Barbara Frischmuth: Verschüttete Milch

Cornelia Stahl

Barbara Frischmuth:
Verschüttete Milch.

Roman,
Berlin: Aufbau-Verlag, 2019
286 Seiten
ISBN: 978-3-351- 03710-9

Zurück in die Vergangenheit. Die kosmoplitische und in vielen Welten beheimatete Autorin Barbara Frischmuth begibt sich in ihrem aktuellen Roman noch einmal zurück an den Ort ihrer Kindheit, er erinnert an das Aufwachsen im elterlichen Hotelbetrieb. Es ist die Landschaft des Salzkammergutes, mit der sie eine Nähe verbindet. Und es sind wiederkehrende Motive des Wassers, die in ihre Texte einfließen. Ebenso ihre Haltung gegenüber autoritären Auffassungen und Machtfiguren. Im Subtext schwingt Auflehnung gegen Rassismus, Intoleranz und dem Verleugnen der eigenen Geschichte mit.
Bereits im Romandebüt „Die Klosterschule“ (1968) ist eine Institutionenkritik erkennbar, die im aktuellen Roman erneut als Motiv aufgegriffen wird: „Das Internat war ein Hemd, das Juli an- und ausziehen konnte.
Ein straffes Hemd, das ihre Bewegungsfreiheit einschränkte.“ (S.220). Dem straffen Regelwerk, dem die Zöglinge unterworfen waren, stehen Angebote gegenüber, die versuchen, Strenge und Brutalität zu kaschieren. Theater und Bibliothek als Orte der Freiheit. „Für jede Note gab es ein aufklebbares Herz“. (S.221).
Aber auch von Problemen (finanziellen), die bis heute allgegenwärtig sind, erfahren wir. Als Juli am letzten Schultag ihr Zeugnis nicht ausgehändigt bekommt, erfährt sie vom unbeglichenen Internatsgeld.
Frischmuth gelingt es, Kindheitserinnerungen aus Kriegstagen mit gegenwärtigen Problemlagen zu verknüpfen, sodass den Lesenden ausreichend Identifikationsfläche angeboten wird. Ein Stück Zeitgeschichte, etwa die unliebsame Begegnungen mit Faschisten im Hotel, lässt die Autorin einfließen. Figuren wie Dr. Abendroth schaffen Vertrautheit nach unzähligen Verlusten, die Juli nach Kriegsende verzeichnen muss.
Barbara Frischmuth, 1941 geboren in Altausse (Stmk.), studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik.
Unbedingte Leseempfehlung!

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