Walter Weninger: Mission Impossible. Ingrid Reichel
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Walter Weninger
Mission: Impossible
Nach dem Anschlag der palästinensischen Terrorgruppe „Schwarzer September“ auf die israelische Mannschaft während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München war die Welt mit einer neuen Situation konfrontiert: dem Terror. Die fehlgeschlagene Geiselbefreiung am Flughafen Fürstenfeldbruck bei München forderte 11 Geiseln sowie sechs weitere Tote: ein dt. Polizist und fünf Terroristen. In Deutschland war dies der Ausschlag dafür, dass der Bundesgrenzschutz den Auftrag bekam, eine Gruppe, die sich mit Geiselbefreiungen und mit der Bekämpfung des Terrors auseinandersetzt, zu gründen. Das war die legendäre GSG 9 [1], die Oktober 1977 beim Deutschen Herbst [2] die entführte Lufthansa Maschine „Landshut“ in Mogadischu befreit hatte. Auch in Österreich blieb man nicht tatenlos. Denn Begleitkriminaliät verschonte auch Österreich vom Terror nicht: 1977 sollte die Entführung von Walter Richard Palmers durch Gelderpressung zur Finanzierungen der RAF [3] beitragen; 1975 fand ein Anschlag auf die OPEC-Konferenz in Wien statt. 1978 beschloss die österreichische Regierung auch gerüstet zu sein. Es war aber ein allgemeiner Impuls in Europa: Viele Polizei-Organisationen sind beauftragt worden, Spezialeinheiten auszubilden und einzuführen. Wie hat sich die damals noch kleine Spezialeinheit in Bad Vöslau entwickelt? Ingrid Reichel besuchte am 04.05.10 Oberst Walter Weninger im Zentralhauptquartier der COBRA in Wiener Neustadt.
Ich bin mit dem Gedanken aufgewachsen, dass die COBRA weltweit eine besonders populäre Spezialeinheit ist. Man hört lange nicht soviel von den anderen Spezialeinheiten aus Deutschland oder Frankreich. Steckt dahinter eine Werbestrategie oder ist es alleine der Name aus der US-Serie „Mission: Impossible“, auf Deutsch: „Kobra, übernehmen Sie!“?
Der Begriff ist 1980 von einem Krone-Journalisten aufgegriffen worden nach einer Geiselnahme in einer Grazer Zahnarztpraxis. Er hat analog zu dieser Fernsehserie uns als COBRA bezeichnet und als Headliner „COBRA, übernehmen Sie!“ in seinem Artikel verwendet. Natürlich sind wir im Blickpunkt der Medien, betreiben aber aktiv keine Werbung und gehen im Einklang mit der Presseabteilung des Innenministeriums. Wir versuchen einerseits gezielt den Medienvertretern die entsprechenden Informationen zu geben, uns zu positionieren, andererseits aber auch dafür zu sorgen, dass wir nicht zu stark präsent sind. Das könnte ein Eigentor werden. Es gibt 27.000 Polizeibeamte und nicht nur die 400 Leute der COBRA. Und auch diese machen zum Funktionieren der Sicherheitsstruktur in Österreich eine wertvolle Arbeit. Natürlich nicht so exponiert, nicht so medienwirksam. Wir versuchen dies zu steuern. Ich denke es ist eine selektive Wahrnehmung, ich weiß nicht ob sie konkrete Beispiele dafür haben…
Nein. Aber da ich in Frankreich aufgewachsen bin, war es interessant, dass ich sehr wohl die COBRA kannte, nicht aber die GIGN [4]. Man hat auch das Gefühl, dass die Deutschen ganz im Verborgenen arbeiten. Die COBRA und ihr Standort erscheinen dagegen transparent.
