Gabriele Glang: Göttertage. Rez.: Wolfgang Stock
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Wolfgang Stock
Gabriele Glang:
Göttertage
Gedichte
Tübingen: Klöpfer & Meyer
2017, 96 Seiten
978-3-86351-459-4
Biographisches Dichten: Was für eine glänzende Idee! Eine Dichterin versetzt sich in die Malerin Paula Modersohn-Becker, als sie in den Jahren 1906/07 Worpswede und ihren Gatten Otto Modersohn verlässt, um in der Kunstmetropole Paris ihre persönliche und künstlerische Freiheit zu entdecken.
Die Deutsch-Amerikanerin Gabriele Glang, selbst auch Malerin, legt mit „Göttertage“ ihr deutschsprachiges Lyrik-Debüt vor. Aus unzähligen Briefen, Zitaten, Tagebuchaufzeichnungen von P. Modersohn-Becker hat sie ein, wie sie sagt, „Destillat“ gebildet: sie spricht die Gedanken, Sorgen, Empfindungen einer Frau aus, die aufbricht, um einen eigenen Weg zu finden, den einer Künstlerin, die sich selbst als erst noch Werdende begreift.
In Paris trifft Paula Modersohn-Becker Künstlerfreunde, schult ihren Blick, arbeitet exzessiv, hat eine Affäre. Hier reift sie zu einer der bedeutendsten Malerinnen des frühen 20. Jahrhunderts heran. Es sind ihre Göttertage. Nach einem halben Jahr kehrt sie wieder zu ihrem Mann und nach Worpswede zurück, wo sie noch 1907, wenige Tage nach der Geburt ihres gemeinsamen Kindes stirbt.
Gabriele Glang bleibt – und das ist ihre Kunst – ganz nah an der Realität. Sie lässt all diese Situationen erfahrbar werden, wie Paula Modersohn-Becker sie selbst hätte beschrieben haben können. Ihre Worte wirken umso intensiver, je mehr sie sie aus sich selbst heraus klingen lässt. Manchmal hätten sie vielleicht noch eine Spur metaphorischer sein dürfen. Den Höhepunkt bildet das Gedicht, in dem P. Modersohn-Becker als Geist auf den Nachruf antwortet, den Rainer Maria Rilke unter dem Titel „Requiem. Für eine Freundin“ tatsächlich für sie geschrieben hat: Es ist die Emanzipation einer Frau in einer Männer-dominierten Welt und die einer Künstlerin, die sich gleichberechtigt mit einem Rilke auf eine Stufe stellt.
Das Buch enthält neben 32 mit Bedacht angeordneten Gedichten ein recht umfangreiches Vorwort von Sibylle Knauss, und hat es in sich: eine facettenreiche, ja, Biographie.