Lasst die Bären los!: John Irving. Rez: M. Stöger
Marcus Stöger
ECHT KNORKE
![]() |
LASST DIE BÄREN LOS!
John Irving
Lizenzauszug
Wien: echomedia Verlag, 2005. 200 S.
ISBN: 3-257-21323-9
Vor einigen Jahren präsentierte der Geschäftsführer einer SPÖ-nahen Medien- und Werbeagentur seine Idee einer Buchaktion: Werke mit inhaltlichem Wien-Bezug, möglichst von bekannten Autoren, sollten neu aufgelegt und in Wien gratis verteilt werden. Seit 2002 läuft nun „Eine STADT. Ein BUCH.“, und im Vorjahr wurden 100.000 Stück von John Irvings Erstlingsroman Lasst die Bären los! herausgebracht.
Abgesehen vom bereits am Umschlag prangenden Aktionstitel befremdet zunächst die billige Machart; das Druckwerk liegt so schlaff in der Hand, als wollte es verschämt den Fingern entgleiten. Nach dem Aufschlagen bricht die Klebebindung – und dann lächelt den p.t. Leser der Wiener Bürgermeister an. Zwischen drei Seiten kaum verhohlenen Eigenlobes (Vorwort genannt) und zwei Seiten Werbung für einen Wiener Energieversorger (samt Foto des Geschäftsführers) als Nachwort sowie rund 30 Sponsoren-Logos findet sich schließlich das angekündigte Werk.
Leider wird es auch hier nicht erfreulicher.
Wien als Schauplatz inspirierte den Übersetzer zu Ausdrücken wie „Tüte“, „Klamotten“, „Schmiere“ und „pieksen“ – oder dem Dialogsatz „... schrubbt sich mit irgendso'ner Sülze aus einem braunen Fläschchen das Zahnfleisch. Wo der hinhaucht, macht das Unkraut schlapp“ (um nur Passagen der ersten fünf Seiten zu nennen).
Inhaltlich hat man es angeblich mit einem Schelmenroman zu tun, welcher die Geschichte zweier mäßig erfolgreicher Studenten an der Uni Wien erzählt und im Mittelteil ... einen überraschend genauen Exkurs in die österreichische Zeitgeschichte bietet (Zitate aus besagtem Vorwort).
Tatsächlich handelt es sich um ein beeindruckendes Beispiel literarischer Resteverwertung. Der Anfang handelt von einem Motorradausflug in die österreichische Provinz, gehalten in dem etwas großmäuligen Stil vieler Jungschriftsteller (Irving war damals – 1963 – schließlich erst 21 Jahre alt). Diese geschätzten hundert Seiten hätten jedoch, zumal in den USA, niemals für einen Roman gereicht, weshalb der Autor kurzerhand Teile seiner (abgelehnten) Dissertationsarbeit zum Thema „Österreich im 2. Weltkrieg“ anhängte.
Auch der zusätzlich aufgesetzte Rahmen einer Zoogeschichte vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass Irving Österreich lediglich als exotische Kulisse imaginiert. Recht geschickt verknüpft er eine Fülle von Details (wie sie etwa ein Stadtplan bietet) und präsentiert ein Versatz-Wien für alle, die, sagen wir, Starbuck's mit Kaffeehauskultur assoziieren. Was immer er in seiner kurzen Zeit als Stipendiat hier getan haben mag, von der Stadt kann er nicht viel gesehen haben; denn egal, welche Protagonisten oder Lokalitäten er heraufbeschwört – es „stimmt“ so gut wie gar nichts.
All das könnte man noch als Vehikel für eine interessante Geschichte tolerieren. So es denn eine wäre. Aber trotz aller Versuche, den Gestalten dieses Romanes (unter Zuhilfenahme eines veritablen Kuriositätenkabinettes) Leben einzuhauchen, bleibt das Buch Stückwerk. Und, schlimmer noch: Es langweilt schon sehr bald.
Fazit: Dieses Druckwerk war „gratis“ – und das war zu teuer.