Ja, es ist jetzt transparenter geworden. Damals waren natürlich andere Voraussetzungen. Wir sind 1978 als reine Antiterroreinheit als Reaktion der Bundesregierung auf die nationale Entwicklung und auf die konkreten Ereignisse in Europa gegründet worden. Der Umgang mit den Medien war auch sehr zurückhaltend am Anfang. Es ist eigentlich nur bekannt geworden, dass es die COBRA gibt, damals eine Spezialeinheit des Innenministeriums, aus den Reihen der Gendarmerie aufgestellt und rekrutiert. Die Öffnung bei uns gibt es, sag ich einmal, erst Mitte der 90er Jahre. Speziell anfangs 2000, wo wir eine große Strukturreform in Wien im Innenministerium gehabt haben. Auf dem Gebiet der Spezialeinheiten hat es bis 2002 in jedem Bundesland, in jeder Polizeidirektion insgesamt 23 Sondergruppen der Polizei und Gendarmerie gegeben. Minister Strasser hatte damals den Auftrag gegeben, dass dies vereinheitlicht und reformiert wird, als Vorläufer, bzw. als Test für die große Polizeireform 2005. Seit 2002 gibt es die COBRA in der heutigen Form. Die Polizei und Gendarmerie vereint: Das war ein Paradigmenwechsel, der in vielen Köpfen gar nicht hineinwollte. Einhergegangen ist damit auch eine offensivere Medienarbeit für die vielen Polizisten, damit man versteht, was dahinter steckt. Warum gibt es jetzt nicht mehr 23 mit rund tausend Leuten, sondern nur mehr eine mit 400 Leuten und was können die mir bieten? Da waren wir gefordert in der Öffentlichkeit des Innenministeriums, der Polizeikollegen und -kolleginnen, aber auch für die Bevölkerung nachvollziehbar zu machen, was die COBRA ist, wofür sie steht, welche Leistungen sie erbringt.
Wir haben vorhin in der Cafeteria festgestellt, dass, nachdem das Salzburger Paar Wolfgang Ebner und Andrea Kloiber am 22. Februar 2008 während ihres Urlaubs in Tunesien von Mudjahedin nach Mali entführt wurden, die COBRA zum Einsatz kam. Warum schickte man hier nicht das Militär nach Mali?
Die Auslandseinsätze oder –verwendungen, zu denen wir herangezogen werden, gehen in der Regel über das Außenministerium, das Außen- und das Innenministerium, so ist die offizielle Achse. Die Gründe für diese Einsätze sind unsere Auslandserfahrungen, gerade im nordafrikanischen Bereich, uns stehen rund um die Uhr Leute zur Verfügung, auch ist es auf diplomatischem Weg leichter erklärbar als mit dem Militär. Ich denke, das ist ein taktischer Schachzug des Innenministeriums. Wobei wir dort nicht als COBRA - als uniformierte Polizei – auftreten, die in einem fremden Land tätig wird, sondern als Berater. Wir sind Berater für den jeweiligen Verhandlungsführer des Außenamtes, in diesem Fall war es ein Botschafter.
Wer hat dann dieses Paar definitiv befreit?
Es war eine Freilassung, keine Befreiung. Eine Freilassung als Ergebnis monatelanger Verhandlungen mit dem malischen Staatspräsidenten.
Was passiert, wenn die Sache nicht glimpflich ausgeht? Wenn die Entführer also die Geiseln nicht freigeben, wird dann die COBRA aktiv?
Das ist grundsätzlich eine Frage des jeweilig zuständigen Ministeriums. In Österreich würde das das Außen- mit dem Innenministerium ausverhandeln und es bedarf natürlich einer Zustimmung des jeweiligen Landes. Ich darf wieder dieses berühmte Beispiel aus dem 77er Jahr zitieren, wo die deutsche Lufthansa-Maschine entführt worden ist, dann in Somalia in Mogadischu gelandet ist, und der damalige dt. Kanzleramtsminister Wischnewski dem somalischen Staatspräsidenten angeboten hat, dass eine Befreiung durch deutsche Grenzschutzgruppe 9 stattfinden wird. Wenn dieser gesagt hätte: Nein, da stimme ich nicht zu, ihr schreitet in ein fremdes Hoheitsgebiet ein, dann hätten sie unverrichteter Dinge abziehen müssen. Vom Prozedere her war es gleich. Aber ich kann sagen, es war nie angedacht, in diesem weitläufigen Gebiet, im Norden Malis, wo diese beiden Personen festgehalten wurden, dass wir da intervenieren, im Sinne eines polizeilichen Zugriffs.
Nun gibt es acht COBRA-Standorte in Österreich?
