Landestheater NÖ: Rechnitz (Der Würgeengel), 17.05.2017. Rez.: Cornelia Stahl
Cornelia Stahl
Rechnitz (Der Würgeengel)
Gastspiel in Kooperation mit dem Thomas Bernhard Institut der Universität Mozarteum Salzburg.
Landestheater Niederösterreich, Werkstattbühne. 17.05.2017
Erinnerungskultur – getanzt in bunten Kleidern
Die Mieder sind geschnallt. Und Kleider leuchten in rosa, gelb und grün, drehen sich wie wild im Kreise, Sekt fließt in Strömen. So könnte es gewesen sein, damals, in der Nacht des 24./25. März 1945, in Rechnitz, im Burgenland, mitten in einer landschaftlich wundervollen Gegend, feierte Gräfin Margit von Batthyany, Thyssen-Enkelin, auf ihrem Schloss in Rechnitz mit SS-Offizieren, Gestapo-Führern und Nazi-Kollaborateuren ein rauschendes Fest. Um Mitternacht ließ sie 200 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter erschießen. Nach Kriegsende verschwinden Täter und Beweismaterial. Die katalanische Regisseurin Alia Luque ( 2016 inszenierte sie Grillparzers „Das goldene Vlies“) hat Jelineks Text Rechnitz (Der Würgeengel) für die Werkstattbühne bearbeitet. Statements von Verleugnung und kognitiver Distanz fliegen wie Papierkügelchen durch die Luft, dialogisch, den Zuschauer/innen direkt an den Kopf, provozieren und konfrontieren mit den Geschehnissen jener Nacht, stellen Bezüge zur Gegenwart her, fragen direkt nach Schuld und Verantwortung. Poppige Musik und gelangweilte Tänzer steigern sich sukzessive hinein in den Rausch, bis hin zur Extase. Ausgeteilt an das Publikum werden Knallerbsen, die die Stimmung anfeuern. Und wer ist bereit- für, was weiß ich für Taten? Und wer war dabei? Wer hat mitgespielt in diesem (Macht) Spiel?
Ein eindrucksvolles Schauspiel über Fragen nach Verantwortung Mittäterschaft und Macht! Stehender Applaus für eine überzeugende Performance der Darsteller/Darstellerinnen des Thomas Bernhard Institut der Universität Mozarteum Salzburg!