Ein Gespräch mit Louise Bourgeois: Donald Kuspit. Rez.: Ingrid Reichel
Ingrid Reichel
Zwischen ♀&♂ liegt das große Unbewusste
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Ein Gespräch mit Louise Bourgeois
Donald Kuspit
Aus dem Engl.: Volker Ellerbeck
Bern: Piet Meyer Verlag, 2011
Dt. Erstveröffentlichung. 120 S.
24 Abbildungen
ISBN 978-3-905799-13-2
In Piet Meyers erst 2007 gegründeten Kunstbuchverlag findet man außergewöhnliche Bücher wie dieses so leicht anmutende, kleine rosa Büchlein des 1935 geborenen amerikanischen Kunstkritikers, Poeten, Kunstgeschichte- und Philosophieprofessors Donald Kuspit.
Inhalt ist ein Gespräch mit der 1911 in Paris geborenen und 2010 in New York verstorbenen Grande Dame der Bildhauerei Louise Bourgeois. Das Interview in der Originalversion erschien 1988 bei Vintage Books und ein Ausschnitt in Deutsch in einer Anthologie der Schriften der Künstlerin im Ammann Verlag 2001. Dieses Büchlein ist also die gewichtige dt. Erstveröffentlichung des kompletten Interviews. Interessant ist, dass das genaue Datum, an dem das Interview stattfand, unbekannt bleibt. Es ist überflüssig über den genauen Inhalt des Gesprächs zu schreiben, zu komplex und widersprüchlich klingen Bourgeois Antworten auf Kuspits Fragen.
Bourgeois, die durch ihre Heirat mit dem Kunsthistoriker Robert Goldwater 1938 nach New York kam, gelang der internationale Durchbruch erst Ende der 70er Jahre. Ihre 1982 ausgerichtete große Retrospektive war die erste Einzelausstellung des Museums of Modern Art in New York, die einer Frau gewidmet wurde. Ein historischer Moment, den Kuspit, neben ihrem Privatleben, das eng an ihre Kunst geknüpft war, meisterhaft für das Interview nutzen konnte. Es sind besonders diese Seiten (88-102!), die einem spannungsreich nahe gehen, als Kuspit sich als außergewöhnlicher und hartnäckiger Interviewer entpuppt und Louise Bourgeois doch noch über die männliche Dominanz in der Kunstszene zu sprechen brachte:
L.B.: Vielleicht sollte ich hier nicht darüber sprechen […].
D.K.: Weshalb? Lassen Sie Ihren Worten freien Lauf. Sie sind alt genug, um die Wahrheit zu sagen.
Ein einmaliges Zeitzeugnis einer großartigen Künstlerin und eines brillanten und subtilen Gesprächspartners. Geht unter die Haut!
Erschienen im etcetera Nr. 52/ Körper/ Mai 2013