Wir haben acht Stationen in acht Bundesländern bis auf das Burgenland, das geographisch durch Wien, Wiener Neustadt und Graz sehr gut zu betreuen ist.
Ich habe gelesen, dass es maximal nach 70 Minuten zum Einsatz kommt?
Es war damals die Vorgabe von Innenminister Strasser, eine Struktur zu errichten, innerhalb von 70 Minuten in jedem noch so entlegenen Gebiet Österreichs in einer entsprechenden Formation, die auch operativ tätig werden kann, zu gelangen.
[weiter...]
Dann ist die COBRA praktisch flächendeckend in Österreich einsatzbereit?
Das kann man so sagen. Wir sind es von den formellen Voraussetzungen. Wir sind eine Einheit des Innenministeriums im Unterschied zu den Landespolizeikommandos. Die COBRA ist grundsätzlich für das gesamte Bundesgebiet tätig. Das hat den Vorteil, dass wir intern im Bedarfsfall kurzfristig Kräfte über Behördengrenzen im Bezirk, im Bereich der Polizeidirektionen, über Bundesländer hinaus verschieben können. Ein Einsatz kann somit rasch und unbürokratisch auf direktem Weg stattfinden.
Wenn es die normale Polizei wäre, ginge eine Verfolgung von Wien nach Oberösterreich nicht so einfach?
Es gibt den Begriff der Nacheile, wo im Fall einer akuten Gefahr hin das Eindringen in einem anderen Behördenbereich möglich ist. Sonst bedarf es eines gewissen Formalismus, der Beamte dazu berechtigt in einem anderen Behördenbereich tätig zu werden.
Interessant. Wenn ich also aus Wien schnell nach Niederösterreich fahre, kann mir die Polizei nicht nachfahren?
(Schmunzelt) Die Zuständigkeit der Verkehrspolizei ist wiederum anders geregelt. Die sind für den Autobahnabschnitt zuständig. Aber das geht zu sehr ins Detail. Ein interessantes Beispiel aus dem Vorjahr: Im März wurde in Vorarlberg in Feldkirch eine Bank überfallen. Der Täter hatte eine der Bankangestellten als Geisel genommen. Er ist in dem Auto dieser Angestellten geflüchtet, sie hat das Fahrzeug lenken müssen. Sie sind von Vorarlberg nach Tirol über deutsches Bundesgebiet nach Oberösterreich gefahren. Jetzt muss jedes Bundesland im eigenen Bereich tätig werden. Wir (die COBRA) haben den Vorteil der bundesweiten Zuständigkeit und können in diesem Fall von Wien nach Oberösterreich durchfahren. Wir haben den Täter auf Grund einer Fahndung aufgreifen können.
Das heißt, wir brauchen für solche Fälle schon die COBRA?
Geiselnahme gehört zum klassischen Aufgabenbereich der COBRA.
Kehren wir zurück zum Terror. Zur flächendeckenden Terrorbekämpfung in Österreich. So viel Terror haben wir in Österreich, Gott sei Dank, nicht …
Genau.
Wird die COBRA jetzt nicht zu einer entspezialisierten Truppe?
Ich habe es vorhin erwähnt. Wir sind als Antiterroreinheit 1978 errichtet worden. Es hat bereits auch als Ausfluss der internationalen Anschläge, speziell der Anschläge auf die Synagoge in Wien 1981, der Ermordung des Wiener Stadtrats Nittel, die Staatspolizei damals erkannt, dass die Terrorbekämpfung oder die Terrorprävention mehr erfassen muss. Das war der Grund, warum wir 1981 nach Vorbild der Schweizer Polizei einen Kooperationsvertrag, nämlich wir und das Innenministerium, mit der Austrian Airlines abgeschlossen haben. Seit damals sind Sicherheitsbeauftragte der COBRA an Board der AUA-Maschinen in bestimmte Destinationen.
Das sind die Tiger?
Ja, Air-Marshalls, wie sie mittlerweile international bezeichnet werden. Seit 1981 haben wir also ein weiteres Aufgabengebiet: Die sicherheitspolizeilichen Sondereinsätze. Und ich kann auch gleich das dritte Aufgabengebiet sagen, das wir abzudecken haben: Es ist der operative Personenschutz in Österreich.
