Freude am Wort!: Isabella Suppanz. Thomas Fröhlich

FREUDE AM WORT!

Seit 2005 ist Isabella Suppanz erfolgreiche Intendantin des Landestheaters Niederösterreich in St. Pölten. 2006 fand unter ihrer Ägide erstmals der St. Pöltner „Blätterwirbel“ statt. Zudem ist Isabella Suppanz eine überaus liebenswürdige wie schlagfertige Gesprächspartnerin. Einige von vielen Gründen für Thomas Fröhlich, dieses Interview zu führen.
etcetera 29/Blätterwirbel/Oktober 2007

T. Fröhlich: Liebe Isabella, wenn ich mir deine Biografie, nicht nur als „Theatermacherin“, ansehe, da warst du ja nicht nur in Österreich sondern auch international mehr als umtriebig. Wie geht’s dir in St. Pölten?

Isabella Suppanz: Sehr gut. Ich mag die Stadt und jene Menschen, die sich im Lauf der Zeit als Freunde herauskristallisiert haben – und das sind schon einige. Ich hänge an unserem sehr schönen Theater und an meinem  Team und nicht zuletzt schätze ich das erstaunlich aufgeschlossene und engagierte St. Pöltener Publikum.

T. Fröhlich: Vergleiche hinken ja immer – aber: Wie siehst du das St. Pöltner Theater- und im weiteren Sinne Kulturleben, verglichen mit, na ja, Wien oder Graz?

Isabella Suppanz: Es wäre Besorgnis erregend, wenn sich Städte, deren Kulturleben sich so verschieden entwickelt hat, miteinander ohne Hinken vergleichen ließen. Da wäre etwas schief gelaufen – man hätte importiert und kopiert und das eigene kreative Potenzial vernachlässigt. St. Pölten ist die jüngste Hauptstadt unseres Landes und dieser Tatbestand prägt die Stadt am stärksten. Die Szene ist neu und dadurch frisch, die Institutionen sind noch nicht verknöchert, neue Initiativen sind möglich, ohne von zu vielen alten belastet zu sein, und vor allem gibt es jede Menge neugieriger Menschen, die sich für die Stadt  und ihre Entwicklung lustvoll ins Zeug legen.

T. Fröhlich: Du öffnest das Landestheater ja auch für Nicht-Theatralisches, zum Beispiel für die „NÖ AutorInnen-Revue“, für Poetry Slams oder auch DJ-Lines. Wie sind da die Reaktionen, sowohl seitens des Publikums, seitens des Landes Niederösterreich als auch anderer Theatermenschen?
Akzeptanz, gar Freude? Oder: „Fria hätt’s des ned geb’m!“?

Isabella Suppanz: Texte sind die Grundlage jeder Theaterarbeit und die ist ohne Interesse an Literatur gar nicht vorstellbar. Das weiß auch unser Publikum und teilt unsere Freude an dieser „Basisarbeit“, die ja nicht zuletzt für uns alle die Riesenchance birgt mit zeitgenössischer Literatur in nähere Bekanntschaft zu treten.

T. Fröhlich: Wie kam’s eigentlich zum Blätterwirbel – so aus deiner Sicht? Was ist die Intention? Deine ganz persönliche Intention?

Isabella Suppanz: Die Möglichkeit ein Literaturfestival in der Stadt St. Pölten zu veranstalten wurde von Seiten des Landes Niederösterreich, ausgehend von Landesrat Sobotka, von Paul Gessl, dem Eigentümervertreter des Landestheaters Niederösterreich, an uns herangetragen und von meiner und der Seite meiner KollegInnen in der Dramaturgie mit höchster Begeisterung aufgegriffen. Ich habe einen Arbeitskreis bestehend aus Hugo Schöffer, Renate Kienzl, Herwig Bitsche, Gerald Knell, Peter Kaiser, Fritz Humer, Thomas Fröhlich und Thomas Pulle und anderen manchmal aus Zeitgründen fluktuierenden Mitgliedern zusammengestellt, die „Egon-Runde“, und dann haben wir einfach begonnen uns Veranstaltungen zu überlegen. Die Zusammenarbeit auch mit den Vertretern der Stadt St. Pölten ist erfrischend unkompliziert, hochprofessionell und von großer gegenseitiger Achtung getragen. Ich freue mich immer auf unsere Treffen.
Die Intention des Festivals ist die Förderung zeitgenössischer regionaler und überregionaler Literatur auf der Basis  diverser Vermittlungsweisen, vom Poetry Slam über AutorInnenlesungen, Literaturverfilmungen, dramatisierter Prosa, bis hin zu Workshops mit Jugendlichen und Kindern.
Meine ganz persönliche Intention ist eine sehr egoistische: Ich liebe Bücher und halte Autorinnen und Autoren zum Großteil für besondere und liebenwerte Menschen, mit denen ich gerne zusammen bin.

T. Fröhlich: Der „Blätterwirbel“ ist ja ein schönes Beispiel für Literatur- bzw. Lesekompetenz-Vermittlung, sei es auf der Theaterbühne, sei es auf der Kinoleinwand, sei es bei einer Lesung. Wie wichtig/unwichtig schätzt du Literaturzeitschriften als Vermittler all dessen ein?

Isabella Suppanz: Ich glaube, dass Literaturzeitschriften innerhalb einer immer größeren und schwerer zu durchblickenden Bücherlandschaft ein wichtiges Orientierungsmedium sind. Weiters können sie ein Austragungsort für wichtige Diskurse außerhalb des marktorientierten Mainstreams sein – zudem leisten sie Starthilfe für junge Autorinnen.

T. Fröhlich: Wird’s weitere „Blätterwirbel“ geben?

Isabella Suppanz: Ja. Wir wussten zwar alle nicht, dass uns der Start so gut gelingen wird und das Publikum sich so zahlreich mit uns freut, aber der Blätterwirbel war nie als Eintagsfliege geplant.

T. Fröhlich: Wie und wo siehst du dich in näherer Zukunft?

Isabella Suppanz: Noch ein paar Jährchen am Theater, dann vielleicht bei den Büchern. Aber „Prognosen sind immer schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen“, sagt schon der umsichtige Karl Valentin.

T. Fröhlich: Danke für das Gespräch!

Isabella Suppanz: Ich danke Dir auch und wünsche uns allen viel Spaß beim Blätterwirbel 2007.

Biografie Isabella Suppanz: Geb. in Spindlhof, Wildon, in der Steiermark. Studierte in Wien Theaterwissenschaft, Romanistik, Pädagogik und Kunstgeschichte. 1978/79 absolvierte sie eine Schauspielausbildung an der Schule von Lee Strasberg in New York, 1980 Promotion zum Dr. Phil. 1981-1986 war sie neben eigener Regietätigkeit als Regie- und Dramaturgieassistentin am Burgtheater beschäftigt. Es folgten zahlreiche Aufenthalte in den U.S.A. und in Frankreich. Von 1989 bis 2004 war Isabella Suppanz Dramaturgin am Theater in der Josefstadt. Seit 1990 Lektorin an der Universität Wien (Theaterwissenschaft), 1993 bis 2003  Lehrbeauftragte am Max Reinhardt-Seminar in der Regieklasse Achim Benning. 1995 Initiatorin und Leiterin des grenzüberschreitenden Theaterfestivals „Grenze im Fluß-Meja na reki“, das mit dem EU-Beitritt Sloweniens 2004 beendet wurde. Seit Saison 2005/06 Intendantin des Landestheater Niederösterreich, St. Pölten.

Inszenierungen (eine Auswahl):
1970: „Kunstverein Apollo“ v. Jean Tardieu, Jugendtheatertreffen Stift Lamberg;
1981: „Lore“ v. Isabella Suppanz, Theater in der Drachengasse;
„Du von draußen, ich von drinnen“ v. Christine Lavant, Theater in der Drachengasse;
„Hippodrome“ v. Gerhard Fischer nach Franz Kafka, Akademietheater u. Schauspielhaus Graz;
„Mütter und Töchter“, Kasino am Schwarzenbergplatz;
1982: „Liebestoll“ v. Sam Shepard, Theater in der Drachengasse;
1986: „Pierrot lunaire“ Bewegte Lieder, Theater Gruppe 80;
1987: „Fernes Arden“ v. Jim Morrison, Theater im Schubertkino;
1988: „Macbeth” v. William Shakespeare, Jura Soyfer Theater;
1989: „Eine gebrochene Frau“ v. Simone de Beauvoir, Kammerspiele Hamburg;
1991: „Spielmann. Texte“, Collage von Isabella Suppanz, Theater Gruppe 80;
„Mein zusammengelesenes Leben“ v. Kurt Schwertsik, Staatsopernstudio;
1993: „Christine Lavant“, Schloß Wolfsberg;
1995: „Pension Europa” v. Feri Lainscek, Schloß Gornja Radgona;
1996: „Durchreise” v. Ingeborg Bachmann, Bad Radkersburg;
1998: „Ohne Freiheit zu leben ...“, Bad Radkersburg;
1999: „Kalte Sterne“ v. Hertha Kräftner, Bad Radkersburg;
2000: „Künstler an der Macht", Rabenhof;
„Wie man Wünsche beim Schwanz packt" v. Pablo Picasso, Theater in der Josefstadt;
2003: „Die Gigerln von Wien“, Kammerspiele;
2004: „Verzeihen Sie ist das hier schon die Endstation“, Erika Pluhar/Werner Schneyder, Bühne im Hof St. Pölten.
2006: „Empfänger unbekannt“, Kresman Tayler, StadtTheater Walfischgasse mit Karlheinz Hackl und Peter Pikl.

Film- und Fernsehproduktionen:
1977-1980 Associate Producer der Canadian Broadcasting Corp. für Musikserien des kanadischen und amerikanischen Fernsehens (u.a. „Music of Man“ mit Yehudi Menuhin);
1992  „Rosalinas Haus“ Spielfilm von Erika Pluhar;
1999 Co-Regie ORF/ZDF „Erika Pluhar zum 60. Geburtstag“ (Porträt);
2001 „Marafona“ – ein Film von Erika Pluhar.

Publikationen:
„Frauentheater in Österreich. Die Drachengasse“ – ein Forschungsauftrag des Wissenschaftsministeriums (1991);
„Spielmann. Texte“, Festschrift des Grillparzer-Forums, Wien (1992);
„Land der Töchter“ Hg. von Marion Wisinger (Beitrag), Wien (1993);
„Überlebenstheater. Die Metamorphosen des Leo Reuß“ v. Hilde Haider-Pregler u. Isabella Suppanz. Wien (1998);
sowie Bearbeitungen für das Theater in der Josefstadt, Burg- und Akademietheater, den Österr. Bühnenverlag und diverse Beiträge in Programmheften und theatereigenen Publikationen.