Landestheater NÖ, Sommergäste von Maxim Gorkij. Rez.: Eva Riebler-Übleis
Eva Riebler-Übleis
Von der Dekadenz und übertriebenen Anforderungen an die Schriftsteller.
Landestheater NÖ 24.04.15 gr. Haus – Premiere
Sommergäste
Maxim Gorkij
Aus dem Russischen von Ulrike Zemme
Regie Michael Sturminger
Mit Karl Walter Sprungala, Franziska Hackl, Lisa Weidenmüller, Pascal Gross, Michael Masula, Marion Reiser, Michael Scherff, Swintha Gersthofer, Tobias voigt, Alexander Tschernek, Beatrix Doderer, Johanna Wolff, Helmut Wiesinger, Jan Walter, Andreas Gaida.
Jeder denkende Mensch findet das Leben als eine Tragödie, so der Autor Maxim Gorkij. Er will mit diesem Jahrhundertwende-Stück zeigen, dass die Gebildeten mit Wurzeln im einfachen Volk, bzw. die Bourgeoisie, die Aufgabe hat, an Gesellschafsverbesserungen zu arbeiten. Vor allem der Dichter ist es, der politisch vorausgehen und nicht romantische Gedichte schreiben soll, die im Sumpf des Daseins versickern. In dieser Aufführung von „Sommergäste“ verdeutlicht die Regie, dass diese hehren Anforderungen für so genannte Intellektuelle, die Kinder von Händlern, Kaufleuten oder Beamten sind, in Enttäuschungen münden müssen. Die Schauspieler verdeutlichen hervorragend die Kraftlosigkeit der Jahrhundertwende, obwohl sie vielleicht vor innerer Kraft (wie der Arzt Akimowitsch/M. Masula und der Ingenieur Iwanowitsch/M.Scherff) oder vor Intelligenz (die Ärztin wna/B. Doderer) nur so sprühen. Der Dichter Petrowitsch/T. Voigt drückt die Aussichtslosigkeit so aus: Die Leute treiben dahin wie Eisschollen im Polarmeer. Die faconlose, blasse, junge Dichterin Kalerija/ L. Weidenmüller (ganz großartig!): Man müsste Mensch werden, greifbar! In mir wächst die bleierne Wut. Ich will nicht lieben und werde als schrullige, alte Jungfer sterben! Die intelligenten Akademikerfrauen sind sich der Opfer ihrer Mütter, die das Studium erarbeiteten, bewusst und wissen, dass deren Leben sinnvoller war. Sie schämen sich für ihr Leben. (hervorragend von B. Doderer und F. Hackl dargestellt). Helmut Wiesinger und Jan Walter loten gekonnt ihre Rollen aus. Auf der Bühne für ihre großartigen Leistungen zu bewundern sind wirklich alle, z.B. u.a. eine äußerst bemerkenswerte Marion Reiser als zwiespältige, einmal dominant dann durchaus wohlmeinende, Ehefrau oder herausragend Pascal Gross als ein in sich gespaltener Charakter, der sich als kleiner Narr oder vielmehr Clown tarnt, um der schmählichen Tatenlosigkeit und Sinnlosigkeit dieses Lebens auf der sommerlichen Datschka zu entgleiten. Er spielt überzeugend der wahren Liebe fähig zu sein und nicht wie Sergejewitsch/A. Tschernek Liebe zu verwechseln mit wehleidigem Geschwafel und rührseligem Betteln um Mitleid.
Eine spannende Aufführung, die tatsächlich in Wort und Gestik das ausdrückt, was Gorkij vielleicht damals für ein Stück der Jahrhundertwende, vor der Revolution, wollte und durch die starke Präsenz der Schauspieler den Spagat zum Heute schafft!. Die Leistungen sind drei Stunden lang stets herausragend, kraftvoll und dynamisch!
LitGes, im April 2015