Was ist das?
Das bedeutet, dass wir das umsetzen, was das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung auf Grund einer Gefährdungsanalyse und Gefahreneinschätzung vorgibt und sagt: Bei uns braucht Personenschutz der Bundespräsident und der Bundeskanzler. Bei uns bekommt jeder Staatsgast Personenschutz nach Gefahreinschätzung, wie z.B. Regierungschef Putin, als er bei der Judoeuropameisterschaft in Wien war, oder bei der OPEC-Konferenz die 14 Erdölminister, die quartalsmäßig in Wien tagen. Die Umsetzung bzw. taktische Durchführung des Personenschutzes macht das Einsatzkommando COBRA.
Und, wie ist es bei einer UNO-Konferenz?
Grundsätzlich hat die UNO einen eigenen Sicherheitsdienst. UNO ist exterritorial. Sollte UN-Generalsekretär Bank Ki Mon nach Österreich kommen, in der Funktion eines offiziellen Besuchers, dann ist natürlich die Republik verpflichtet, nach dem Sicherheitspolizeigesetz Gefährdungsanalyse zu machen, und dann kriegt er sicher von uns Personenschutz, wie es bereits in der Vergangenheit der Fall war.
Das heißt, ich stelle mir vor, Gefährdungsanalyse ist eine statistische Auswertung?
Nein, man schaut sich an, welche Funktion diese Person hat.
Das heißt, ein Beamter sitzt hinter seinem Computer und…?
Seit 2005 heißt die ehemalige Staatspolizei BVT [5], die machen die Analyse auf Grund der Funktion der Person, bei Staatsoberhäuptern grundsätzlich, auf Grund der politischen Situation im Heimatland, auf Grund möglicher aktueller Hinweise des dortigen Nachrichtendienstes oder möglicher, eingelangter Drohungen.
So ist es eine Verbesserung der Situation, da die COBRA vielseitig einsetzbar ist?
Genau. Zur Abrundung der Strukturänderung 2002 hat man eine Einheit österreichweit mit einheitlichen Zugangs- und Ausbildungskriterien und Ausrüstung. Auf jedem Stützpunkt gibt es eine Einheit, die in Rufbereitschaft ist, die rund um die Uhr von der Polizeistruktur angefordert werden kann.
Wieweit ist die COBRA bei Sicherheitsentwicklungen involviert? Gibt es eine Forschungsabteilung … z.B. Nacktscanner, wer entwickelt das und verarbeitet die Erfahrungswerte?
Wir sind in erster Linie eine operative Einheit. Wenn wir Erkenntnisse haben, die hilfreich zu Lösungen führen würden, dann würden wir das weiterleiten. Wir haben allerdings eine Analysestelle hier in der COBRA in der Zentrale. Es wird jeder Einsatz und zwar in allen Bereichen, nicht nur sicherheitspolizeiliche Anforderungen in den Regionen, sondern auch jede Flugbegleit-, jeder Personenschutzdienst in Form eines kurzen Protokolls festgehalten, einerseits statistisch, andererseits zur Auswertung, wenn es irgendwelche Zwischenfälle gegeben hat. Wir schauen uns diese Einsätze an, analysieren sie und die Ergebnisse bringen wir in die Ausbildung ein.
Für den Air-Marshall gibt es einen eigenen Kurs. Wo findet der statt?
Die werden seit 1981 bei uns ausgebildet. Seit den Anschlägen in den USA 2001 hat dieses Thema eine völlig neue Dimension bekommen. Seit damals bilden wir intensiv für das Ausland aus. Gerade jetzt haben wir eine slowenische Einheit da, die möchten eine Air-Marshall-Einheit gründen. Wir waren letzte Woche mit vier Instruktoren in Laibach. Nachdem das Formelle über die jeweiligen Ministerien geregelt worden ist, haben wir dort eine Basisausbildung abgehalten. Nun sind 20 Kollegen der slowenischen Spezialeinheit hier und nützen unsere Infrastruktur, um ab nächstes Jahr eine eigene Flugeinheit errichten zu können.
Wer kommt finanziell für die Flugbegleitung auf?
