LitArena 3/etcetera 30/November 07


VORWORT

Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Das 30. Heft etcetera der Literarischen Gesellschaft STP liegt in Ihren Händen! Es ist unser
3. LitArena Literaturwettbewerb mit 20 Beiträgen der Generation unter 27 Jahren, den unser Vorstandsmitglied Thomas Havlik ins Leben rief und betreute. Eine hochkarätige Jury hat die drei Preisträger ermittelt und sie können anhand der Textauswahl durchaus eine andere Wahl oder Reihung treffen. Teilen Sie uns dies mit, wir sind über Feedback stets erfreut und begrüßen den regen Gedankenaustausch. Wie in jeder Arena sind Akklamationen und Zurufe willkommen! Die Jungliteraten stehen im Kontext zu 13 Jugendwerken arrivierter Autoren des österreichischen Literaturbetriebes und können sich messen, vergleichen oder sich inspirieren lassen. Vielleicht nehmen Sie auch den 28. oder 29. Nov. 07 als Präsentationstermin der Preisträger und des Heftes in St. Pölten oder Wien wahr. Wir würden uns freuen! Ich bedanke mich bei den Jurymitgliedern und den Einsendern und wünsche Ihnen den größtmöglichen Lesegenuss und hoffe, dass Sie uns auch im nächsten Jahr mit ihrem etcetera-Abo unterstützen!

Eva Riebler

 

 

 

Thomas Havlik
etcetera 30 LitArena 3 Redakteur
und Organisator der Literaturwettbewerbs LitArena
WETTBEWERBSBERICHT, DIE ZEITSPUR

140 anonymisierte Prosaarbeiten wurden rechtzeitig eingereicht und der Jury übergeben, dieses Jahr bestehend aus Robert Schindel (Autor), Claudia Romeder (Programmleiterin „Residenzverlag“), Ilse Kilic (Autorin, Verlegerin „Edition Das Fröhliche Wohnzimmer“), Thomas Fröhlich (Autor) und Thomas Havlik (Autor).
Es hat ein großes Feld handwerklich solide gearbeiteter, jedoch, sei es in inhaltlicher, sei es in stilistischer Form, nicht herausragender Beiträge gegeben.
Umso einstimmiger war die Jury in der Auswahl der Preistexte, die, im Ton und Erzählgestus sehr unterschiedlich, in der Darstellung als auch in der Themenwahl wohltuend Abstand nehmen von biografischen Tendenzen und dabei ein stimmiges Maß an kritischer Hinterfragung gesellschaftlicher Realität ebenso befördern - abseits von selbstverliebter, larmoyanter Pseudophilosophie und leerem Wortgeklingel - wie sie die Lust daran verbindet, in das Medium Sprache zu tauchen, um etwas daraus hervor zu holen, das über eine „Geschichte mit Anfang, Mittelteil und Ende“ hinausgeht: das zackt. Es zackt deshalb, weil es bei Weitem aufregender ist, Katharina Bendixen aus Leipzig (1. Platz), Nelia Dorscheid aus Saarbrücken (2. Platz) oder Philipp Weiss aus Wien (3. Platz) zu lesen, als die meisten Erzeugnisse der Popliteraturgirls und -boys der neunziger Jahre, und es funktioniert vor allem deshalb so gut, weil sich die Autorinnen zugleich auch nicht sonderlich von anderen Mode-Üblichkeiten wie dem grassierenden Realismuszwang beeindruckt zeigen, der offenbar mit der in der Zwischenzeit gar nicht mehr so frisch ausgerufenen „neuen Ernsthaftigkeit“ einher weht –
Katharina Bendixen schafft in ihrem Text „Der Whiskyflaschenbaum“ einen kunstvollen Spagat zwischen surrealem Familienportrait einerseits sowie schnörkellos-realer, präziser Sprache andererseits, und lässt so auf ungewöhnliche Weise aus einem poetisch überhöhten Bild die Wirklichkeiten, Schwierigkeiten und Ängste der Protagonisten herausatmen, ohne sie zu benennen: „Gieß den Baum nicht, sagte die Mutter. Ich goss den Baum.“ Zwischen solchen Sätzen stehen ganze Geschichten.
Wie ein Stereogramm, eine Magisches-Auge-Abbildung, bei der erst bei genauer Betrachtung die gesamte räumliche Tiefenwirkung sichtbar wird, funktioniert „mein ist“, der Text von Nelia Dorscheid: das lyrische Hin- und Hervibrieren zwischen den Grenzen von äußerer und innerer Handlung verlangt vom Leser die gleiche „Millimeterauffassung“, mit der die Autorin selbst ihre Geschichte über ein aneinander geschweißtes, einen Gutshof bewohnendes Paar vor sich gesehen haben muss. Dass dies allerdings nicht auf Kosten der Textflüssigkeit geht, sondern, im Gegenteil, einen Sog eröffnet, dem man sich nur schwer entziehen kann, ist sehr gekonnt.
Experimentell, aber alles andere als beliebig, ist schließlich „Sair“, die Arbeit von Philipp Weiss. Während er den Gedanken, „Erzählen kommt bekanntlich vom Wort aufzählen“ weiterspinnt zu einem in konsequenterweise in Listenform geschriebenen Text, der unter der vermeintlich leichten Oberfläche konkrete Themen wie das Entstehen und Vergehen von Liebe oder die Frage, „was überhaupt ein Text ist“, umkreist, begegnet er mit geschickt eingesetzten ironischen Brüchen der Gefahr des Auf-der-Stelle-Tretens: „Um es kurz zu machen: Ich befinde mich im Magen eines Wals. Er hat mich verschluckt.“ Dorthin muss man ihm erst einmal folgen.

