Heil-Froh / Etcetera 88 / Lyrik / Wolf Hahnrei Käfer: Mehr Schönes als Gift/Ein Missverständnis

Mehr Schönes als Gift
Ein Missverständnis

Mehr Schönes als Gift
soll es geben, mehr Schönes
im Leben soll sich,
     statt dass wir es so preisen,
     als schweres Gift erweisen.

Mona Lisa muss
man gesehen haben! Das
macht die Reiselust
     unbezwingbar, riesengroß
     wie den CO– Ausstoß.

Bugatti oder
doch Maserati? Beide
machen high, turnen
     aber nicht wegen Ethik,
     dafür mehr mit Ästehtik.

Volksmusik wird gern
vernommen, ist sie zu Suff
und Kitsch verkommen.
     Als Rauschgift wird ersehnbar,
     was ursprünglich schon schön war.

Vom Besteck bis zum
Gedeck Schönheit, und darauf
reine Verführung,
     mit der wir uns vergiften:
     Man spürt es an den Hüften.

Schönheit wirkt nur auf
die Satten. Bedürftige
sehen blöderweis
     die Schönheit nur als Köder
     und fühlen sich wie Ratten.

Macht ist fesch. Wie man
den bewundert, der alle
Vorschriften sowie
     Regeln elegant umschifft.
     Schön, aber politisch Gift.

Paracelsus sagt,
zum Gift macht nur die Dosis.
Die Religion
     der guten Schönheitsfrommen
     ist da nicht ausgenommen.

Geschwister, Eltern,
da war nicht alles fein. Doch
Nestbeschmutzer sein?
     Die Schönheitsstampiglien
     vergiften Familien.

Toxische Prägung
durch ‘glückliche Kindheit’. Die
Elternweglegung
     kann nicht wirklich versöhnen.
     Da hilft doch nur: Entschönen.

Mit spitzem Stift schreibt
man im Englischen gift, weil
man weiß, dass, sobald
     Schönheit und Wert gesichtet,
     es zur Revanche verpflichtet.

‘Nehmt mehr vom Schönen’
heißt das Motto. Mein alter
Verdacht, was das macht.
     Es sucht uns anzustiften,
     mit Schönklang euch zu giften.

 

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Hahnrei Wolf Käfer
Geb. 1948. Literarischer Beginn über die Präpositionsschwäche von Peter Rosei und dergleichen, später sprachfreundliche und autorenskeptische Essays über Haslinger, Gail, Menasse, Streeruwitz etc. im morgen. Im Buchhandel u.a. erhältlich: kultur nach gärtnerinnenart (Lyrikzyklus), täuschungen (Lyrikzyklus über das programmatische Pseudonym „Hahnrei”), ICH GING (Roman).