Die Mannstunden bezahlt das Innenministerium, die Manpower stellen wir, die Fluglinie stellt die Sitzplätze / Tickets zur Verfügung und ermöglicht uns ein kostenloses Training am Board der Flugzeuge, gemeinsam mit dem Kabinenpersonal und den Piloten.
Wie steht es um die Anonymität der Air-Marshalls?
Sie sind in Zivil an Board und sind nicht auf den ersten Blick als Polizisten erkennbar.
Vom Standpunkt eines potentiellen Terroristen gesehen, müssen die nicht oft gewechselt werden, denn sobald einer erkannt wird, ist er doch nutzlos?
Der Pilot und die Crew kennen sie natürlich. Bei der Flug- und Passagierfrequenz ist uns noch nicht aufgefallen, dass jemand enttarnt worden wäre. Fallweise gibt es sicherlich eine Begegnung, dass man sich wieder sieht, aber das wird nicht bewusst wahrgenommen. Es gibt auch bestimmte Sitzplätze, die von unseren Leuten an strategischen Positionen eingenommen werden.
Sind bei jedem Flug Air-Marshalls präsent?
Nicht bei jedem AUA-Flug. Die Flüge werden ausgewählt erstens nach Vorgaben des BVT, zweitens in Absprache des Sicherheitsverantwortlichen der Fluglinie und drittens durch unseren Beauftragten, die erstellen halbjährlich im Voraus einen Flugplan. Das betrifft Flüge in erster Linie in den Nahen und Mittleren Osten, in die USA und Übersee.
Das klingt sehr beruhigend. Was kann aber wirklich so ein einzelner Mensch verhindern?
Das Ziel ist den ungehinderten Flugbetrieb sicherzustellen. Das heißt den Piloten, den Co-Piloten und das Cockpit zu sichern. Dazu hat er entsprechende Möglichkeiten, die variieren. Natürlich ist er bewaffnet und für gewisse Szenarien, die bereits stattgefunden haben, trainiert.
Zum Thema COBRA-Ausbildung: Seit 2005 gibt es ein verschärftes Auswahlverfahren?
Das ist interessant, wie Sie auf das kommen. Nein, das gibt es nicht. Das Einzige was wir gemacht haben, ist, dass wir die Auswahlkriterien auch im Internet verlautbart haben, damit sich jeder im Vorfeld informieren kann, mit welchen Bedingungen er zu uns kommt, wie er sich vorbereiten kann. Aber verschärft ist es nicht worden. Es wurde auf Grund unserer Erfahrungen im Bereich Sport zielgerichtet auf den Dienst etwas modifiziert. Es gibt nach wie vor den Hindernis-Parcours.
Ziel des Auswahlverfahrens, um es zu erklären, ist die körperliche Fitness zu testen, natürlich auch den medizinischen Check zu machen - dass die Gesundheit einwandfrei ist - und vor allem einen psychologischen Test, da wird ein Persönlichkeitsprofil erstellt, zum Abschluss wird ein Hearing gemacht. Um speziell auf die körperlichen Punkte hinzuweisen: Die Leute müssen deshalb so fit sein, wenn sie zu uns kommen, damit wir auf dieser Grundkondition aufbauend unser spezielles Training draufsetzen können. Wir haben nicht die Zeit und die Ressourcen diese Fitness anzutrainieren.
Wächst die COBRA zahlenmäßig oder gehen viele weg?
Nein, wir haben eine Fluktuation, die sich in den letzten zehn Jahren die Waage hält. Wir sind bei fünf Prozent im Jahr, nur waren wir vor zehn Jahren, vor der Strukturreform 180 Leute, da war die Fluktuation geringer als jetzt mit 440 Leuten. Aber der Prozentsatz ist gleich geblieben.
Was sind die Gründe des Austritts?
