Radek Knapp

RADEK KNAPP
im Gespräch mit Thomas Havlik
erschienen im etcetera/


Nach seinem Philosophiestudium hat Radek Knapp sich unter anderem als Saunaaufgießer und Würstelverkäufer über Wasser gehalten, bevor er 1994 für seinen Erzählungsband „Franio“ den „aspekte“ – Literaturpreis erhielt und quasi über Nacht zum Liebling von Feuilleton und Publikum wurde. Nach einer Lesung in der „Alten Schmiede“ in Wien hat er auf sympathisch spontane Art erklärt, was so genannte junge Literatur für ihn ausmacht und was ihn selbst am meisten interessieren würde, wenn er sich in der Rolle des Interviewers befände.

Welche Rolle spielen ihrer Meinung nach Zeitschriften wie „@cetera“ überhaupt im Literaturbetrieb?

Solche Zeitschriften spielen eine ganz große Rolle im literarischen Leben, vor allem für junge Autoren als Medium erster Publikationen. Außerdem werden solche Zeitungen meist selbst von jungen Leuten gemacht, und ich bin immer noch der Meinung, dass Jugend und Authentizität das selbe sind...

Was macht, sofern es eine solche tatsächlich gibt, sogenannte „junge Literatur“ eigentlich aus?

Es ist fast eine Regel, das der Debütant meistens über seine Kindheit schreibt, ich weiß nicht, warum, aber das passiert sehr oft.... Im Grunde finde ich, dass das eine sehr gute Reihenfolge ist, denn, erstens, man soll über das schreiben, was man kennt, und zweitens: über die Kindheit zu schreiben bedeutet ja nicht nur über liebliche Ereignisse zu schreiben, sondern sich mit den eigenen Wurzeln zu beschäftigen, und jemand der seine Wurzeln nicht kennt oder sich ihrer nicht bewusst wird, dem werden auch sicher keine Zweige wachsen, ja? Was macht also die junge Literatur aus? Ich glaube, die Frage müsste man anders stellen... Wir machen die Literatur aus, und dann sehen wir mal, ob sie jung ist oder anderswie, anderswo...

Unter jung verstehen viele wahrscheinlich auch etwas wie die Lust am experimentieren, das expressionistische, als ob, wie wenn...

Ja gut, aber jedes Alter hat seine Eigenheiten, da kann man nicht sagen, das ist besser oder schlechter, alles ist möglich... Ich würde sagen, Hauptsache, man schreibt, das ist die Hauptsache. Es ist egal, ob gut oder schlecht. Da haben sie mal jemanden gefragt: „Was ist ihre Philosophie?“ Und die Antwort musste wohl lauten: „Meine Philosophie ist das Schreiben.“ Weil wenn ich eine Philosophie hätte, würde ich versuchen das in meinen Büchern irgendwie zu veranschaulichen. Das Schreiben selbst ist die Philosophie, und die beginnt ja sehr früh bei dem, der anfängt. Die beginnt in dem Moment, in dem man schreibt...

Wie stehen sie zu: entweder gelesen werden oder literarische Anerkennung?

Naja, das sind schon zwei unterschiedliche Sachen, weil, wenn du gelesen wirst, deine Bücher, dann merkst du es eigentlich gar nicht... Wenn ich bedenke, das letzte Buch hat sich viel verkauft, so an die vierzig- fünfzigtausend, und ich hab nur mit hundert Leuten gesprochen, dann frag ich mich, wo ist der Rest? Was hat sich der gedacht, oder hat er es überhaupt gelesen? Literarische Anerkennung das ist etwas anderes, das ist Kritik und so, wobei das auch keine literarische Anerkennung ist, das ist nur die Anerkennung von ein paar Leuten, Kritikern, die, was das schlimmste ist, alle Bücher auch noch umsonst bekommen. Von denen kriegt man nicht einmal Tantiemen, schon ne Schweinerei, daran müsste man was ändern, zuerst bekommen sie ein Buch gratis und dann verreißen sie es vielleicht auch noch...

Denken sie, dass sie mehr von einem jungen oder von einem älteren Publikum gelesen werden?

