90 / Unter Wolken / Interview / Claudius Schöner

Das Interview führte Jonathan Perry.

Lieber Claudius, wir wollen über Wolken sprechen, über das Flüchtige und seine Schönheit. Du bist Maler, die Aufgabe eines Malers scheint mir, wenigstens unter anderem, das Festhalten zu sein. Ein Widerspruch?
Festhalten des Moments ist vielleicht die erste Aufgabe der klassischen, aber auch der modernen Malerei. Wenn wir von Wolken sprechen, ist das ein wenig anders. Das Wesen der Wolken ist Vergänglichkeit, Bewegung, Verdichtung, Auflösung. Auch das kann man mit Feingefühl malerisch darstellen. Manchen Malern ist es gelungen, Veränderung festzuhalten, zum Beispiel Marcel Duchamp, der eine Dame, die Treppe hinuntersteigend, dargestellt hat, ein Versuch, ich würde sagen ein Experiment, zum Teil gelungen. Manche Expressionisten haben bewußt versucht Bewegung zu malen. Wenn ich fliegende Vögel oder schwimmende Fische, stürmende Pferde oder ähnliches male, ist es ebenso ein Versuch, bleibt aber dennoch eine Momentaufnahme, da dem Bild nur im Film Bewegung gelingt. Wir Maler werden uns also auch weiterhin bemühen müssen, die Idee der Bewegung zu vermitteln.

Lässt sich die Idee der Bewegung, von der du sprichst, mit einem Aquarell besser vermitteln als mit sagen wir einem Gemälde in Öl? Ist das Aquarell vielleicht deshalb deine bevorzugte Technik?
Darüber habe ich noch nicht viel nachgedacht, es scheint mir aber, daß dass schon etwas dran ist. Die Ölmalerei ist bedächtiger. Ölbilder male ich im Sitzen, Aquarelle immer im Stehen. Da die Aquarellfarbe ganz flüssig zugehen muß, wegen der raschen Auftrocknung der Farbe, und da der Pinselstrich bewegt und rasch ausgeführt werden muß, hat das Ergebnis einen anderen Charakter, man muß beschwingt arbeiten, der Untergrund scheint immer durch und man kann mit einem Pinselstrich beim Aquarell soviel ausdrücken wie mit 20 beim Öl. Darum allein schon ist Bewegung leichter darzustellen, man hat weniger Zeit nachzudenken, ich brauche meistens weniger als eine halbe Stunde für ein Aquarell, das Ergebnis vermittelt immer eine gewisse Beschwingtheit und damit vielleicht auch einige Bewegung.

Ich erinnere mich ungefähr: Du hast einmal gesagt, es gebe keine Zufallstreffer beim Malen. Man müsse die Technik beherrschen. Nicht nur beim Malen mit Wasser habe ich aber die Erfahrung gemacht, wie wenig mir das entstehende Bild gehorcht. Fast so, als hätte es ein Eigenleben. Teilweise überraschen mich die Ergebnisse. Ist das schlicht Dilettantismus?
Das ist ein interessantes Phänomen: Wenn ein Bild sich "wie von selbst" malt, sodaß man glaubt, man habe keinen Einfluß auf das Geschehen, ist das ein sehr erwünschter Glücksfall. Man muß aber unterscheiden zwischen experimenteller Malerei und "Auftragsarbeiten". Wenn ich ein Portrait male, muß ich alle meine technischen Kenntnisse anwenden, um zu einem Ergebnis zu kommen. Wenn ich experimentiere, also dem Zufall vertraue, in der Hoffnung neue Erkenntnisse zu gewinnen, ist das etwas Anderes. Da male ich nicht in der Absicht, etwas Bestimmtes zu gestalten, ich lasse mich treiben, ich experimentiere, und vielfach mit Erfolg, denn wenn ich den Zufall nützen kann, lerne ich dabei. Es hat also nichts mit Dilettantismus zu tun, sondern
mit der Absicht, was man erreichen will. Das ist der beste Lehrmeister, je älter man wird, desto besser lernt man zu lernen.

Du malst ja seit beträchtlicher Zeit, warst lange Jahre in deiner Tätigkeit als Reiseleiter auf der Welt unterwegs. Wenn du zurückblickst: Hast du erreicht, was du erreichen wolltest?
Natürlich nicht, wer erreicht hat, was er sich erwartet hat hat sich zu wenig vorgenommen. In meinem Brotberuf als Reiseleiter habe ich 30 Jahre lang durchgehalten, das reicht, nicht um zufrieden zu sein. Als Künstler hat man andere Ziele, sie können nie wirklich befriedigt werden.
Natürlich bin ich mit vielen meiner Bilder erfolgreich gewesen, das heißt, sie haben gefallen. Das ist aber noch keine Genugtuung, anfangs glaubt man ja, daß es genügt, wenn die Bilder gefallen. Tatsächlich aber ist es anders, die Bilder müssen mir wirklich gefallen, dann wäre das Ziel der Zufriedenheit erreicht. Das ist aber nie der Fall, ich weiß, daß meine Bilder besser sein könnten und müßten. Das hindert mich aber nicht daran, im Großen und Ganzen zufrieden zu sein, denn ich weiß, daß ich mich bemüht habe.

Und dann verändern sich ja auch die eigenen Ziele und Ideale häufig - womit wir zuletzt wieder beim Thema wären. Vielleicht eine abschließende Frage noch: Was bleibt?
Was bleibt ist die Erinnerung. Manche glauben, das Werk sei wichtiger. Das glaube ich nicht. Der Nachruhm interessiert mich nicht, dazu bin ich zu sehr auf mein eigenes Leben konzentriert. Die freudigen Momente des Lebens, sowie die traurigen, sind und bleiben essentiell. Wenn man davon soviel wie möglich im Gedächtnis behalten kann, ist man nach meiner Meinung auf dem richtigen Weg. Das Leben war das, was man erlebt hat, ob Künstler oder nicht. Was man richtig oder falsch gemacht hat, weiß man nicht und wird es zu Lebzeiten nicht ergründen können. Was bleibt, ist Freude und Schmerz, Enttäuschung und Genugtuung. Weiters wüßte ich über dieses Thema nichts zu sagen.

 

Claudius Schöner
Geb.1946 in Bregenz die Kindheit im Bregenzer Wald verbracht.
Seit 1955 in Wien, Theresianische Akademie, Matura 1965. Verschiedene Studien in Wien und Genf (Biologie, Kunstgeschichte, Archäologie). Studium an der Akademie für angewandte Kunst/ Meisterklasse Tasquil. Seit 1978 Reiseleiter in Europa, Asien und Afrika, daher starke Beziehung zu Tierwelt und fremde Kulturen. Techniken: Öl, Aquarell, Tuschpinselarbeiten, Druckgrafik, bes. Holzschnitt, Keramik. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland: Rom, Palermo, Sevilla, Paris, Split, Bern, Monte Carlo,...Seit 1990 Veranstaltung von Aquarellkurs-Reisen in Italien, Ungarn, Zypern und als einziger Veranstalter auf dem Heiligen Fluss Ganges.

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Foto Privat
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