Hierzu muss ich etwas die Hintergründe beleuchten. Wir haben von den 440 Leuten, die wir derzeit haben, 120 fix versetzte im Kommando aufgeteilt auf die acht Standorte, das sind Führungsfunktionäre, Instruktoren, Ausbildner, Sportlehrer. Der Rest von 320 ist dienstzugeteilt. Das sind auch jene Leute, die rein operativ tätig sind. Die Aufgabe ist sehr fordernd, das kann man nicht ein Leben lang machen, daher sollten die Leute die Möglichkeit haben, wenn sie sich entschließen, den Dienst hier zu beenden, wieder zurückzugehen auf ihre Stammdienststelle im Bundesgebiet. Die Gründe für die Rückkehr dieser Dienstzugeteilten sind unterschiedlich. Es kann sein, dass jemand sich dienstlich weiterentwickeln möchte, dass eine andere Funktion angestrebt, ein Fortbildungskurs in Erwägung gezogen wird, der diese Person in der Polizeihierarchie weiterbringt. Es kann natürlich auch sein, dass berechtigte Privatinteressen dafür ausschlaggebend sind. In der Regel ist es Familiengründung. Letzter Punkt zur Abrundung: Selten, aber doch passiert es, dass sich die Leute verletzen und dann nicht mehr in der Lage sind, den Dienst zu verrichten. Wir bieten ihnen dann natürlich die Möglichkeit der Rekonvaleszenz. Wenn er den Wiedereinstieg schafft und auch will, hat er die Möglichkeit hier zu bleiben. Wir schmeißen keinen raus, nur weil er sich verletzt hat. Wenn es, was Gott sei Dank sehr selten vorkommt, nicht mehr möglich ist, dann kann er in das sichere Netz der Polizeistruktur zurückkehren.
Wie lange bleibt ein Dienstzugeteilter im Durchschnitt im operativen Dienst in der COBRA?
Im Gegensatz zu früher, wo es eine COBRA in Wiener Neustadt gegeben hat, die für ganz Österreich zuständig war, haben wir jetzt durch diese Regionalstruktur in den Bundesländern natürlich eine längere Verbleibsdauer. Wir sind derzeit bei einem Schnitt von rund sechs Jahren. Worüber wir sehr froh sind, weil wir doch sehr viel in Ausbildung investieren und dadurch einen return on invest haben und die Leute, selbst wenn sie zurück zu ihrer Polizeidienststelle gehen, das Know-how nicht verlieren. In der Regel können sie als Einsatztrainer verwendet werden. Viele gehen zu anderen Spezialgruppen, zur Kriminalpolizei. Das ist die Erfahrung der letzten acht Jahre, seit es die COBRA in der Form gibt.
Zurückgehend zur Bewerbung, wie steht es um die Frauen im Polizeidienst, speziell was die COBRA betrifft?
Bundesweit im Polizeidienst haben wir 12 Prozent Frauen. Ich denke, das ist relativ bescheiden. Die Polizei hat etwas früher als die Gendarmerie begonnen Frauen aufzunehmen, in erster Linie für den Kriminaldienst, also in ziviler Dienstverrichtung für spezielle Aufgaben, außerdem als Politessen für die Parkraumbewirtschaftung, das heißt die Überwachung des ruhenden Verkehrs. In der Gendarmerie begann dies erst in den 80er Jahren, und erst Anfang der 90er Jahre hat man vom Innenministerium aus angefangen, auch uniformierte Frauen aufzunehmen.
Ich finde das natürlich sehr spät …
Wissen Sie, wie es beim Militär aussieht?
Das Militär hat überhaupt erst nach 2000 begonnen Frauen aufzunehmen. Wobei ich glaube der Prozentsatz ist dort überhaupt erst bei einem Prozent. Sie versuchen sehr aktiv Frauen aufzunehmen, auch um – das ist jetzt ein bisserl eine gefährliche Aussage – ihre derzeitige Identitätskrise zu überdenken [6]. Das Jagdkommando - das weiß ich deshalb, weil es in Wiener Neustadt ist und weil wir im Ausbildungsbereich kooperieren – hat eine Bewerberin seit 1955 gehabt und die hat die Ausbildung leider nicht beendet. Wir hatten bei der COBRA bisher 17 Bewerberinnen, es bestanden drei Frauen, eine ist tatsächlich gekommen und hat die Ausbildungseinheit absolviert und ist noch immer bei uns. Was für mich eine wahnsinnig bemerkenswerte Leistung ist, sie hat zwischenzeitlich ein Kind gekriegt, ist – ich glaube - ein halbes Jahr nach der Geburt zu uns zurückgekommen, wollte das so. Sie hat innerhalb eines weiteren Jahres sämtliche Körper- und Leistungstests absolviert und ist eine sehr ruhige, ausgeglichene Person. Sie ist eine Aufwertung für uns und ich bin sehr froh, dass sie da ist. Ich wünsche mir tatsächlich, dass mehr Frauen kämen. Es wäre für sie, glaube ich, auch leichter. Wir bewerben über die Initiative der Innenministerin einen Girlsday. Girlsday klingt jetzt fast ein bisschen abwertend. Wir bewerben innerhalb der Polizei und haben am 28. Juni einen Tag, den wir speziell den Kolleginnen widmen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, hinter die Kulissen zu blicken und ihnen die COBRA schmackhaft zu machen. [A]
Ein COBRA-Beamter wird, nehme ich an, mehr verdienen als ein normaler Polizeibeamter?
