Paul Jaeg: Der Traum von intensiver Arbeit. Klaus Ebner
Paul Jaeg
Der Traum von intensiver Arbeit
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Klaus Ebner sprach mit dem Begründer des Arovell-Verlags Paul Jaeg über den Einklang zwischen der Arbeitsintensität eines Verlags und über seine persönlichen künstlerischen Verwirklichungen. (Gosau und Wien, August 2011)
Paul, Du bist seit Jahren Schriftsteller, Künstler und Musiker, und Du betreibst den Arovell-Verlag in Gosau, der ein reiner Literaturverlag ist. Kürzlich feierte Arovell sein zwanzigjähriges Bestehen. Mit so vielen parallelen Tätigkeiten bist Du zeitlich wahrscheinlich mehr als ausgelastet. Hast Du Dir deinen Weg in den Anfängen so vorgestellt? War eine solch intensive künstlerisch-kulturelle Tätigkeit einmal so etwas wie ein „Lebenstraum“?
Wenn ich träume, dann träume ich von Intensität, ich möchte ein spannendes Leben haben, und 08/15-Wege mag ich nicht. Dass aber alles so schwierig und arbeitsintensiv wird, wie es heute ist, habe ich mir ursprünglich nicht gedacht. In verschiedenen Kunstparten aktiv zu sein und nebenbei noch einen Verlag zu führen, ist schon eine ziemliche Herausforderung, aber es hat auch einen besonderen Reiz.
Verhindert dieser Reiz, dass die intensive Arbeit dann doch eher zum Alptraum wird? Oder hast Du auch Phasen, wo Du am liebsten alles hinschmeißen würdest?
Das Gefühl „jetzt wird es mir echt zu viel“ kenne ich zum Glück nicht. Sogar nächtelange Arbeit macht mir in der Regel nichts aus. Ich kann unter Zeitdruck eine Menge leisten, aber dann benötige ich irgendwann zumindest einen ganzen Tag, an dem ich mich um rein gar nichts kümmern muss. Das ist dann ein guter Ausgleich.
Die künstlerische Produktion ist ja die eine Seite, etwas, wo Du selbst als Künstler tätig bist. Aber der Verlag bringt in erster Linie Bücher von anderen Autoren heraus. Arovell verlegt üblicherweise Texte von Autorinnen und Autoren, die im Literaturbetrieb noch nicht verankert sind, oft auch noch keine eigenständige Buchveröffentlichung vorweisen können. Um bei unserem Leitthema zu bleiben, erfüllst du damit vor allem jungen Autoren gewiss einen Traum. Wie kam es eigentlich dazu, dass Du Dich als Verleger engagierst, obwohl Du diese Zeit auch für die eigene künstlerische Tätigkeit verwenden könntest?
Mir ist bewusst, dass mir die Zeit, die ich in den Verlag stecke, auf der anderen Seite gewissermaßen fehlt. Aber das Ganze ist wie ein Geflecht – das eine hängt sehr stark mit dem anderen zusammen. Und es regt an, intensiver darüber nachzudenken: Wie wirken die Werke auf die Szene oder auf Personen, die nur am Rande daran interessiert sind? Welche Rückmeldungen gibt es? Sind sie für die weitere künstlerische Arbeit brauchbar? Das ist ein höchst intensives Nachdenken.
Wie wird ein österreichischer Kleinverlag, der primär unbekannte Autoren druckt, vom Literaturbetrieb in diesem Land aufgenommen? Gibt es da Unterstützung oder werden einem eher die sprichwörtlichen Prügel zwischen die Beine geworfen?
Die ersten Jahre waren sehr belastend. Ich musste mir einen dicken Hautpanzer zulegen, um nicht aufzugeben. Das „Abblitzen“ war damals mein ständiger Begleiter. Aber es gibt auch Personen, die einem gerne helfen, wenn man sein Anliegen entsprechend vermittelt. Solchen Leuten habe ich viel zu verdanken. Das sind vor allem Personen, die an kulturellen Drehscheiben sitzen und oft mehr Einfluss haben, als sie selber glauben. Die können einem mit kleinen Tipps oder mit einem einzigen Telefonanruf an der richtigen Stelle höchst behilflich sein. Trotzdem gibt es auch Schwierigkeiten, vor allem, wenn ich an den Vertrieb denke: Für Kleinverlage ist es enorm schwer, die Bücher im Buchhandel zu platzieren, unter anderem deshalb, weil wir uns keine Vertriebsmitarbeiter leisten können.
Wie sieht es generell mit der Finanzierung aus? Man muss ja sagen: Auch wenn sich der Traum vom ersten Buch für einen Nachwuchsautor erfüllt, kann er in der Regel lediglich davon träumen, damit auch Geld zu verdienen oder gar seinen Unterhalt zu bestreiten. Niedrige Auflagen und vor allem wenige verkaufte Bücher limitieren andererseits auch den Verlagsumsatz. Wie finanziert sich Arovell?
Fast jeder Verlag in Österreich hat auf der Einnahmenseite finanzielle Unterstützung seitens der öffentlichen Hand sowie sehr wohl Verkaufserlöse über Buchhandlungen und selbstorganisierte Büchertische bei diversen kulturellen Veranstaltungen. Die Ausgaben setzen sich aus vielen Einzelsummen zusammen: Druckkosten, Layout, Lektorat, Büroausgaben, Porto, Umsatzsteuer und Tantiemen. An jedem Jahresende ergibt sich eine Bilanz und die darf zumindest nicht negativ sein. Umgerechnet auf die eigenen Arbeitsstunden ist der Überschuss natürlich so wenig, dass man durchaus schon mal ans Aufgeben denkt. Seit 1990 haben ja tatsächlich viele Kleinverlage das Handtuch geworfen.