Ich denke eher von jüngeren, und das ist für mich aber ein gutes Zeichen. Allerdings werden die manchmal auch sagen wir mal dazu gezwungen, weil ich hin und wieder auch in Schulklassen lese und da hat der Lehrer ihnen schon zwanzig Bücher gekauft...

Was ist der Unterschied zwischen einem Bestseller und einem Ladenhüter?

Das ist schwer zu sagen. Wenn ein guter Verlag, ein Verlag, der Macht hat, ein Machtverlag, wenn der alle Räder laufen lässt, Beziehungen und so, dann können wir, jetzt ohne einem Eingriff von draußen, im Sinne von wenn Ranicki was sagt oder sonst jemand, nein, alleine nur so, was der Verlag selbst Werbung macht und Anzeigen schaltet und ein paar Rezensionen erzwingt, dann können wir auf zehn- bis zwölftausend kommen, ungefähr, das ist das was dieser Machtverlag wirklich pressen kann, von selber. Ab zwölftausend beginnt das Buch entweder selbst zu leben, mit einem Eigenleben, oder nicht, und ab dann können wir schon von einem guten Buch bzw. von einem Bestseller sprechen. Dann kommt die Mundpropaganda dazu, oder das Buch kommt dann beispielsweise in irgendeine Buchsendung im Fernsehen rein, weshalb du plötzlich viertausend verkaufte Bücher am Tag hast, egal, welches, ob es deines wäre, oder meins, da bekommt es einen Stempel drauf und Zack! Naja, da schauen zwei Millionen Idioten-Leser zu, die keine Ahnung haben, aber ein Buch lesen wollen... Die wirklich wahren und guten Leser sind ja ohnehin eher in der Minderzahl, weil die wollen sich nicht nur unterhalten lassen, die wahren Leser wollen auch noch ein bisschen, naja, existieren... Deshalb sind jetzt so lustige Bücher gut im Trend, unterhaltende.

Iris Radisch hat angekündigt, dass künftig wieder mehr arrivierte Autoren zum Bachmann-Bewerb eingeladen werden...

Die arrivierten Autoren werden nicht kommen. Ich denke, sie haben dort nur noch zu verlieren und nichts mehr zu gewinnen. Und beim Bachmann-Bewerb abzustürzen ist nicht angenehm, das wirkt sich einfach aus, das ist nicht alles gleich wieder vergessen oder so.

Kann man ohne gewisser Medieninszenierung heute als Schriftsteller überhaupt noch überleben, á la: ich lese nackt?

Nein, ich denke das ist nicht notwendig, man kann ruhig angezogen bleiben. Das ist alles Quatsch. Die Wahrheit ist die: Wenn es wirklich ein gutes Buch ist, dann kommt es früher oder später sicher. Man muss sich dafür einsetzen, klar. Das Problem ist, ein Buch zu schreiben und es zu verkaufen sind zwei verschiedene Sachen, es reicht heute nicht ein gutes Buch zu schreiben, man muss es auch verkaufen...

Dazu fällt mir spontan die von ihnen zu Beginn verfochtene Idee des „authentisch-bleibens“ ein...

Das ist ja das Problem, im Moment des Verkaufens geht dir diese ganze Sensibilität verloren. Du wirst zu einem Kaufmann. Und das ist ja noch nicht so schlimm beim ersten Buch, weil das gute hast du ja schon geschrieben, aber beim zweiten Mal siehst du, du hast gerade von diesem Betrieb das verloren, was du beim ersten hattest, also man soll nicht übertreiben. Aber ein gutes Buch wird sich schon von selbst irgendwann durchsetzen und verteidigen.

Welche Frage würde sie selbst am meisten interessieren, wenn sie einen Schriftsteller interviewten?

Ach, als ich selbst mal ein Interview gemacht habe, neben all den Fragen, schreiben sie ein neues Buch, wie schreiben sie und so, hab ich gefragt: Wie viel Bier trinken sie täglich? Als Antwort hab ich bekommen, wenn ich böse mit mir bin, dann zehn, und wenn nicht, dann ungefähr zwei. Das ist doch schon mal eine gute Antwort. Da kann man sich etwas darunter vorstellen.