Ein Gutteil der Kollegen und Kolleginnen nimmt an, dass wir mehr verdienen. Wir sind aber im gleichen Gehaltsschema der Exekutivbeamten, das ist einsehbar und steht im Gehaltsgesetz.
Aber Zulagen wird es doch geben?
Zulagen? Nein, gibt es eben nicht. Wenn bei uns jemand mehr verdient, dann ergibt sich das aus einer höheren Stundenbelastung, die sich je nach Auftrag verändert. Das ist aber relativ, denn die Überstundenbelastung ist im Durchschnitt gering. Wien hat einen weit höheren durchschnittlichen Überstundenwert als wir bei der COBRA. Demnach müssten die Wiener mehr verdienen. Es gibt also keine Zulage, keine Extraabgeltung. Der Reiz und die Motivation herzukommen, ist, wie wir es immer wieder feststellen, dass es eine sehr interessante und umfassende Ausbildung gibt, einen abwechslungsreichen Dienst, neue Herausforderungen, ein sehr hohes Maß an Verantwortung. Das Geld ist es definitiv nicht.
Wie steht es um die Anonymität der operativen Beamten? Wie sieht so ein Privatleben aus?
Sein privates Umfeld bekommt es natürlich mit. Was Medienarbeit betrifft, sind wir natürlich darauf bedacht, dass Führungskräfte und Medienverantwortliche Interviews geben, um unsere Leute im Anonymen agieren zu lassen. Das ist ihnen auch recht.
Ist es nicht eine zusätzliche Belastung fürs Leben?
Als Belastung würde ich es nicht sehen. Sollte es so sein, so haben wir Mechanismen, die dagegen wirken, in Form von Supervision und Betreuung.
Zum Ruf der COBRA, empfinden Sie sie als Elite?
Was ist Elite? Das ist ein Begriff, den ich sehr gerne mit den Kollegen diskutiere. Elite ist für mich Haltung und Einstellung. Elite, Auslese manifestiert sich für mich in der Praxis dadurch, dass sie eine entsprechende Haltung und Wertschätzung den Kollegen gegenüber hat. Wir sind weder besser noch schlechter. Wir sind Polizisten im Prinzip. Die Besonderheit würde ich dadurch bezeichnen, dass wir uns als Teil der Polizei sehen mit dezentem, smartem - im Sinne von klugem – Auftreten. Wir sind bestrebt Lösungen mit guten Ideen, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu finden und nicht problembehaftet, sondern berechenbar zu sein. Wir wollen nicht irgendwo reinstürmen und verbrannte Erde hinterlassen.
Bei der Summe dieser Komponenten, da würde ich den Begriff Elite zulassen. Ich muss aber sagen, dass ich mit dem Begriff der Elite isoliert ein Problem habe. Wir wissen: Elite kann ganz schnell in ein negatives Eck abdriften.
Zum COBRA-Areal: In der Nähe befindet sich ein Flugplatz, wo auch Fallschirmspringerkurse angeboten werden. Wie oft passiert ein Eindringen in das Sicherheitsareal der COBRA?
Naja, alle zwei Jahre weht der Wind so einen Fallschirmspringer rein.
Ich nehme an, er wird nicht lange alleine sein?
