Alexander Hauer: Ein Traum manifestiert sich nur in einem selbst. Ernst Punz

Alexander Hauer
Ein Traum manifestiert sich nur in einem selbst

 
Foto © Helmut Lackinger  

Ernst Punz, Wohnheimbetreuer, Autor und Journalist in St. Pölten, lernte anlässlich der Kulturpreisverleihung des Landes NÖ Alexander Hauer, den Begründer, Geschäftsführer und künstlerischen Leiter der Wachau Kultur Melk kennen, der auch die Internationalen Barocktage Stift Melk alljährlich leitet, und führte im Jänner 2012 folgendes Interview.

Gibt es einen Traum, der Ihr Leben bestimmt hat?

Ich musste immer wieder meine Neffen und Nichten sitten und habe sie einfach mit Theater spielen beschäftigt. Das hat sich dann im Schlaf fortgesetzt und ich habe wirklich davon geträumt, dass ich einmal beim Theater arbeiten werde. Das fand ich damals als Kind sehr witzig und ich kann mich heute noch an Bilder aus diesem Traum erinnern.

Hat Ihr Beruf mit Träumen zu tun?

Die Tätigkeit am Theater zu arbeiten und Visionen umzusetzen, ist durchaus verwandt mit dem träumen. Wir artikulieren vieles, das im Unbewussten bei uns Menschen mitschwebt oder sich eine neue Bahn bricht. Wir im Theater versuchen, neue Wirklichkeiten auf die Bühne zu stellen. Es kommt da vieles heraus, was sich beim einen in Traumgesichtern widerspiegelt und bei uns in Rollenbildern.

Haben Sie einen unerfüllten Wunschtraum?

Ich träume nicht davon, dass ich einen Lottosechser mache, in einer schönen Villa wohne oder auf einer einsamen Insel, sondern ich gehe manchmal auf Fantasiereisen, auf denen sich mein Wunschdenken manifestiert. Es tauchen schon Sehnsüchte auf, aber ich würde das nicht als Traum bezeichnen. „Ich träume den unmöglichen Traum“, wie es beim Mann von La Mancha heißt, finde ich, ist eine der dümmsten Zeilen, die es gibt. Träume schaffen eine andere Wirklichkeit, sind also möglich. Wenn man sich Vorhaben setzt, können die erreichbar sein oder nicht, sie sind aber immer eine Motivation. Von Träumen möchte ich mich eher überraschen lassen. Was die Arbeit betrifft und den Alltag, wünsche ich mir, dass der Respekt zu seinem Recht kommt. Ich glaube aber, dass das umsetzbar und dadurch gar kein Traum ist.

Ich wünsche mir zum Beispiel immer mit tollen Leuten zu arbeiten und wir haben bei den Melker Sommerspielen einfach tolle Leute. Diese Sehnsüchte konnte ich mir schon erfüllen und ich hoffe, dass dieses Miteinander bestehen bleibt, weil das eine große Kraftquelle ist. Und das ist traumhaft.

Werden Sie von Albträumen verfolgt?

Ich habe heute seit langem wieder davon geträumt, dass ich in Mathematik maturieren muss. Katastrophal. Das ist wirklich ein Thema, das mich immer wieder verfolgt hat. Früher träumte ich auch von Griechisch. Ansonsten bin ich vor Schweißausbrüche verschont geblieben. Albträume sind ohnehin jene Form, wo man Angst hat zu scheitern. Und scheitern wird man dort, wo man inkompetent ist. Mein dazu Satz ist immer Kompetenz ist die Kenntnis von Telefonnummern. Ich habe ein mit Nummern gut ausgestattetes Handy. Mit dem können Fragen, die ich selbst nicht beantworten kann, gelöst werden, weil ich ein großartiges Team um mich habe. Insofern gibt es da auch keinen Albtraum.

Was bedeutet für Sie der Traum in Literatur und Theater?

