50/Wozu Literatur?/Das Fremde im Text: Trödelladen in Kabula. Jack Mapanje

Das Fremde im Text
Jack Mapanje
Trödelladen in Kabula

Schwarzholz zwischen sachte gebogenen Beinen
            die Augen rot überm Blasbalg, vom Rauch
            das Schärfen von Äxten, Beilen, Messern
            das Hacken, das Schnitzen und solch
            Ritzen, solch Stechen und Stechen
            danach das Schmirgeln und Glätten

Schwarzholz zwischen sachte gebogenen Beinen
            so viel Kraft und Geschick und der Preis
            hinweggefeilscht, vermagst du dir vorzustellen
            jetzt ein zerbrochenes Symbol, achtlos weggeworfen
            im letzten Winkel eines Trödlerladens: eine Löwin
            gebrochene Beine, gebrochenes Genick, abgebro-
            chene Zitzen?

Nachdichtung aus dem Englischen von Helmuth A. Niederle und Jürgen Strasser

Jack Mapanje
Geb. 1944 in einem Dorf im Süden Malawis (damals britisch: Nyasaland). Studierte in den 1960er Jahren an der Malawi University und am Londoner Institute of Education. 1985 wurde „Of Chameleons and Gods“ vermutlich nach Intervention in höheren Kreisen in Malawi verboten. In einem Rundschreiben vom Ministerium für Erziehung und Kultur, Malawi, wurde der Gedichtband als „ungeeignetes Lehrmittel“ bezeichnet. 1987 wurde Jack Mapanje von einer Universität in Zimbabwe als Writer in Residence eingeladen, kurz vor der Ausreise am 25. September 1987 festgenommen und im Mikuyu Maximum Detention Camp in Zomba, Malawi inhaftiert. Ohne Angabe von Gründen, ohne Anklage und ohne Prozess blieb er vier Jahre arretiert. 1988 wurde er mit dem Internationalen Lyrikpreis (Rotterdam International Poetry
Award) für „Of Chameleons and Gods“ ausgezeichnet. Der Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka nahm den Preis für den Inhaftierten entgegen. Zahlreiche internationale Appelle renommierter Schriftstellerinnen und Schriftsteller, darunter Harold Pinter, Wole Soyinka und Susan Sontag, weltweite Aktionen des PEN-Clubs, Interventionen auf höchster Ebene sowie Tausende Postkarten und Unterschriftslisten von Menschen, die sich weltweit gegen seine Inhaftierung aussprachen, konnten schließlich im 10. Mai 1991 zu seiner Freilassung beitragen. Danach lebte Jack Mapanje in Groß britannien, dort unterrichtete er an der Universität Newcastleon-Tyne als Linguist mit den Schwerpunkten Gefängnisliteratur und mündliche afrikanische Literaturtradition, zurzeit lebt und unterrichtet er in Botswana. Jack Mapanje kehrt nur für kurze Besuche in seine Heimat Malawi zurück. „Seine gänzlich originelle, unbezwingbare Stimme ist anders als die aller anderen Dichter englischer Sprache aus Afrika oder anderswo.“ (Angus Calder)
Jack Mapanje: „Of Chameleons and Gods / Und Gott ward zum Chamäleon“. Mit einem Nachwort von Jürgen Strasser. Aus dem Englischen von Helmuth A. Niederle und Jürgen Strasser. Edition Milo im Drava Verlag. Klagenfurt 2008.

 

Begleittext von Helmuth A. Niederle, Beauftragter des Writers in Prison Komitees Österreich.

Für den nicht mit afrikanischen Verhältnissen vertrauten Leser entwirft das vorliegende Gedicht anscheinend das schlichte Bild eines Handwerkers, der in traditioneller Weise seine Kunstgegenstände herstellt. Darüber hinaus wird die Behutsamkeit des Fachmanns besonders hervorgehoben. Beide Strophen beginnen mit derselben Feststellung, wobei der Begriff „sachte“ eine zentrale Stelle einnimmt. Erst die in den letzten drei Zeilen formulierte Frage verlässt die Darstellung handwerklicher Fertigkeit: Möchtest du dir vorstellen, dass all die Mühe und Kunstfertigkeit zur Herstellung eines Kunstwerks nichts anderes hervorruft als Missachtung?

Dem malawischen Leser war klar, nicht ein Kunsthandwerker und dessen vergebliche Arbeit werden thematisiert, sondern der Zustand des eigenen Landes, das um Unabhängigkeit gerungen und mühsame und zähe Verhandlungen mit der ehemaligen Kolonialmacht Groß Britannien zu meistern gehabt hatte.

Wie schwierig der historische Weg für die Bevölkerung in Malawi war, belegen folgende Eckdaten: 1891 wurde Malawi zum britischen Protektorat. 1907 erfolgte die Umwandlung in die Kolonie Njassaland. 1915, als die britische Regierung die Wehrpflicht für die Koloniebewohner anordnete, revoltierte die einheimische Bevölkerung unter dem Baptistengeistlichen John Chilembwe gegen die Fremdherrschaft.

Am 6. Juli 1964 erlangte das Land unter Premierminister Hastings Kamuzu Banda als Malawi die Unabhängigkeit, der exakt zwei Jahre danach, am 6. Juli 1966, die Republik ausrief und ihr erster Präsident wurde. Banda regierte das Land an der Spitze der Malawi Congress Party (MCP) diktatorisch. Diese Diktatur endete erst 1993 mit einem friedlich ablaufenden Referendum, welches 1994 in freie Wahlen mündete.

Präsident Banda und seine Helfershelfer waren auch in den dunklen Zeiten der Apartheid in Südafrika treue Verbündete des Westens, der die Diktatur in Malawi maßgeblich unterstützte. Jede Form des Dissens wurde brutal unterdrückt.

Der von Jack Mapanje angesprochene „Trödlerladen“ meint Malawi, das nach fast vierzig Jahre währenden Unabhängigkeitsbestrebungen nicht die ersehnte Demokratie bekam, sondern eine machtgeile einheimische Clique. So gesehen ist das Gedicht ähnlich zu lesen wie „Du bist wie eine Blume“ von Heinrich Heine. Auch in diesem Text gilt die Sorge dem Vaterland, die der Dichter mit den Worten beschreibt: „Ich schau dich an, und Wehmut / Schleicht mir ins Herz hinein.“