Friedrich Grassegger: Auslastung ist alles. Eva Riebler

 

 

 

 

 

 

Friedrich Grassegger
AUSLASTUNG IST ALLES

 

 

Interview mit Mag. Friedrich Grassegger, dem stellvertretenden Leiter der Abteilung Kultur und Wissenschaft des Amtes der NÖ Landesregierung und Fachbereichleiter für Kunst und Kulturförderung sowie für den Bereich Museen und Sammlungen des Landes NÖ am 06.02.2009, Landhaus St. Pölten. Die Fragen stellte Eva Riebler. Es fotografierte Karoline Riebler.

 

Wie steht es Ihrer Meinung nach in Zeiten der Wirtschaftskrise mit der Kulturförderung? Muss heuer der Rotstift angesetzt werden und gefährdet das die Vielfalt?

 

Die Folgen sind  schwer abzuschätzen. Man weiß noch nicht, wie sich das  auf die öffentlichen Haushalte auswirken wird. Aber die Förderung des Landes ist nur ein Teil der Finanzierung von Kunst und Kultur. Ein wesentlicher Teil wird durch Sponsoren und Eintrittserlöse aufgebracht. Auch hier wird man erst im Laufe des Jahres sehen, ob es einen Besucherrückgang gibt und ob Sponsoren weniger auf Kultur setzen.

Aus jetziger Sicht können wir garantieren, dass weiterhin ein vielfältiges Kulturangebot bestehen bleiben kann. Die Kulturprojekte werden gemäß der ja bereits im Vorjahr erstellten Programmpläne und Budgetvoranschläge umgesetzt.

 

In den letzten Jahren gab es ja stets eine Steigerung des Budgets für Kunst, Kultur, Bildung und Wissenschaft. Jedes Jahr hat es neue Einrichtungen gegeben, ob in der Landeshauptstadt oder in Krems oder in den Regionen, deren Errichtung und Betrieb auch zusätzliche Mittel erfordert.

 

 

Welche neuen Kulturbetriebe und welche neue Förderbereiche entstanden da in den letzten Jahren?

 

Bei den neuen Kulturbauten denke ich an das  Frohner-Forum und das Museum Stein in Krems, die Kulturfabrik in Hainburg das Museumszentrum in Mistelbach, die Erweiterung der Bühne im Hof oder das neue Kulturdepot in St. Pölten.

Oder auch an das neue Auditorium, den Konzertsaal, und den so genannten „Wolkenturm“, die Freiluftarena, in Grafenegg. Alles Projekte, die nur Dank einer offenen und zugleich offensiven Kulturpolitik von Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll realisiert werden konnten.

Auf Initiative von Landesrätin Dr. Petra Bohuslav wurde ein neuer Förderbereich geschaffen, in dem es um die spezifische Förderung der Jungendkultur geht.

 

 

Im Festspielhaus gibt es ja nach der Saison 09 einen neuen Direktor, der angeblich weniger Budget zur Verfügung hat als Prof. Birkmeyer bisher! Geht Grafenegg mit dem Wolkenturm auf Kosten des Festspielhaus-Betriebes?

 

(lacht) Nein, es gibt keine Budgetkürzungen aufgrund der Tatsache, dass ein anderer Standort entstanden ist und seine Strahlkraft entfaltet. Es sind zusätzliche Attraktionen entstanden, die ja auch zusätzlich finanziert werden. Das sind zwei gut gehende selbständige Projekte! Und die Budgets für 2010 werden erst von der Betriebsgesellschaft erstellt, sodass es derzeit keine seriösen Aussagen zu einem Betriebsbudgets des Festspielhauses ab 2010 geben kann.

Das Land hat mit dem Abschluss eines neuen unbefristeten Fördervertrages zusätzliche Mittel für neue Betriebe bereitgestellt: So ist nun eben auch das ehemalige Stadttheater St. Pölten ein Landestheater und bekommt - wie auch das von der NÖKU neue übernommene Stadttheater in Baden und das Museumszentrum in Mistelbach - zusätzliche Mittel des Landes über einen Fördervertrag.

Der Anteil der Privatfinanzierung soll sich natürlich genauso erhöhen, wie die Subventionen wachsen. Ein wesentlicher Teil der Finanzierung kommt ja von den Privaten, und zwar von denen, die Veranstaltungen besuchen. Letztendlich geht es ja auch um die Förderung pro Besucher.

 

Auslastung ist alles?

 

Nein, das ist natürlich differenziert zu sehen. Die Devise „Quantität vor Qualität“ darf und wird es nicht geben. Vor allem in der modernen Kunst ist dies nicht möglich. Man kann nicht alles über einen Kamm scheren. Kunst und Zweck gehen nicht Hand in Hand. Aber es ist unser klares Ziel, dass es niederösterreichischen Künstlern und Künstlerinnen ermöglicht wird, Kunst auszuüben und andererseits ein möglichst breites Publikum sich dafür interessiert und davon profitiert.

 

Wie schaut es mit der Akzeptanz moderner Kunst im öffentlichen Raum aus? Manche „Kunstwerke“ sehen wie eine offizielle Baustelle aus Brettern und rostigem Baueisen aus und befinden sich im Zentrum sehr abgeschiedener, kleiner ländlicher Ortschaften.

 

Diese Projekte sind deshalb erfolgreich, weil sie von den Standortgemeinden mitgetragen werden. Es sind keine von „oben“ her aufgesetzten Kunstprojekte. Auch wenn das Unverständnis bei manchen Bürgern vorherrscht, so dient hier Kunst doch als Ansatzpunkt zu offener Diskussion und das finde ich gut. Die Kunstvermittlung spielt hier eine wesentliche Rolle.

