14. Philosophicum Lech - 1. Tag: Polis und res publica - Christian Meier. Rez.: Ingrid Reichel

Ingrid Reichel
UNSERE ENTWICKLUNG ZUM STAAT?

 
POLIS UND RES PUBLICA
Univ. Prof. Dr. Dr. hc. Christian Meier
Professor für alte Geschichte (Uni München, emeritiert 1997)
23.09.2010, 18 Uhr
Neue Kirche, Lech am Arlberg

Christian Meier ist Spezialist für Alte Geschichte. In seinem Vortrag erörtert er die Entwicklung der Staatsherrschaften von der griechischen polis zur römischen res publica.

Meier beschreibt das Leben in der polis, das einem Stadtstaat gleichkam. Es bildeten sich kleine Gemeinden mit Amtsträgern, die nicht zu viel Macht hatten. Abgesehen von den üblichen Problemen des Zusammenlebens funktionierten die poleis insofern sie sich nicht vergrößert haben, noch vertreiben ließen, sondern Kolonien gegründet haben. Sie definierten sich aber nicht über ihr Territorien, sondern über ihre Mitglieder. Zwischen den poleis entstanden Handel und Reisen. Politisch eingebunden war man jedoch nur in der häuslichen Gemeinde, wobei jeder für die polis verantwortlich war, so Meier. Der Drang zur Homogenität (Gleichheit) war stark, alles was sich absonderte wurde gering geschätzt. Keine Abstraktionsfähigkeit war möglich. Die Frauen hatten beispielsweise in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, auch grenzte sich die Oberschicht nicht am Standesdünkel ab.

Kontakte zu orientalischen Kulturen brachten mit neuen Erfahrungen auch neue Bedürfnisse, die zwangsläufig wiederum zu Konflikten führten. Doch die polis setzte sich immer wieder durch, sei es durch Zurückstecken der Oberschicht oder das Gegengewicht der Oberschicht. Vertreter von Ratsherrn durften nur zweimal hintereinander gewählt werden und später nicht mehr als zweimal im Leben Ratsherr sein. Hier wurden nicht nur politische Institutionen und Regeln festgelegt, sondern eine ganze Kultur war im Entstehen.

Meiers These nach liege die Freiheit in der neuen Konsolidierung in das, was sich damals als griechische Kultur herausgebildet hat. Nach dem Konflikt mit den Persern entstand schließlich die Demokratie, obwohl die breite Bürgerschaft zunächst nur eine Gegenmacht zur Obrigkeit gebildet hat. Die Demokratie wurde zur Volksherrschaft ausgebaut. Schon Sokrates wunderte sich mit wie wenig Bildung man Politik machen konnte, erzählt Meier verschmitz weiter. Den Freiheitsbegriff in der polis definiert Meier als Eigenschaft derer, die sich Zusammengeschlossen haben, Verantwortung zu tragen. Es bestand Religionsfreiheit, frei von Geschlecht und Familienbildung. Die polis bildete den besten Ausgangspunkt einem Volk Sicherheit zu vermitteln, schwärmt Meier weiter.

In der Spätantike erlebte die polis einen langsamen Niedergang, da sich das römische Reich auf die bereits nur mehr halbautonomen poleis stützten. Die islamische Expansion führte zum endgültigen Untergang.

Im Gegensatz zur polis war das alte Rom mit Herrschaftssymbolen ausgestattet. Typisch für die römische Politik waren die Patrizier, die den späteren Adelsstand und einen geschlossenen Kreis von Geschlechtern bildeten. Gebunden in ihrem Stand waren sie Mitglieder der einzelnen Häuser und nicht der Gemeinschaft. Sie waren verantwortlich für Ämter und Götter. Dies erzeugte einen Konflikt. Die Plebejer (Bauern und Handwerker) bildeten das concilium plebis.

Meier ging noch eine Weile auf das römische Herrschaftssystem der gemeinsamen Führung der Plebs und Patrizier ein und beendete seinen Vortrag mit dem Hinweis, dass sich unsere Entwicklung seit der Antike stark verändert hat. Viele Einflüsse waren notwendig um das Europa von heute entstehen zu lassen.

LitGes, September 2010

Mehr Kritiken aus der Kategorie: