59/Gier/Lyrik: Jan-Eike Hornauer

Jan-Eike Hornauer

Ellbogenschorfgericht
für J., L., F., L. und all die anderen Betroffenen

Die Liebe ist in Dich gefahren.
Jetzt stehst Du stetig neben Dir
– und willst zudem das noch bewahren.
Die Liebe weckt in Dir die Gier.
Die Gier nach mehr von diesem Glück,
an jedem Tag, zu jeder Stunde.
Nur dies hält Dich ein Stück zurück:
pro Ellenbogen eine Wunde.
Doch Liebe ohne Doggystyle
– für ihn, da machst Du sogar das!
Denn wahre Liebe ist echt geil,
mit ihr hat jede Stellung was.
Und selbst das Streicheln, Kuscheln, Reden,
so insgesamt Intimität:
Was Du sonst hasst, ist nun Dein Eden,
Du willst es jetzt, so oft’s nur geht.
Hach, Süße, Du bist echt verschossen!
Der Schorf hat hier ’nen tief’ren Sinn.
Und diese Zeit gehört genossen.
Denn ewig ist sie niemals drin.
Drum bau’ mit ihm nur Deine Welt;
die andre siehst Du eh bald wieder.
Auf dass, gleich wie die Münze fällt,
Dir mehr bleibt als bloß neues Mieder.

Der Markt

„Die Gier ist eine große Kraft,
die Böses will und Gutes schafft.”
Das ruft, ganz neoliberal,
der Marktmensch laut mit Restmoral.
Er ist sich sicher: »Will man Gutes,
vertraue man dem Markt, er tut es.
Als Gottinstanz, der Menschen Meister,
da wirkt er groß!«
Doch Scheibenkleister:
Dem Markt, dem gleißend-gold’nen Kalb,
geht’s nur um Gier und Mehr, weshalb
Moral ihn niemals int’ressiert
und er auch nicht zum Guten führt.
(Denn dieses findet sich nicht blind,
das weiß doch schon ein jedes Kind.
Jedoch, wer BWL studiert,
wird schnell vom Glauben infiziert.)
Wer ihn nicht stets im Auge hat,
ihn eindämmt, der setzt sich schachmatt.
Dann ist’s System der Endzweck hier,
genährt durch ewig größ’re Gier.
Bedauern muss man drum den steten
Globalzuwachs der Marktpropheten.
Der Mensch treibt sich in den Bankrott
– und strahlt, denn er hat einen Gott.

Jan-Eike Hornauer
Geb. 1979 in Lübeck, freier Lektor, Texter, Autor, und Herausgeber. Studium der Germanistik und Soziologie in Würzburg. Wohnt in
München. Erster eigener Band: „Schallende Verse” Herausgabe von Prosa-Anthologien, zuletzt „Grotesk!” und Lyrik-Sammlungen, hier
zuletzt „Der schmunzelnde Poet”.