Ragnar Helgi Ólafsson: Denen zum Trost, die sich in ihrer Gegenwart nicht finden können. Lieder/Texte.Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler-Übleis
Dicht – hinter den anderen Lauten – Gedanken, Träume, Wahrheiten …

Ragnar Helgi Ólafsson
Denen zum Trost, die sich in ihrer Gegenwart nicht finden können. Lieder/Texte
2015 Reykjavik, übers. 2017, Nettetal: Elif-Verlag
978-3-946989-02-8

Dieses Werk beinhaltet keine anschauliche Lyrik/Epik, sondern über 60 Sprachminiaturen, lyrische Texte in Dichtersprache, die die Stille durchbricht. S. 21 schreibt Ólafsson unter dem Titel Dichtersprache: Ich möchte mit dir in einer Dichtersprache sprechen. / ohne die Stille zu durchbrechen. / Es ist nicht schwierig, wie es klingen mag: / Es ist nur so, als zöge man ein Kristallglas / an einem Wollfaden / über / einen steinübersäten Strand.

Ólafsson reflektiert viele Wünsche und Gedanken und erweitert das Bewusstsein. z.B. S. 119 geht es in Seifenblase um die Oberfläche, die unglaublich ist. Und so lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Beschaffenheit der Seifenblasenhaut und macht die Trennung von dem, was innen und dem was außen ist, erst bemerkbar.
Er denkt/formuliert nuancenreich und überrascht stets: z.B. Ein Psalm als unabdingbare Liebeserklärung. Ich möchte „dir in die Augen schauen/ und nur alleine sie sehen, ohne dass sich das Bild von mir in ihnen spiegelt. … um mich an mich selbst nicht mehr erinnern …“

Der Autor ist in Reykjavik geb., stud. Philosophie an der Uni von Island, Filmregie an der NY Film Academy und in Frankreich, wo er auch Kunst studierte. Er betreibt den Mond Verlag und gab neben zahlr. Publikationen einen eigenen Roman und Kurzgeschichten sowie Gedichte heraus. Dieser Band bekam den Tómas-Gudmundsson-Poesie-Preis.
Vielleicht ist es die Einsamkeit, die Kälte oder das besondere Licht, dass viele Einwohner Islands zu Büchern/Erzählungen oder wie Ólafsson zu Schreibutensilien greifen lässt, um so intensiv über das Dasein oder das nächste Leben zu reflektieren. 

Seit der Schriftsteller Halldór Laxness 1955 den Nobelpreis für Literatur bekam, ist Island, prozentuell gemessen an der Bevölkerungsdichte, das Land mit der höchsten Quote an Literatur-Nobelpreisen und eventuell auch an Lesern. Dieses Werk ist es ganz sicher wert, zum Leserkreis Ólafssons zu zählen!