Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen. Rez.: T. Fröhlich

Thomas Fröhlich
DIE LIGA DER ULTIMATIV ÖDEN FILME

 

DIE LIGA DER AUSSERGEWÖHNLICHEN GENTLEMEN
USA, 2003
R: Stephen Norrington
D: Sean Connery, Peta Wilson, N. Shah…
L: ca. 120 Min.
Nach der gleichnamigen graphic novel
von Alan Moore und Kevin O’Neill

Wir schreiben das Jahr 1899. Die Welt steht am Abgrund. Eine Verbrecherbande unter Leitung des mysteriösen „Fantom“ versucht mittels verschiedenster Attentate einen Weltkrieg heraufzubeschwören. Nur die in London ansässige LIGA DER AUSSERGEWÖHNLICHEN GENTLEMEN, bestehend unter anderem aus Allan Quatermain, Kapitän Nemo, Dr. Jekyll (und seiner schlechteren Hälfte, Mr Hyde), dem „Unsichtbaren“ und einigen aus der populären Weltliteratur des 19. Jahrhunderts bekannten Gestalten mehr, ist möglicherweise in der Lage, diesem Treiben ein Ende zu bereiten. Was wie ein etwas alkoholumnebelter Studentenscherz klingen mag, ist in Wahrheit eine der spannendsten und vielschichtigsten graphic novels der letzten Jahre. Vollgestopft mit textlichen und zeichnerischen Zitaten, die nicht nur jedem Bildungsbürger das Herz im Leibe vor Freude hüpfen lassen, entwarfen die beiden Comic-Künstler Alan Moore (WATCHMEN, ROM HELL) und Kevin O’Neill (HARDWARE – MARK 13) eine düstere, morbid-dekadente Fin de siecle-Welt, in der (schein)viktorianisches Gothic-Styling gleichberechtigt neben pittoreskem an die industrielle Revolution gemahnendem Ruinendesign besteht, und in der den Protagonisten, wie im Falle des alternden Allan Quatermain, der Griff zum Gewehr ebenso selbstverständlich ist wie jener zur Opiumpfeife. Sie alle, die lebenden Legenden, von Dichtern wie Jules Verne, Robert L. Stevenson, Henry Rider Haggard oder H. G. Wells besungen, haben zu diesem Zeitpunkt allerdings ihre beste Zeit schon längst hinter sich; auch der „Unsichtbare“ verbringt seine Zeit mit Diebstählen und dem unerkannten Eindringen in Mädchenpensionate und Nonnenklöster. Doch da jeder von diesem nach wie vor über spezielle Fähigkeiten (oder, wie Kapitän Nemo, wenigstens über ein riesiges U-Boot) verfügt, liegt es nun an ihnen, eine mögliche weltweite Zerstörung abzuwenden, auch, wenn sie, nicht zuletzt aufgrund ihrer Fähigkeiten, von der etablierten Gesellschaft gemieden, ja mitunter geächtet werden.
So viel zur literarischen Vorlage (und deren Vorlagen).
Der Rezensent gibt zu: als er erfuhr, daß an einer Verfilmung gearbeitet werden würde, war dies für ihn ein Grund zur Freude, hatte er doch knapp zuvor die überaus gelungene Verfilmung des Alan Moore-Comics FROM HELL im Kino gesehen. Auch sollte Sean Connery (der im Film den Allan Quatermain spielt) an der Produktion beteiligt sein, - einer, dem man doch ein gewisses Stilgefühl zubilligen darf.
Oder besser: durfte. Denn die aktuelle, vom eigentlich Comic-erfahrenen Regisseur Stephen Norrington (BLADE, DEATH MACHINE) in Szene gesetzte Verfilmung der LEAGUE OF EXTRAORDINARY GENTLEMEN vergeigt so ziemlich alles, was in diesem Bereich denk- und machbar ist.
Goodbye kantige Charaktere, hereinspaziert geglättete Langeweiler!
Adios einfallsreich-düstere Bildgestaltung, hallo dümmlichste Effekte!
Schleich Dich stimmige Story, hierher Blockbuster-Reißbrett-Nummernrevue!
Kein Hauch ist mehr von der dekadenten Grandezza des Originals und der nicht ausschliesslich selbstreferenziellen Dialoge zu verspüren. Bietet die erste halbe Stunde des Films, die Zusammenführung der GENTLEMEN und, in diesem Fall auch –WOMEN, irreführenderweise tatsächlich noch so etwas wie eine Ahnung dessen, was ein halbwegs interessiertes Filmteam aus dem Ganzen zu bewerkstelligen vermocht hätte (wäre den Produzenten etwas daran gelegen), so sackt der Rest (immerhin eineinhalb Stunden) zwischen letztklassigen Computer-Effektchen, einem für den Film eigens „dazuerfundenen“ US-Geheimagenten Tom Sawyer (dessen herausragendste Fähigkeit offenbar in ozeanischer Durchschnittlichkeit besteht) und Endlos-Geballere endgültig in sich zusammen.
Mag sein, daß man mit dieser Vorgangsweise für ein, zwei Wochenenden die Megaplex-Meute befriedigen kann (es fliegt schließlich auf der Leinwand permanent irgendwas in die Luft, während sich der Subwoofer im Auto auf dem Parkplatz vorm Kino einmal für zwei Stunden ausruhen darf), - letztendlich stellt dieser Film aber wieder einmal nur die tiefe Respektlosigkeit mancher Filmstudios jeglicher Originalität als auch dem Publikum selbst gegenüber unter Beweis.
Aber vielleicht habe ich das alles wiederum nur falsch verstanden: vielleicht handelt es sich bei diesem Film tatsächlich nur um einen dummen Scherz, den man nach einer größeren Menge Bier oder Wein amüsant finden kann. Ich war leider nüchtern.
Kopfweh ob derlei Blödsinn, fürcht’ ich jedoch, kriegt man allemal.