Eva Jancak: Von Wien nach St. Pölten. Robert Eglhofer
Eva Jancak
VON WIEN NACH ST. PÖLTEN
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Eva Jancak, Wiener Psychologin und Psychotherapeutin, ist Autorin von etwa 20 Romanen und den Mitgliedern der Litges St. Pölten keine Unbekannte. In letzter Zeit hat sie sich mit ihrem Literaturblog literaturgefluester.wordpress.com wieder deutlich in Erinnerung gerufen. Robert Eglhofer interviewte sie am 05.01.2010 in ihrer Praxis in Wien Margareten.
Du bist Wienerin, hast aber einen starken Bezug zu St. Pölten. Warum?
Ich habe einen Nebenwohnsitz in Harland (Anmerkung: Stadtteil von St. Pölten) Mein Mann ist in St. Pölten aufgewachsen und zur Schule gegangen. Wir haben eine Wohnung im Hause seiner Eltern. Als unsere Tochter klein war, haben wir eine Zeit lang dort gewohnt und sind nach Wien gependelt. Jetzt sind wir nur mehr im Sommer und an den Wochenenden dort.
Manche Menschen halten St. Pölten für touristisch uninteressant. Du fährst weiterhin gerne her. Warum?
Das Haus meiner Schwiegereltern liegt an der Traisen. Dort nutze ich die ausgedehnten Radwege. In Harland sitze ich auf der Terrasse mit Blick in den Garten und schreibe. Das ist ein wunderbares Feeling. In die Stadt fahre ich hauptsächlich zum Markt auf den Rathausplatz und in die Thalia Buchhandlung. Ich arbeite im Sommer zwei Tage in meiner Praxis als Psychotherapeutin in Wien, den Rest verbringe ich meist in Harland, mache Sommerfrische und Schreiburlaub.
Gibt es noch andere Ausflugsziele?
Am Wochenende wandere ich mit meinem Mann oft auf die Rudolfshöhe oder wir fahren mit dem Rad nach Herzogenburg, Traismauer und an die Viehofener Seen.
Wie weit bist du vertraut mit der St. Pöltner Literaturszene?
Da ich in Wien lebe, kenne ich mich in der Wiener Szene besser aus. Dort gibt es auch mehr Möglichkeiten zu literarischen Veranstaltungen und eigenen Lesungen. In den 90er-Jahren, als wir in St. Pölten wohnten, lernte ich auf einer Regionalversammlung der IG Autoren Niederösterreichs Doris Kloimstein kennen. Dann auch Günther Stingl und Alois Eder, Letzteren bei einer literarischen Veranstaltung in Wien.
Manfred Wieninger wurde damals bekannt. Einmal hätten wir eine gemeinsame Lesung gehabt, die er allerdings absagte, so las ich alleine und hatte nicht viel Publikum.
Längere Zeit hatte ich wenig Kontakt zu den St. Pöltner Literaten, nur hin und wieder traf ich Zdenka Becker und Doris Kloimstein. Jetzt gibt es durch dich wieder mehr Kontakt, durch meinen Blog bin ich auch auf Cornelia Travnicek aus Traismauer gestoßen, deren Schreiben ich interessiert verfolge.
Und die Osterspaziergänge?
Vor Jahren war ich einmal dabei. An den letzten beiden Osterspaziergängen haben wir gemeinsam teilgenommen. Hingekommen bin ich, glaube ich, durch Doris Kloimstein und Alois Eder.
Unser etcetera ist dir auch vertraut?
In einer der ersten Ausgaben erschien ein Text von mir. (Der Schokoladewettbewerb). Hin und wieder habe ich die Zeitschrift gelesen. Das letzte Heft (Litarena) hat mir sehr gut gefallen. Nicht nur die Jungautoren des Wettbewerbes, sondern den gelungene Querschnitt durch den etablierten Literaturbetrieb fand ich faszinierend. Das ist sicher eine interessante Literaturzeitschrift.
Von der St. Pöltner Literaturszene zu deinem eigenen literarischen Schaffen.
