Stein / Etcetera 89 / Prosa / Christa Elisabeth Neumayer: Kardiopetrose

Glücklichsein, es scheint so leicht. Glück fiele mir zu, fände ich bloß den passenden Stein. Nicht zu groß darf er sein, sonst gerät er mir zum Mühlstein. Zieht mich tief hinein in’s Grab, obenauf wiederum ein Stein. Ein leichtes, schwebendes Steinchen wäre fein.
Hartes Herz – das steinerne Meer in mir – tritt zu Tage in versteinerter Miene, lässt mich steinalt zurück.
Ein Herz aus Stein, was soll das sein?
Der Stein formt (nicht nur) Natur – geschliffen oder rau, glitzernd oder stumpf, rund oder eckig, bunt oder grau, schillernd oder fad; herzlich vielfältig.
Von Wasser weich gewaschen oder durch Füße fest getreten wehrt er sich nicht; steinhart gepresst liegt er felsenfest.
Spürt das bewegte Leben. Speichert Hitze, überzieht sich mit Nässe, fängt Wasserperlen in Ritzen, lacht in sich hinein.
Ein Herz aus Stein, es will sein.
Mein Herz pocht steinern, festgezurrt, um nicht zerstört zu werden. Der Stein ein Mineral, das Herz ein Muskel. So hart erstarrt zu (Nat)Urgestein. Gelingt der Wandel vom Herz zum Kiesel, Felsen, Brocken, Geröll, Schutt, Mauer, zum Turm? Verpuppt der Muskel herzlich zum Edelgestein?
Mein edler Stein. Mein Herz mutiert wertfrei zum einzigartigen Glitzerstein. Verkaufte ich ihn, fühlte ich mich reich und glücklich. Behielte ich ihn, säße ein hartes Stück Muskel in meiner Brust. Bliebe dort lebenslang. Drückte auf Gehirn und Gemüt. Ein Fels an Stelle meines Herzens. Harter Kies statt zartem S(ch)ein. Versteinert. Verankert in der Tiefe meines Ichs. Wäre es mein Stolperstein oder mein Glücksstein?
Mein Herz aus Stein. Ein glücklicher Stein. Ich schmiede eine Kette aus Glückssteinen. Mein Herz, dein Herz, viele Muskel aneinandergeschmiegt, eine Reihe wahrhaftig edler Herzstücke.
Mein kleines Herz durchmacht die große Metamorphose.

Christa Elisabeth Neumayer
Geb. 1958 in der Steiermark. Lebt schon lange in Niederösterreich. Der Weg zum Schreiben führte über die Bibliotheksarbeit. Leben und Lesen und Schreiben gehören zusammen. Die Beschäftigung mit Literatur eröffnet ihr stets neue Perspektiven.