Geschichten aus dem Horváth-Land. Rez.: Eva Riebler-Übleis

Eva Riebler Übleis
Man ist zu guter letzt ein Mensch

Geschichten aus dem Horváth-Land

Basierend auf Texten von Ödön von Horváth
Premiere 8.5.14 Werkstattbühne LTh St.P.

Bürgerproduktion 2.0

Von und mit: Karin Dunky, Georg Erd, Robert Fallenstein, Andrea Fiedler, Doris Figl, Alois Gassner, Ulrike Gassner,  Astrid Krizanic-Fallmann, Friederike Meyer, Stephan Pfister, Ulrike Schertling, Caroline Schindele, Sigrid Zuser
Regie: Renate Aichinger

Letztes Jahr gab es für die Bürgerproduktion „Am Zug“ ein Alterslimit. Heuer war die Teilnahme unbeschränkt und vor allem die Weiblichkeit eroberte die Bühne und die Texte von Ödön von Horváth. Jeder Schauspieler hatte nicht nur an die 34x Probe sondern auch Hunderte von Seiten zu durchkämmen, um die für ihn stimmigen und passenden Textpassagen oder auch nur Zeilen herauszulösen. Eine intensive Arbeit, bei der man auch sich selber kennen lernt! Was passt zu MIR, was kann ICH verkörpern?! Der Einzelne sollte nicht in eine fremde Rolle schlüpfen, sondern sie aus seinem Wesen her begreifen und ausfüllen. Und – ach ja, so nebenbei - auch spielen und darstellen können!

Die Energie erlahmte bei den zahlreichen Proben vielleicht zeitweise! Nicht jedoch der Ernst und der Spaß an dem Entstehen eines neuen Stückes, das bestehend aus vielen Horváth-Zitaten sich neu gefügt hat. Unter der Regie von Renate Aichinger/Wien Burgtheater und der Assistenz von Gabrielle Erd und Karin Schweinzer aus Langenlois und Hofkirchen gelang dies Schritt für Schritt. Keine vorgefassten Texte waren auswendig zu lernen, sondern die eigene Beschäftigung mit Autor, Stücken und der Essenz von seinen Aussagen galt es zu verkörpern.

Da Eigeninitiative eingebracht werden konnte, war auch die Eigenverantwortung umso größer.

Was bei soviel Wollen und Tun herauskam, war einfach gelungen und niveauvoll! Die Energie hat sich gelohnt! Die Aussagen und Pointen waren gekonnt gespielt und inszeniert. Die Figuren und ihre zwischenmenschliche Problematik kamen mit wenig Wortmaterial aus. Jeder Satz saß! Die Wortlosigkeit wurde zum Stilmittel!

Auch durch die Sparsamkeit der dramatischen Mittel (ein Dank an die Regie!) wurden die Figuren und Aussagen umso dichter. Die dichteste und undankbarste (weil - wie der arbeitslose Trinker Kasimir - meist stumm) Rolle war die stoische Figur der Träumerin, Beobachterin und Zuhörerin Friederike Meyer: Solange wir uns nicht aufhängen, werden wir nicht verhungern! -Eure Ehe ist ein gordische Knoten, und da gibt’s nur eine Lösung! - Wer kann wissen, was noch alles kommt!

Die BürgerInnen als Figuren der Allein-Gelassenen, Liebenden, Unfolgsamen  und Sehnsüchtigen suchten sich aus Horváths stets pessimistischen Texten einzelne Zeilen und  philosophische Aussagen wie: Wir suchen das Glück, und finden nur Elend und Tod! - Es gibt einen Gott, aber er hilft nur hie und da! – Ein Ziel ist etwas Erstrebenswertes! – Wir Menschen haben eine unsterbliche Seele! – Alles hat ein End! – Ein Fremder gehört nirgends hin! Eine nicht unbedingt emanzipatorische aber umso denkwürdigere Aussage einer Heurigenbesucherin sei noch unbedingt überliefert: Wir Frauen haben ja auch ein Hirn, auch wenn es nicht immer im Kopf sitzt!

Von Karin Dunky als ältere Ehefrau und gescheiterte Liebhaberin kamen die einsichtigen Worte: Eigentlich bin ich ganz anders. Ich hab nur keine Zeit dafür!

Das Reservoir der Zitate kann den aufmerksamen Theaterbesucher den ganzen Tag begleiten!

Zur Aussage: Steht man in der Finsternis, fällt einem alles ein, was man besser hätt` machen können!, sei gesagt:

Nichts hätte man bei dieser Bürgerproduktion besser machen können!

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