14. Philosophicum Lech - 2. Tag: Herfried Münkler. Rez.: Eva Riebler
Eva Riebler
VON TERRITORIALITÄT, LOYALITÄT UND INTERESSENSKALKÜL
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DIE TERRITORIALISIERUNG DES POLITISCHEN.
DER NEUZEITLICHE FLÄCHENSTAAT
ALS POLITISCHE ORDNUNGSFORM:
KONSEQUENZEN UND ALTERNATIVEN.
Univ. Prof. Dr. Herfried Münkler
24.09.2010, 09.30 Uhr
Neue Kirche, Lech am Arlberg
Unterschieden wird zwischen einem transhistorisch-universalen (= alle Formen politischer Organisationen) und einem historisch-konkreten (=institutioneller Flächenstaat) Staatsbegriff.
In Europa ist der normale Staat an die Begrenzung der Fläche gebunden, jedoch leben Bürger verschiedener Ethnien in ihm. Kommt nicht die Nationalität sondern die Souveränität und Territorialität zur Deckung, ist dieser Staat handlungsfähig. Jedoch ist heute Patrimonalismus und Klientelismus im Vormarsch.
Das klassische Ideal beruhte auf einem System institutionalisierter Kompetenzen, die von der Gesellschaft apart und für ihren Einfluss unzugänglich waren. Die Realität entsprach dem nicht immer, denn die Beamten des Erfüllungsstaates entwickelten ihr eigenes Ethos, konnten korrupt oder korruptionsresistent sein und aufopfernd dem Gemeinwohl dienen oder auch nicht. Die Treue der Beamten musste durch Interessenskalkül abgesichert werden, z.B. lebenslange Pensionen. In modernen Staatsgebilden, die im 20. Jhdt. erst entstanden sind, ist die Zuverlässigkeit der Administration, auf die sich die Loyalität der Bürger begründet, nicht vorhanden. Ein Staat zerfällt umso schneller, je weniger er die Mittel hat, die sozial destruktiven Effekte der Globalisierung ausgleichen zu können.
Dem Flächenstaat entgegen entwickelten sich nicht territorial gebundene Kaufmannschaften, Ritterorden u.a. Die Ritterorden z.B. mussten zerschlagen werden oder einen eigenen Flächenstaat für sich erobern.
Erst die Gleichartigkeit der politischen Akteure sichert die Symmetrie der strategischen Kreativität, politischen Rationalität und völkerrechtlichen Legitimität als unverzichtbare Vorraussetzung für die Stabilität des Staatssystems.
Die Kosten der Bewaffnung und Verteidigung des Territoriums brachte zur Zeit der industriellen Revolution Bündnissysteme hervor. Notwendigerweise bringen überregionale Waffenbündnisse den Zerfall der einzelnen Territorien mit sich.
Der Staat wird Mühe haben, sich in seiner gegenwärtigen Position zu verteidigen.
Eine weltpolitische Ordnung gleichberechtigter - weil gleichartiger - Staaten ist hinfällig geworden.
LitGes, September 2010