Mit Traumliteratur habe ich mich nicht gesondert befasst, mich interessiert die Fantasie generell. Mich faszinieren die irrealen Romane, gerade habe ich wieder Kafkas Verwandlung gelesen. Das würde ich nicht gerade als Traumnovelle bezeichnen, aber die Grenzen zwischen der Wirklichkeit und dem, was man als Absurdes oder Fantastisches bezeichnet, finde ich grundsätzlich sehr spannend. Mich interessieren die Mythen, wo ja auch viele Traumbilder, Traumdeuter und Traumgesichter vorkommen, die biblischen Geschichten. Zum Beispiel die Wahnvorstellung des Moses, wenn er den brennenden Dornbusch sieht. Heute würde man ihn wahrscheinlich wegsperren, gleichzeitig gilt er als Prophet. Die Wahrnehmung von Menschen, die ein drittes Auge haben. Was ist Genialität, was ist Prophezeiung und was ist krank? Da interessiert mich, wie Menschen damit umgehen. Ich glaube, dass ein Traum ganz intim ist und auf der Bühne gar nicht verhandelt werden kann. Ein Traum manifestiert sich nur in einem selber innerhalb von Millisekunden. Da ist man genau mit diesen Gestalten im Team, die man um sich hat im Traum.

Traum als Stilmittel in Literatur und Theater?

Das hat mich nie als Traum interessiert, weil ich das immer als Bild fand. Ähnlich wie Artus die Tafelrunde baut, weil es ein Bild ist. Ich glaube das Träume total wirklich sind, was zum Beispiel bei Lumpazivagabundus von Johann Nestroy der Fall ist. Man könnte sagen, ab dem Zeitpunkt, wo die drei die Glückszahl träumen, tauchen sie nicht mehr in der Realität auf, sondern sind genau auf dem Drogentrip, auf dem sie sein wollen. Jemanden anderen schickt man halt auf Entzug, aber hier stellt man es noch auf die Bühne und lässt das in dieser Traumwelt durcherleben. Wobei es bei Nestroy noch zusätzlich so ist, dass man damit die Zensur umgehen konnte. Alles was man in der Nichtwirklichkeit angesetzt hat, war fantastisch. Beim Publikum ist es aber angekommen. Die Literatur hat sich immer mit gutem Recht in den Traum als Stilmittel geflüchtet, weil man sagen kann, das ist jetzt noch nicht, aber das kann auf uns zukommen. Die Propheten und die Kassandra hat man dafür umgebracht.

Wie stehen Sie zur professionellen Traumdeutung?

Ich kann damit etwas anfangen, weil es analytisch ist. Die Träume führen einen auf sich selber zurück, was man alleine vielleicht gar nicht so kann. Wenn mich jemand nach meinem Traum fragt, nimmt er mich als Person ernst und fragt, was das sein könnte, wofür dieses Bild des Traumes steht. Auch da ist es so, dass es ein ganz intimes Verhältnis sein muss. Er soll mich zu mir selber führen, eine neue Facette von mir zeigen oder eine Tür zu mir aufmachen, die ich selber vielleicht nicht so kenne. Ich halte wenig von den Traumdeutern, Kartenlesern, Sternkonstellationserfindern, die mir sagen, indem ich bei der Fernsehhotline anrufe, wie etwas auf mein Leben eingreift. Die wirklich guten Traumdeuter, deuten ja nicht, sondern lassen dich selber deuten.

Wie deutest Du: Katharina träumt von Alexander?

Ja, Ich habe Katharina Stemberger angerufen und wir sind auf einen Kaffee gegangen. Sie hat mir erzählt, sie habe zweimal davon geträumt, dass sie mit mir über Die Päpstin* verhandelt habe. Ich habe ihr geantwortet, das kann tatsächlich in einer halben Woche der Fall sein, denn wir entscheiden jetzt, ob es eine jüngere oder eine ältere Besetzung geben wird und ob sie die Hauptdarstellerin werden soll. Zu der Zeit, wo sie davon geträumt hat, habe ich intensiv darüber nachgedacht, wobei sie sich in Wien befunden hat und ich mich in Rom. Sie wusste zuvor nichts davon und ist es geworden. Übrigens kommt in Die Päpstin auch eine Traumdeuterin, eine Wahrsagerin vor.

*Die Päpstin wird heuer bei den Melker Sommerspielen in einer Fassung von Susanne F. Wolf am 21. Juni 2012 uraufgeführt.

Alexander Hauer
Studium der Theaterwissenschaft und Germanistik in Wien. Seit 2001 Intendant der Sommerspiele Melk. Über fünfzig Inszenierungen für Schauspiel, Oper, Operette und Musical im In- und Ausland.

LitGes, etcetera Nr. 48/Traum/Mai 2012