ und Vereinigungen wieder „Cameroon Organization for Press Freedom“ (Ocalip) und die 2 Central African Union of „Private Press Publishers“ um die demokratische Freiheit in Kamerun und in Afrika zu vergrößern, bezahlen muss. Ich bezahle dafür, dass ich die Zusammenarbeit mit einer politischen Partei verweigert habe. Ich bezahle dafür, dass ich mich geweigert habe, im Schweinetrog unterzutauchen. Ich bezahle dafür, dass ich meine Unabhängigkeit dem faulen Kompromiss vorgezogen habe. Ich bezahle, weil für jede Entscheidung gezahlt werden muss.
Aber ich bin auf meine Wahl stolz und bedauere sie nicht, weil ich davon überzeugt bin, dass sie der richtige Weg ist. Ich bedauere nur, dass wir noch immer viele Kollegen unter uns haben, die der Ansicht sind, der faule Kompromiss mit den Mächtigen führte zu einem Ausweg.

Übertragen aus dem Englischen von Helmuth A. Niederle

Aus:
Von der Gerechtigkeit träumen
Anthologie verfolgter Autorinnen und Autoren
Hrsg. von Helmuth A. Niederle
Wien: Löcker Verlag, 2010.