Ja. Wir haben eine Überwachung. Vorne gibt es einen Tower vom Bundesheer, der natürlich diesen grundsätzlich militärischen Block überwacht. Es ist ein militärischer Flugplatz, der von einem Privatverein genützt werden darf.
Einem Freund von mir ist das passiert. Er erzählte, sehr schnell umzingelt gewesen zu sein.
(lacht) Das kann man auch von einer anderen Seite sehen. Wir sind natürlich bestrebt, wenn jemand einen Unfall hat, rasch Hilfe zu leisten. Die Gefahr ist, dass, wenn ein Fallschirmspringer im Wald landet, er sich ja verletzen kann.
Prinzipiell gibt es keinen Grund bei uns einzudringen. Die Sicherheitsmaßnahmen sind nur dazu da, damit keiner von uns entwischt.
Ich danke für das nette Gespräch.
[A]: Anmerkung von Oberst Weninger, E-Mail vom 30.12.2010:
„Zur Rekrutierung junger Kollegen kann ich Ihnen mitteilen, dass wir mit Februar 2011 wieder 20 Herren zur Ausbildung für unseren Dienst bekommen werden. Obwohl das Interesse von Kolleginnen vorhanden ist, haben es wieder keine Frauen geschafft, sich für die Aufnahme zu qualifizieren. Wir sind aber guter Dinge und werden auch im kommenden Jahr wieder einen Frauentag veranstalten, um unser Kommando zu präsentieren, um endlich mehr Frauen anzusprechen bzw. den Dienst bei uns für Frauen attraktiver zu machen.“
[1] GSG 9: Grenzschutzgruppe 9
[2] Deutschen Herbst: Sämtliche Terroranschläge der RAF im September/Oktober 1977 in der BRD (Entführung des dt. Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer; Entführung des Flugzeugs Landshut durch palästinensische Terroristen, die damit die Freilassung der RAF-Gründer erzwingen wollten.)
[3] RAF: Rote Armee Fraktion, linksextremistische dt. Terrorgruppe (1970-1998), auch unter Baader-Meinhof-Bande bekannt.
[4] GIGN: Groupe d’Intervention de la Gendarmerie Nationale
Atlas-Verbund: Die Atlas-Gruppe vereint die 32 europäischen Polizei-Spezialeinheiten aller 27 EU-Mitgliedstaaten. Die informelle Kooperationsstruktur wurde 2002 gegründet, ihre Wurzeln gehen aber auf das Jahr 1996 zurück. Ihr Ziel ist die Verbesserung der Kooperation von Polizei-Spezialkräften innerhalb Europas.
[5] BVT: Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
[6] Anmerkung Ingrid Reichel: Mittlerweile denkt man auch schon offiziell über ein Berufsheer nach.
Walter Weninger
Geb. 1964 in Bruck/Mur. Neusprachliches Gymnasium abgeschlossen mit Matura. Ausbildung zum Reserveoffizier beim österr. Bundesheer. 1986 Eintritt in die österr. Bundesgendarmerie in Graz. 1987/91 Gendarmerieposten Bruck/Mur, Verwendung im Kriminaldienst. 1992/93 Sicherheitsakademie des Innenministeriums (Offiziersausbildung). 1994/95 Leiter des Referats Haftungs-, Disziplinar- und Beschwerdeangelegenheiten im Innenministerium. Juli - Dezember 1995 Basisausbildung beim Gendarmerieeinsatzkommando COBRA. 1998 Personal- und Ausbildungsverantwortlicher COBRA. 2004 Stellvertreter des Kommandanten Einsatzkommando COBRA. 2005 bis 2009 Leitung des EKO COBRA aufgrund der Abwesenheit des Kommandanten. 2009/2010 Studium an der FH Wr. Neustadt – Polizeiliche Führung.
Projektbezogene Tätigkeiten: Projektassistent im Projekt Sondereinheitenreform des BMI; Projektverantwortlicher für den Bereich Sondereinheiten im team04; Trainer für Teamentwicklung und Gruppendynamik der Sicherheitsakademie des BMI; Auslandseinsätze in Algerien; Berater für Gruppendynamik und Teamentwicklung in der Privatwirtschaft.
etcetera Nr. 43/ Feindbilder. Zwischen Barrikaden und Blockaden./ März 2011