Ab und zu kommen im Arovell-Verlag Anthologien heraus, 2011 waren es aufgrund des Jubiläums gleich zwei. Wenn Du eine Anthologie zum Thema „Traum“ zusammenstelltest, welche Art von Texten würdest du da erwarten? Was müsste aus Deiner Sicht unbedingt in eine solche Anthologie hinein und was möchtest Du ganz draußen lassen?
Ich denke, die Texte sollten so sein, dass sie von allen bekannten Traumtexten stark abweichen und eine „eigene Erfindung“ darstellen, und zwar nach Möglichkeit in Form und Inhalt. Darin sollten auf keinen Fall persönlich erlebte oder durchlebte Krankheitsgeschichten, keine billigen Horrorerzählungen und keine rosaroten Wölkchen auf blauem Hintergrund vorkommen. Auch Anleihen aus der Psychologie sehe ich eigentlich als verpönt an. Ich stelle mir starke Geschichten vor, die der Wirklichkeit sehr nahe kommen, aber keine Phantastereien sind, und natürlich niemals ein „und dann wachte ich auf“!
Damit sprichst Du die Schwierigkeit an, als Autor aus einem quasi geträumten Text wieder herauszukommen.
Oder eben deutlich zu machen, dass es sich um einen Traum handelt. Gerade ungeübte Autoren greifen da leicht zu Erklärungen, und das wirkt dann sehr plump. Dazu kommt noch, dass Einleitung und Schlusssatz bei Traumtexten überaus heikel sind.
Du selbst hast Bücher in anderen Verlagen veröffentlicht, auch in Deutschland, publizierst aber zudem im eigenen Arovell-Verlag. Wie kommt es zu dieser Aufteilung?
Ursprünglich wollte ich meine Texte ausnahmslos in anderen Verlagen herausbringen, damit nicht der Eindruck entsteht, ich hätte den Verlag gegründet, um mich selber darin als Autor zu verwirklichen. Meine ersten Bücher erschienen beim blackink Verlag in München. Aber der Gedanke, dass ich diese Texte später nie in einem anderen Verlag drucken könnte, ohne dass Zahlungen für die Rechte anfallen, sowie die Tatsache, dass viel Aufwand wegfällt, wenn ich sozusagen von der Texterstellung bis zum fertigen Produkt alles selber machen und entscheiden kann, haben mich bewogen, meine Texte selber zu verlegen.
Wie verhält es sich mit der Bindung von Autoren an den Verlag? Arbeitet Arovell mit „Hausautoren“ wie große Verlage oder gibt es jedes Jahr neue Autoren?
Rund die Hälfte der neuen Bücher stammt immer von Autoren oder Autorinnen, die schon im Arovell-Verlag publiziert haben. Unser Credo lautet aber: Neuzugänge sind sehr wichtig. Arovell möchte neuen Autoren, wenn sie gute Bücher schreiben, die Möglichkeit geben, ihre ersten Schritte im Literaturbetrieb zu setzen.
Immer wieder wird Kleinverlagen vorgeworfen, am Lektorat zu sparen und dadurch an der Gesamtqualität des Buches. Wie stehst Du dazu?
Es ist grundsätzlich schwierig, Lyrik- und Erzählbände herauszubringen, ohne diese durch höhere Auflagen und Verkaufserlöse aus anderen Sektoren wie Heimat-, Koch- und Bilderbücher querzufinanzieren. Das beschränkt die finanziellen Möglichkeiten. Man muss bedenken, dass ein externes Lektorat – und erst recht ein eigener Mitarbeiter – bei zwanzig Büchern eine Menge Geld kostet; mit dem Verkaufserlös und den bescheidenen Subventionen lassen sich diese Kosten nicht decken. Ich halte es hinsichtlich des Lektorats folgendermaßen: Viele Texte lektoriere ich selber, da ich ohnehin ausgebildeter Hauptschullehrer für Deutsch bin. Bei manchen Manuskripten verlasse ich mich aber allein auf die Sorgfalt und Durchsicht der Autoren und Autorinnen und deren Freunde.
Wo siehst Du den Arovell-Verlag in 20 Jahren? Und wo siehst Du Dich als Künstler in 20 Jahren?
Der Arovell-Verlag wird wohl noch einige Jahre von mir im derzeitigen Umfang weiter betreut werden; das macht noch immer Spaß. Vielleicht wird eines meiner Kinder den Verlag einmal weiterführen. Und auch künstlerisch wird es weitergehen, denn ich habe in meiner Schublade noch viele Träume!
Vielen Dank für das Gespräch.
Paul Jaeg
Geb. 1949 in Gosau, Oberösterreich. Ausgebildeter Hauptschullehrer. Er beschäftigt sich mit Komposition, Bildender Kunst und Literatur. 1999 und 2011 Landesstipendium des Landes Oberösterreich. Jaeg ist Herausgeber des Arovell-Verlages und Kurator des Kunsthauses Deutschvilla in Strobl am Wolfgangsee. Er ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung. Jüngste Publikationen: „Dachstein und Gosautal“, Sachbuch; „hochmotiviert & niederträchtig“, Lyrik und „abtasten oder zuwarten“, Lyrik.
LitGes, etcetera Nr. 48/Traum/Mai 2012