14. Philosophicum - 1. Tag: Impulsreferat von Siegfried Wolf. Rez.: Ingrid Reichel

Ingrid Reichel
DAS HEULEN DER WÖLFE

 
WIE DIE MACHT SCHMECKT
Magna-Impulsforum: Dr. Siegfried Wolf
Podiumsdiskussion: Dr. Franz Fischler, Dr. Alfred Gusenbauer,
EU-Kommissar Dr. Günther Oettinger, Dr. Gerhard Schröder.
Moderation: Ingrid Thurnher
23.09.2010, 15.00 Uhr
Neue Kirche, Lech am Arlberg

Der Magna-Konzern ist Hauptsponsor des Philosophicums in Lech und obwohl Topmanager Siegfried Wolf im November den Stronach-Konzern verlässt und zu Basic-Elements nach Russland wechselt, ließ er es sich nicht nehmen mit seinem Impulsreferat „Wie die Macht schmeckt“ wie in den vorangegangenen Jahren auch das 14. Philosophicum zu eröffnen. Nicht nur Konrad Paul Liessmann bedauerte, dass dies sein letztes Impulsreferat in Lech sein wird.

Macht verursacht Neid, so Wolf, daher könne sie nicht süß schmecken. Auch wenn die Macht in einem breitem Spektrum unterschiedlich wahrgenommen wird, bedeutet sie in erster Linie: Verantwortung und Verpflichtung. Mit dem Aufhänger „Power without responsibility is not power, but irresponsibility!“ (Macht ohne Verantwortung ist keine Macht, sondern Unverantwortlichkeit) erläutert Wolf weiter, dass hinter der Macht auch die Verpflichtung im demokratischen Sinne stehe, sie auszuüben. In Zukunft stünde der Umgang mit Macht für die Philosophie im Vordergrund. Natürlich existierten globale Machtphänomene ohne Legitimität, die unser Leben stark beeinflussten und Territorien mit religiös motivierten Fanatismen, wo die Demokratie nur auf dem Papier stünde. Versteckte Bereiche lägen in der Erziehung und im Bildungswesen. Immerhin bestehe laut dem deutschen Soziologen Max Weber, die Chance innerhalb der Legitimität den eigenen Willen gegen andere durchzusetzen und die gesellschaftliche Entwicklung zu beeinflussen, sofern man den Willen dazu hat. Macht könne man nie endgültig besitzen, fährt Wolf fort, sie biete sich nur auf Zeit an und das um etwas Sinnvolles zu tun. Das Streben nach einem Amt und in der Konsequenz nach einer Wiederwahl führe allerdings zur Ambivalenz. Man müsse zwischen selbst herbeigeführter und unverschuldeter Macht wie Naturkatastrophen, die nicht nur in Entwicklungsländern zu einer Machtlosigkeit bzw. Ohnmachtsgefahr führen können, unterscheiden. Besonders in Zeiten von Krisen gebe es eine Verpflichtung zur Machtausübung, egal ob diese Krisen aus unzulänglichen Regelungen, Fehlentscheidungen seitens der Politik, mangelndem Willen verschiedener Lobbys, die stärker als staatliche Institutionen geworden sind, verursacht wurden. Warum nicht im Sinne Mahatma Gandhis handeln, habe die Welt doch genug für alle, nur nicht für die Gier und dem Kampf nach oben zu gelangen. Doch das System habe entschieden, das System wären aber wir alle. Um bei der Frage nach dem Geschmack der Macht zu bleiben, schließt Wolf mit der Erkenntnis, dass die Konsequenzen von Entscheidungen oft bitter sind. Die Struktur im System gehöre gestaltet, Eigeninteressen unter die der Allgemeinheit gestellt. Wolf glaubt an die Kraft der Überzeugung, des Willens und des Wissens.

Obwohl Siegfried Wolf genügend Inputs gegeben hat, versickerte die darauf folgende Diskussion mit den hochkarätigen Gästen in erschütternde Banalität. Mit der einleitenden Frage der Moderatorin Ingrid Thurnher, ob man gut schliefe mit so viel Macht, stellte sich letztendlich heraus, dass in gehobenen demokratisch gewählten politischen Ämtern sehr wohl gut geschlafen wird, da man relativ zum Status des Amtes kaum Macht besitze

 

Die „einzigen“ risikoreichen Entscheidungen – im Sinne einer gefährdeten Wiederwahl (!) - erinnert sich der deutsche Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder an seine Amtszeit, waren: Deutsche Soldaten nach Afghanistan zu schicken, nicht in den Irak-Krieg einzusteigen und die Agenda 2010. Auf die Frage ob man nicht ausreichend Macht hat, den Kurs zu bestimmen, antwortete er: „Wir haben keine autonomen Entscheidungen zu treffen, wir tun oft so, sind aber von Investitionsentscheidungen abhängig.“ Die Macht wäre relativiert, weil andere Spieler zur gleichen Zeit im Spiel wären.

Der österreichische Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer meinte: „Es kommt darauf an, was man vor hat.“ Man hätte es mit Widerständen zu tun und zu kontroversielle Projekte lieferten nicht nur Anhänger sondern auch Gegner. Wenn Not und Krise am Stärksten sind, dann hätte die Politik die größte Macht, da gebe es eine Regierung außerhalb von Kritik. Später weist er auf die fortschreitende Anonymisierung der Macht hin. Der Einzelne könne unter demokratischen Verhältnissen ein Gefühl der Mitentscheidung nur dann erlangen, wenn man die Macht personalisiere.

Viel klarer äußerte sich Ex-EU-Agrarkommissar Franz Fischler: „Die Macht, die man hat, gehört auch eingesetzt.“ Er plädiere für Machtübertragung. Der Umgang miteinander jedoch schrecke ihn. Hierbei fielen die Wörter Neid und Feind. Die Kunst des Mächtigen sehe er im Teamplay.

Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg und seit Februar 2010 amtierender EU-Kommissar für Energie Günther Oettinger setzt das Adjektiv „schwierig“ zur Beschreibung der Machtausübung ein und erläuterte dies anhand verschiedener Beispiele: Als der britische Premier den BSE-Skandal bekannt gab, verkündeten Wissenschaftler am nächsten Tag die zu erwartende enorme Zahl der Todesfälle (100.000). Auch entziehen sich immer mächtiger werdende Machtinstrumente, wie das World Wide Web der demokratischen Kontrolle. Daher könne Macht nur durch strategisches Zusammenwirken von Machtelementen ausgeübt werden. Abgesehen von Schönwetterpolitik würden oft Entscheidungen, die zu keiner Problemlösung führen würden, getroffen werden, um die Probleme aufzuschieben.

Thurnher schloss die Podiumsdiskussion mit der Feststellung, dass Politiker erst nach ihrer Amtszeit sagen, was Sache ist.

 

LitGes, September 2010

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