SCHUND/ etcetera 28/ April 07

VORWORT

Liebe Schundleser!
Liebe Schundleserinnen!

Wie man trotz des abwegigen Berufs „Literat“, zu Geld kommt, erraten Sie natürlich. Wie bereits die Werke Hedwig Courths-Mahler oder die des Schwagers des berühmten Johann Wolfgang Goethe, dessen Name keinem mehr einfällt, waren viel gelesen und erfolgreich im Sinne hoher Verkaufszahlen. Quantität scheint mitunter Qualität zu killen. Nicht nur seit dem Zeitalter der Deppenmedien darf Lesen nicht anstrengend sein. Aber sie sind ja nicht dumm! Vor allem empfehle ich: Seien Sie kein Warmduscher, fangen Sie einfach an! Bereits auf Seite 8 wird ihnen ein schweinisches Grunzen entgegen schlagen, die Informationen Dr. Trashs über Schwedensexbomben sind unüberlesbar und das Schundessay des Panzerknackers Alois Eder ist unüberbietbar! Tauchen Sie ein in die Kitsch- und Schund-Geschichte „Zwei Herzen in Gefahr“, abwechselnd erstellt von zwei Ihnen bekannten St. Pöltnern und seien Sie nicht traurig, wenn in der Erzählung aus Tanger 1991 die weder wert- noch jugendfreie Schilderung an den spannendsten erotisch-pornographischen Stellen im Buchstabensalat davon schwimmt! Haben Sie keine Hemmungen vor der Schundlyrik und den Schmutzworten ohne Zartgefühl. Zum Schluss tut sich ja nach wie vor die Frage als Anreiz zur wertvollen nicht wertneutralen Diskussion auf: Ist Schund wertlos, weil schädlich oder eher umgekehrt?

Ihre Eva Riebler

Thomas Fröhlich
etcetera 28 SCHUND Redakteur
ZUM GELEIT

„Es braucht sehr viel guten Geschmack um schlechten Geschmack zu genießen.“

Der Mann, von dem dieses Zitat stammt, weiß, wovon er spricht: John Waters. Mit Filmen wie „Pink Flamingos“ bis hinauf zu seinem letzten Werk „Cecil B. Demented“ vermochte er es immer wieder, Geschichten jenseits des sogenannten guten Geschmacks anzusiedeln.

Schund, wenn man so will.

Doch Schund ist mehr als nur schlechter Geschmack. Von den Nazis als „Schmutz & Schund“ verteufelt wurde all jenes, was nicht in das Leitbild der „Arier“ passte. Das betraf die Bücher von Thomas Mann genauso wie billige amerikanische Paperbacks oder die „entartete Kunst“ zeitgenössischer Maler und Bildhauer.

In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts war plötzlich Elvis Presley der personifizierte Untergang des Abendlandes – mit seiner „Negermusik“ hielt ja bekanntlich „unmusikalischer Schund“ Einzug in die Kinderzimmer und -gehirne.

Noch in den 60ern wurde die „Micky Maus“ von Pädagogen verteufelt und als propagandistisches Machwerk zur jugendlichen „Volksverblödung“ angesehen. „Schundheftl“ war noch das beste, was man in staatstragend-verantwortungsvoller Pose in unseren Breiten dazu anmerkte.

Manches davon wurde zwischenzeitlich zwar schon in den Kanon der Hochkultur (oder wenigstens der akademisch abgesegneten Popkultur) gestellt. Und auch die (inzwischen längst verdaute) Trash-Debatte der ausgehenden Achtziger, bei der auf das mitunter subversive Potenzial von Schundkultur hingewiesen wurde, ließ nach ihrem Abebben ein scheinbares „Anything Goes“ zu.

Was wiederum jegliche mögliche Subversion killte.

Und heute haben wir dank gewichtiger Daily Talks („Der Schäferhund meiner Nachbarin will nicht mehr mit mir schlafen!“), Container-Shows (remember Slatko?), organisierten Wettspeibens („Jackass“) und subtil gefilmter Brust-OPs mehr permanenten medialen Schund-Overkill, als uns lieb sein kann.

Oder so.