Ich schreibe seit 36 Jahren, seit meiner Matura, und zwar vorwiegend realistische Prosa, Erzählungen und Romane. Durch den “Arbeitskreis schreibender Frauen”, an dem ich von 1979 bis 1983 teilnahm, bekam ich Kontakt zum Literaturbetrieb und habe beispielsweise Marie Therese Kerschbaumer, Christa Stippinger, Elfriede Haslehner, Erika Danneberg, El Awadalla dort kennengelernt und begann auch meine Texte an Literaturzeischriften zu schicken. Im “Wespennest” hatte ich 1988 nach meinem GAV-Eintritt einen Text, aber auch in der Rampe, Podium, Wortbrücke etc. Mein Roman „Hierarchien oder Kampf der Geräusche“ ist 1990 in Jack Unterwegers Edition Wortbrücke erschienen.
Seit 1986 bin ich Mitglied in der GAV (Anmerkung: Die Grazer Autorinnen Autorenversammlung mit dem Sitz in Wien wurde 1973 in Graz als Gegenpol zum österreichischen P.E.N.-Club gegründet).
Realistische Prosa heißt Romane und längere Erzählungen, soweit ich mit deinen Büchern vertraut bin. Was ist dein inhaltlicher Schwerpunkt?
Ich bin sehr sozialkritisch und siedle meine Handlung oft im Wiener Alltagsmilieu an, befasse mich mit Randgruppen, Außenseitern, Menschen in Ausnahmesituationen etc. In meinem letzten Roman „ Die Radiosonate oder das einsame Jahr“, aus dem auch im ORF gelesen wurde, geht es um die Rahmenhandlung einer erfolglosen Autorin, die einen Roman über eine Frau schreiben will, die so depressiv und einsam ist, dass sie nur noch Kontakt zu zwei Radiomoderatorenstimmen hat, außerdem kommt noch ein tschetschenischer Asylwerber vor, der eine verloren geglaubte Mozart-Sonate von Grosny nach Wien bringt und dadurch die Wiener Musikszene durcheinander wirbelt.
Wie veröffentlichst du deine Erzählungen?
Es ist nicht so leicht, einen Verlag zu finden. Da mir das nach den „Hierarchien“ nicht mehr wirklich gelungen ist, brachte mich mein Mann auf die Idee, die Bücher selbst im Digitaldruckverfahren herauszubringen. 19 solche Bücher sind bis jetzt erschienen: Books on demand.
Von welcher Auflagenzahl und von welchen Kosten sprechen wir da?
Das ist relativ billig. Bei einer Auflage von 50 Exemplaren kostet das Buch zwischen fünf und zehn Euro, je nach Umfang. Das sind die Kosten für die Druckerei. Einige Exemplare gehen weg für Rezensionen, zwei trage ich in meiner Handtasche und zeige sie her. Bei Lesungen lege ich sie auf und ich stelle sie auch ins Internet. Von Verkauf kann man bei dieser Auflagezahl kaum sprechen. Die Bücher sind eher dazu da, mein Schreiben zu dokumentieren.
Was sind die Nachteile?
Zuerst die Vorteile: Man wird nicht von einem Zuschussverlag ausgebeutet. Bei den Kleinverlagen hat man auch oft wenig Kontrolle und die Abrechnung ist nicht immer durchschaubar. Da mache ich es gleich selber, behalte die Kontrolle und kann es machen, wie ich es will.
Zu den Nachteilen zählt, dass der Literaturbetrieb sehr überheblich auf Publikationen im sogenannten Eigenverlag reagiert und sie nicht zu Kenntnis nimmt. Ich gebe aber nicht auf. Bei den Textvorstellungen in der Alten Schmiede gibt es keine Probleme und ich habe inzwischen auch Rezensionen und manchmal eine Radiosendung.
Du organisierst auch eigene Veranstaltungen...
