82 / Zwischenzeit / Lyrik / Kerstin Fischer: Die Chance / Weißer Tod / Mahagonilicht / Patiencen / Tänzer in Rot /

Das Flackern in den Linien
des Sommers. Der Tod glüht.
Er ist der Nagel im duftenden Heu,
das rote Warten der Schwertlilie.

 

Die Chance
Ich sitze an der Tafel des Todes zwischen den großen Städten.
Mein Leben ist aufgetischt. Mit weichen Löffeln berühre ich seine Träume,
das Parfüm der Jahre. Der Geruch nach Nüssen. Reif vor Freude
in warmen Tränen. Ich koste von den samtweichen Körnern der Anfänge.
Ihre Zuversicht schmeckt nach Unruhe. In den Sonnenschüsseln falsche Fährten. Die Wunderblumen in den Muscheln ertrinken in ihren Wassergläsern.
Das Licht liegt auf dunklen Tellern im Schatten der Apfelbäume.
Ich lese die Früchte aus den Gärten des trauernden Violetts der Tischtücher
und teile sie in die Hälften Furcht und Liebe.
Die blassen Brote hadern. Sie sind im Unrecht
wie die Enttäuschungen der glänzenden Fische mit ihren Fragen aus Mehl.
Die Chance liegt im Vergehen,
sagt der Tod.

Um leeren, weißen Raum abgeerntete Zeit.
Ich schnitze Träume
außerhalb der Messe
das blaue Blut der Hyazinthen
in meinem Sommermohn
die Zukunft verborgen wie Dotter in einem Ei
Ich rolle sie über zerrissene Seidentücher
auf unbenutzten Wegen blank
In leerem wei?en Raum picke ich am Morgen
darin verborgen
auch ich

 

Weißer Tod
Die Zungen des Herbstes lecken die gläsernen Tropfen der Stille. Im Garten gefallenes Obst,
von den Psalmen der Sonne rot gerieben.
Die Erde notiert sie in würzige Gerüche.
Süße Fäulnis.
Am Radar der Raben Berichte vom Übergang. Ich bin ein Zweig und blühe durch weißen Süden bis in meinen Winter.
Mein Tod wird weiß sein.

 

Mahagonilicht
Auf den Salzstraßen lederner Meere bau ich mein Haus
klein und rund
in den Bewegungen sommerwärts letzter Schnee auf der Terrasse
und ihren Träumen ausTerracotta
in anderen glücklichen Umständen
Ich lausche der Oleanderblüte
die die Gedichte aus den Wintersteinen befreit Zur Heimkehr der Kraniche
suchen die Raben vergeblich nach Eissamen
Am Fuß der Nächte verglühende Trolle
Ich trenne die schwangeren Ziffern aus den Blättern Sie gebären weiße Zeiten in Mahagonilicht

Der Seewind über meiner gebrechlichen Nachthaut färbt mein Papier zu deiner Sekunde.
Ich treibe in ihr Silber
jahrmillionenlang.

 

Patiencen
Die dunklen Fäden des Feldes lösen sich aus dem Stoff unter meinen Morgenschritten
das Schweigen des Nachtstaubs
Es tropft in die Stille der Sonne
Am Hang der Absicht erfundener Flieder
aus einem fremdgewordenen Frühling
Ich bin scheu geworden vor dem Blut der Schatten
verbleibe im Atem deiner Linie
und pflücke die Treue aus dem Garten
indigo und hellwach
zwischen weichen wissenden Gräsern
in den Patiencen der Schönheit

Ich bin zur Raupe geworden im Nachtsand Ich rieche das Licht
im stillen Seewind
Schmetterlinge
Brüder Schwestern Ich werde Phantasie

 

Tänzer in Rot
Die Vögel der rostroten Jahre fliegen
über mein Lichtspiele.
Der Tod ist darin ein Tänzer. Er tanzt mit dem Leben.
Tango, damit wir es ertragen zu gehen,
irgendwann. Ich forme meinen Moment.
Nicht mehr und nicht weniger kann ich tun,
um im Lieben zu bleiben.
Wer liebt, lebt.
Wer lebt, stirbt.
Wer stirbt, lebt über die rostroten Jahre hinaus
in das Weiss
zeitlos
nah
jenseitige Vögel.
Sie träumen in Blau.

 

Kerstin Fischer
Studium der Germanistik und Geschichte an der Universität in Bremen, Zeitungsvolontariat und mehrjährige Tätigkeit als freie Publizistin für Feuilletons verschiedener Tageszeitungen. Danach Schriftstellerin, Lyrikerin, Malerin, Bloggerin. Mehrere Buchveröffentlichungen in den Genres: Erzählung, Novelle, Roman und Lyrik. Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller. 2013 Aufenthaltsstipendium Sparte Literatur in der Salzburger Berchtoldvilla. lyrikatelierfischerhaus.com