Und dennoch: Auch heute noch gerät man in Argumentationsnotstand, wenn man sich in sich gebildet und liberal dünkender Runde als Fan italienischer Horrorcomics, der Schriften von HP Lovecraft oder des Gesamtwerks des Musikers und Filmregisseurs Rob Zombie outet. Von den Sissi-Filmen red’ ich da gar nicht.

„A so a Schas!“ ist mitunter noch das freundlichste, was man da zu hören bekommt.

Gibt es ihn überhaupt (noch): den „guten“ Schund?

Oder ist dieser Begriff für alle Zeiten obsolet, dank RTL, ATV oder real existierender, sich Gotcha-sportlich ertüchtigender, schmissiger Parteiführer.

Fragen über Fragen!

Vielleicht finden Sie hier ein paar Antworten …

Und machen Sie sich auf einiges gefasst!

Seltsam … aber so steht es geschrieben.



INHALT SCHUND 28

Zum Geleit

04 Thomas Fröhlich

Interview
05 Dr.Trash: DER DOKTOR UND DER LIEBE TRASH
07 Dr. Trash: SCHWEDENBOMBEN
08 Karl Kilian: HELLRAISER 2007‑. GUTEN MORGEN, KARL KILIAN!
10 Andreas Gruber: KOMMERZ IST GUT.

Essay
12 Alois Eder: EIN HAUS MIT VIELEN WOHNUNGEN:
SCHUND UND POSTMODERNE

16 Ralph Andraschek‑Holzer: DIE VERHARMLOSUNG ORGANISIERTER
KRIMINALITÄT AM BEISPIEL DER"PANZERKNACKER AG"
17 Sylvia Treudl: GEISTERBAHN
20 Wolfgang Mayer‑König: SCHUND

Prosa&Lyrik
23 Andreas Gruber: DAS TOR NACH CLOON
27 Christian Futscher: DIE GROSSE SCHEISSE
29 Franzobel: FRÜHGYMNASTIK
30 Fritz Widhalm: PIPPI LANGSTRUMPF DARF NICHT WACHSEN
31 Gerhard Jaschke: BLÖDE BLEIKUGEL! ‑
BLUTKUNST ZUM SCHULSCHLUSS?
32 Ingrid Reichel: PARIS, MEINE LIEBE
34 Isabella Suppanz und Thomas Fröhlich:
ZWEI HERZEN IN GEFAHR ODER: GRAF BODOS VERMÄCHTNIS
37 Fritz Widmayer: H.C.
37 Jessica Lind: SCHUND!
39 Karl Kilian: FEINDESLAND
41 Maria Seisenbacher: STEHEND GEHEND STERBEN
42 Marcus Stöger: TANGER, 1991
44 Markus Köhle: SCHNAPSIDEE
45 Sabine Dengscherz: IN DREI TEUFELS NAMEN
48 Thomas Ballhausen: NEUES VON DEN KLASSIKERN.
NACHRICHTEN AUS ROM UND CORIOLI.
51 Thomas Havlik: DOKTOR ROBERT
54 Dine Petrik: FALLEN UND FLIEGEN
54 Igor Eberhard: ORIGINALFOTO
55 Ilse Kilic:
56 Tom DeToys: MINDESTLOHN
57 Wolfgang Kühn: GEREIMTE LIEBESLYRIK, DIE DIE WELT
GARANTIERT NICHT VERÄNDERN WIRD
58 Christian Schreibmüller: WELTALLROCKER
60 Werner Vogel: BALLADE VON DER WINTERREISE

LitArena
61 Stefan Abermann: JETZT IST MONTAG

Rezensionen
62 James Kynge: China. Der Aufstieg einer hungrigen Nation.
62 P. Hochgatterer: Die Süße des Lebens
63 Manfred Wieninger: Kalte Monde. Ein Marek Miert‑Krimi.
63 Uwe Pörksen: Plastikwörter.
64 Rainer Schmitz: Was geschah mit Schillers Schädel?
Alles was sie über Literatur nicht wissen.
65 Sylvia Treudl: Verliebt, verlobt, ver..
65 Sandra Paweronschitz: Zwischen Anspruch und Anpassung.
66 Myriam Keil: Angst vor Äpfeln.
66 Vienna Lit.: Vienna Views
67 Wolf Haas: DasWetter vor 15 Jahre

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