Insgesamt befinden sich in dieser etcetera-Sondernummer 30 ausgesuchte Wettbewerbsbeiträge, die mit einem breiten Repertoire an spannenden und bemerkenswerten Texten junger Autorinnen einen kleinen Einblick geben in die Tendenzen und Neuerungen, die derzeit in der deutschsprachigen Prosawelt am Kommen und Laufen sind.

Gleichsam als Zeitspur-Bonus-Track wurden auch dieses Jahr zum Großteil unveröffentlichte Frühwerke (geschrieben im Höchstalter von 27, wie beim Preis) im Literaturbetrieb bereits arrivierter österreichischer Autorinnen aufgenommen, die, abgesehen vom Entstehungsdatum und etwaiger Publikationsorte, für sich alleine stehen. Allen, die sich daran beteiligt haben, an dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön.

INHALT etcetera 30 LitArena 3

4 Wettbewerbsbericht

LitArena PREISTRÄGER 2007

05 Katharina Bendixen 1. Preis: DER WHISKYFLASCHENBAUM
08 Nelia Dorscheid 2. Preis: MEIN IST
11 Philipp Weiss 3. Platz: SAIR

14 Maria Schindler: ANSICHTEN EINER BARBE ODER GOETHE SCHWEIGT
18 Peter Clar: BLITZEN ERINNERUNGEN
21 Martin Fritz: BRED EASTON ELLIS
23 Roland Mückstein: DE ERRORIBUS; CUCULORUM PATRUM
25 Annika Hetberg: DIE MORAL DER SCHOKODIEBE
29 Nadine Kegele: ERSTLING; EIN ROMAN
32 Jessica Lind: HERBSTLIED
34 Silvia Wolkan: HINTER DER KAMERA
38 Ruth Kornberger: JACQUES
41 Marco Claas: MEERJUNGFRAUEN KÜSSEN
44 Laura Freudenthaler: RINGELREI UND HOPSASA
46 Milena Michiko Flasar: BEERMANN SINGT
49 Christoph Aisleitner: WIE DER LITERAT DAS XYLOPHON REFLEKTIERT
50 Irina Bondas: WIE ICH GEWOHNT BIN
52 Finn-Ole Heinrich: ZEIT DER WITZE
54 Alexandra Berlina: BODY LEAVES
56 Julia Powalla: FAHRGASTWUNSCH

FRÜHWERKE

59 Elfriede Gerstl
59 Eugenie Kain
62 Antonio Fian
62 Barbara Frischmuth
64 Gerhard Jaschke
65 Herbert J. Wimmer
66 Ilse Kilic
66 Liesl Ujvary
67 Fritz Widhalm
67 Martin Amanshauser, Linda Stift, Dietmar Kuss
68 Peter Handke
68 Sabine Gruber
70 Semir Insayif

PORTRAIT

71 Markus Murlasits, der Ullustrator des Heftes

REZENSION

72 Alois Brandstetter: Ein Vandale ist kein Hunne
72 Peter Henisch: Eine sehr kleine Frau
73 Tobias Sommer: Zu viele Tragflächen
73 O. P. Zier: Tote Saison
74 Robert Gernhardt: Denken wir uns
74 Christoph Schönborn, Barbara Stöckl: Wer braucht Gott?