15. Philosophicum Lech - 2. Tag - Dieter Thomä. Rez.: Eva Riebler
Eva Riebler
DAS GETRIEBENSEIN ERGIBT EINEN MANGEL AN HAPPINESS, DAS SIND JEDOCH GLÜCKSQUELLEN
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15. Philosophicum Lech
GLÜCK 1776
Dieter Thomä
Freitag, 23.09.11, 11.00 Uhr
Neue Kirche Lech am Arlberg
Dieter Thomä (geboren 1959) ist Professor für Philosophie an der Universität St. Gallen.
Was ist Glück, was ist Unglück? Was ist der Baustoff unserer Fantasien vom Glück? Ist glücklich, wer die Not beseitigt? Ist jeder seines Glückes Schmied? Falsch ist jedenfalls, dass man das Glück wie ein Handwerk lernen kann! Der Weg liegt zwischen technischer Machbarkeit und liberaler Freistellung.
Eine besondere Nahtstelle war der 4. Juli 1776, der Tag der Unabhängigkeitserklärung der USA. An dem Thomas Jefferson formulierte: ...dass alle Menschen „mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind, dass dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören.“ Jefferson nahm John Lockes Kurz-Formel „Life, Liberty, and Proberty“. Er liebte zwar das Eigentum, nahm jedoch statt „Proberty“ the „pursuit of happiness“, das Streben nach Glück in die Unabhängigkeitserklärung hinein. Es hat sich jedoch eingebürgert, in Jeffersons Glücksbegriff eine Spannung zwischen Privatinteressen und Gemeinwohl zu sehen. Nach der wir wohl die Wahl zwischen Raffhand und pädagogischem Zeigefinder haben.
Fest steht: Glück kann man trotzdem nicht einklagen, auch wenn es in der Verfassung verankert ist. Es ist zwar Wohlfahrt, die von der Verfassung angestrebt wird, aber Wohlergehen ist wieder etwas anderes.
Der liberale Strang führt zum Individualismus des 19. Jhdts. und weiter zum „self-made man“ und zur Selbstbedienungsmentalität der Gewinnmitnahme unserer Tage. Auch ein Kurzschluss, der unser Leben prägt, ist der, dass Volltrunkenheit ein Recht sei. (Urteil von 1909)
Arendt wehrt sich dagegen, dass man zwischen glücklosen Zuständen des Mangels und denen der Fülle hin und her pendelt. Mit Oscar Wilde lautet dies, wie folgt: “In this world there are only two tragedies. One is not getting what one wants, and the other is getting it.”
Glück ist jedoch nicht Bedürfnisbefriedigung. Es gibt ja noch das Gemeinwohl. Die Tugend der Frau nach Smith ist die „humanity“= „Menschlichkeit“, die des Einfühlens, des Mitgefühls und die des Mannes ist die „generosity“, die Tugend des Edelmutes (nach Aristoteles: Seelengröße, Hochsinn).
Fazit (z. T. mit Oscar Wilde): Zu den Glücksquellen gehört das Mitwirken an einer gemeinsamen Sache, die Sympathie im Sinne der Erfahrung einer Abweichung, der sozialen Differenzierung und nicht die Sympathie als Mitleid. Man sollte mit der Gesamtheit des Lebens sympathisieren, nicht nur mit den gebrechen und Krankheiten, sondern mit des Lebens Freude, Schönheit, Kraft, Gesundheit und Freiheit. Es gehört das Streben nach Selbstüberwindung, das individuelle Streben, das Vorankommen, das Bestehen von Herausforderungen zu den möglichen Quellen. Glück ist jedoch nicht im Stress des Konkurrenzkampfes und des Kampfes um Positionen zu finden.