Die GAV gibt Gelegenheit dazu. Längere Zeit organisierte ich die Lesungen zum „Tag der Freiheit des Wortes“, der an den 10. Mai 1933, den Tag der Bücherverbrennungen durch die Nazis, erinnert, aber auch generell auf Unfreiheit und Unterdrückung hingewiesen wird. Seit einigen Jahren veranstalte ich eine Lesereihe “Die Mittleren - Literatur von Frauen“, bei der ich nach und nach die Frauen vorstelle, die ich im Laufe meines literarischen Lebens kennengelernt habe. So habe ich zum Beispiel mit Marlen Schachinger, Elfriede Haslehner, Judith Gruber Rizy, Erika Kronabitter, El Awadalla gelesen. Die nächste Lesung ist mit Ruth Aspöck, Cornelia Travnicek, Andrea Stift und Susanne Schneider geplant.
Von deinem literarischen Internetblog war schon mehrmals die Rede. Wie bist du dazu gekommen und wie handhabst du ihn?
Ich verfolge seit längeren die Lesungen zum Ingeborg Bachmann-Preis im Internet und habe bemerkt, dass schon in den Pausen die ersten Kommentare dazu in diversen Blogs auftauchen. Mit Hilfe meines Mannes habe ich dann meinen eigenen Blog eröffnet (literaturgefluester@wordpress.com). Ich besuche viel literarische Veranstaltungen, lese einiges und weiß viel über den Literaturbetrieb, so stelle ich fast jeden Tag einen Artikel darüber ins Netz. Weiters ist das auch eine gute Möglichkeit, über das eigene Schreiben zu berichten und interessante Leute kennen zulernen. Durch die Möglichkeit per Mausklick gleich einen Kommentar abzugeben, kommt viel Kommunikation zustande. So habe ich z. B. Cornelia Travnicek durch meinen Blog kennen gelernt und verfolge auch ihren mit Interesse.
Kannst du uns vielleicht ein Beispiel geben?
Als ich wieder einmal in Harland war, schrieb ich einen Blog über Sommerfrische. Ich dachte: Schau dir den Residenzverlag an. Da ging ich durch den Stadtwald, den ich von einem Osterspaziergang kannte und stand auf einmal vor der Mülldeponie. Das NÖN Pressehaus steht auf einem freien Feld, vor dem Portal rauchten ein paar Männer und ein Schild mit „Unbefugten ist der Zugang verboten“, gab es auch. Das habe ich in meinem Blog beschrieben und erhielt am nächsten Tag einen Kommentar von Herbert Bitsche, dem Leiter des Residenzverlages.
Warum ich zur letzten Frage nicht mehr kam, steht im folgenden Ausschnitt aus Eva Jancaks Blog vom 05.01.2010.
Mein erster Erwerbsarbeitstag im neuen Jahrzehnt hat mit einer literarischen Begegnung begonnen, ist doch zu Mittag Robert Eglhofer mit seinem Aufnahmegerät gekommen und hat mir vorher die entsprechenden Fragen durchgegeben. Wie ich zu St. Pölten und der literarischen Gesellschaft stehe? Was es über meine Bücher und das Literaturgeflüster zu sagen gibt? Zu den Zukunftsaussichten sind wir dann nicht mehr gekommen. Da stand schon die nächste Klientin im Wartezimmer, was aber nichts machte, denn über Zukunftsaussichten lässt sich nur bedingt Auskunft geben.
Von meiner Seite ist es zwar einfach: Ich werde schreiben, solange ich kann und mir was einfällt, von der anderen ist es schwieriger...
Danke, liebe Eva, für das Interview. Wir wünschen dir weiterhin alles Gute, vor allem, dass die andere Seite zu der dir gebührenden Einsicht kommt.
Eva Jancak:
Geb. 1953 in Wien, dort Psychologiestudium . Seither als Psychologin und Psychotherapeutin tätig. Lebt zeitweise auch in Harland/ St. Pölten. Schriftstellerische Arbeiten seit 1973 (Erzählung, Novelle, Roman). Seit 1987 freiberufliche Tätigkeit. Seither auch Mitglied bei der GAV. Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien 1982, Theodor-Körner-Preis, 1988 „Hierarchien oder der Kampf der Geräusche”, Roman 1990, Edition Wortbrücke, seit 1999 Herausgabe des unveröffentlichten Gesamtwerkes im Digitaldruck, zuletzt “Das Haus” 2009.