14. Philosophicum Lech - 4. Tag: Michael Köhlmeier. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler
REIF FÜR DIE INSEL

 

OHNE STAAT.
TRAUM UND ALBTRAUM DER DICHTER.
Michael Köhlmeier

26.09.2010, 11.30 Uhr
Neue Kirche, Lech am Arlberg

 

 
 

Wiederum war es anfangs Daniel Defoes Robinson Crusoe, der für die Bildung oder die Sehnsucht nach einem Staat und somit einer geordneten Lebensweise analysiert wurde.
Daniel Defoe entwickelte sozusagen einen literarischen Gegenentwurf zu der 1713 von Richard Steele verfassten Robinsonade des Seemannes Selkirk.
Robinson Crusoe sah bereits die Zivilisation als notwendig. Wer dies wie der Wilde Freitag nicht einsieht, kann oder muss bekehrt werden. In Wirklichkeit, so Köhlmeier, ist Robinson der Kannibale, der den anderen zwangsbeglückt. Robinson Crusoe erreicht nach 28 Jahren auf seiner einsamen Insel England, jedoch erfreut die Zivilisation ihn nicht endlos, denn die Unruhe treibt ihn wie Odysseus, der 20 Jahre fern der Heimat war, wieder weg aus dem geordneten Leben.
Im Film „Herr der Fliegen“, in dem die Triebe überhand nehmen, und im Roman „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad erweist sich jedoch die Zivilisation als nicht resistent.
Robert Louis Stevenson hat eine Metapher gefunden, das Böse nicht siegen zu lassen, indem er seinen Mr. Hyde, der aus dem guten Dr. Jekyll heraus sich entwickelt, im Tode verschwinden lässt. Nur das Gesicht des Dr. Jekyll erscheint als Todesantlitz. Eine Erlösung im christlichen Sinne ist dies jedoch nicht. Der Staat dürfte nicht genügen.
Den Wahrheitsgehalt Goethes Zitates: „Es ist besser, es geschehe dir Unrecht, als die Welt sei ohne Gesetz“ kann man an der Erzählung „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad ermessen oder eben auch nicht. Hier im hinteren Kongo stößt ein Elfenbeinjäger auf die Barbarei in ihm selbst und erhebt sie zur falschen Legitimation seiner brutalen Staatsform, also siegt die innere Wildnis der Lüge und des Selbstbetruges über die Zivilisation, die eigentlich auch nur Betrug und Hülle darstellt.
Interessant wäre noch eine Analyse des utopischen Romans „Die Wand“ von Marlene Haushofer oder ähnlicher neuzeitlicher Werke gewesen.
Der Albtraum des Dichters oder Lesers an einem Zuviel an Staat hätte ja auch an George Orwells „1984“ oder an moderneren Werken abgehandelt werden können. Aber dies könnte ja vielleicht zur Grundlage eines weiteren Vortrages werden.

LitGes, September 2010

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