 

Im Februar wird das Kulturdepot des Landes auf der Schanze am Rande St. Pöltens eröffnet. Welche Wertigkeit hat dieses Projekt?

 

50 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kulturabteilung des Landes beschäftigen sich mit dem Ordnen, Bewahren, Erforschen, Restaurieren und natürlich auch wieder zur Verfügung stellen der museal-wissenschaftlichen Landesammlungen. Angefangen von der Ur- und Frühgeschichte, über die römische Archäologie, die Volkskunde, die Landeskunde bis zur Kunst. Im neuen Kulturdepot befindet sich das Sammlungszentrum für den Bereich Kunst.

Die Planung dafür erfolgte 2005 und seit 2006 arbeiten wir intensiv an der Vorbereitung der Übersiedlung. Für alle Kunstwerke wurden Zustandsprotokolle angefertigt, notwendige konservatorische Maßnahmen eingeleitet. Über die nächsten Monate wird dann Schritt für Schritt das Depot bestückt.

 

Werden auch Gegenstände oder Exponate aus der Landesbibliothek oder aus der Kartografischen Abteilung dort verwahrt?

 

Ich kann nur für jenen Bereich sprechen, der von der Kulturabteilung betreut wird.  

Die Stammhäuser des Landesarchivs und der Landesbibliothek im Kulturbezirk werden weiterhin ihre Funktionen erfüllen, haben aber im Kulturdepot zusätzliche, klimatisch optimale Lagerflächen für Bestandszuwächse.

 

 

Bei der Eröffnung am 19.2.09 wird das Depot ja leider leer sein. Warum?

 

Ja, ganz recht! Die Bestückung wird in den nächsten Monaten erfolgen. Die Sicherheitsvorkehrungen und klimatechnischen Maßnahmen wie Kühlung, Belüftung und so weiter können bei Hunderten von Besuchern und offenen Türen zwischen den Bereichen nicht aufrecht gehalten werden. Die Kunstgegenstände würden darunter leiden. Bei Forschungsprojekten werden nur Einzelne durch die Schleusen gehen. Im Depot wird auch wissenschaftliches Arbeiten möglich sein, zum Beispiel für Studenten oder Kuratoren.

 

Eine literarische Frage: Was lesen Sie, wenn Sie Zeit haben?

 

Puh, was lese ich wenn ich außerhalb der Fachliteratur Zeit habe? (lacht) Ich lese vor allem natürlich im Büro … und dann Bilanzen, Konzepte, Fachliteratur. Und in der Freizeit lese ich viel Reiseliteratur und, wann immer ich Zeit habe, Romane, die ich aber in einem Stück nur lesen kann, wenn ich Urlaub habe.

 

Lesen Sie dann Krimi, bei denen die Spannung einem am Lesen hält?

 

Meistens lese ich  Romane und Erzählungen.

 

Orientieren Sie sich an Bestseller-Listen?

 

Ja, durchaus. Etwa Daniel Kehlmann. „Die Vermessung der Welt“. Den neuen Band „Ruhm“ habe ich noch nicht fertig gelesen. Mich fasziniert, wie breit dieses Buch im Vorfeld schon besprochen wird. Da läuft schon eine große Werbemaschine! Ansonsten lese ich quer und schaue stets in die Neuproduktionen der Edition NÖ hinein.

 

Das Erscheinungsbild der Edition NÖ, vor allem der Lyrikbände, ist ja qualitativ sehr hochwertig!

 

Ja, die Zusammenarbeit mit herausragenden Grafikern und bildenden Künstlern hat die Edition sicher sehr bereichert.

 

Was wollen Sie uns als stellvertretender Leiter der NÖ Kulturabteilung besonders ans Herz legen?

 

Was nicht so bekannt ist, nämlich dass in der Kulturabteilung des Landes nicht nur die Kunst- und Kulturförderung und Beratung für Projekte zuhause ist, sondern dass ein erheblicher Anteil der Mitarbeiter in der so genannten Bestandesfunktion der museal-wissenschaftlichen Sammlungen arbeitet, d.h. in Bereichen wie Archäologie, Urgeschichte, Frühgeschichte bis zur Naturkunde tätig sind und die Sammlungen aufbauen und im Hintergrund Arbeiten machen, die den Betrieb von Ausstellungshäusern und Museen erst ermöglichen.

 

Was ist Ihr Lieblingsprojekt?

 

Ein sehr allgemeines Projekt, dass man eher als Grundsatz und weniger als Projekt ansprechen kann. Und zwar ist es mir ein Anliegen, daran mitzuwirken, die Balance zwischen traditioneller und zeitgenössischer Kunst zu wahren und die Rahmenbedingungen für diese Entwicklung abzusichern.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Friedrich Grassegger

Geb. 1964, Studium der Kunstgeschichte, 1988-92 Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorat Steiermark,1992-97 freiberufliche Tätigkeit für das NÖ Landesmuseum, seit 1997 beim Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Kultur und Wissenschaft, zunächst als Sachberbeiter für Förderbereiche (Darstellende Kunst, Medienkunst, Film) und Projektmanagement, ab 2001 Fachbereichsleiter für die Bereiche museale Angelegenheiten (Bestandsfunktion des NÖ Landesmuseums) und Kunst- und Kulturförderung, seit 2005 stellvertretender Leiter der Abt. Kultur und Wissenschaft.