Anton Kolig: Ich male in großer Not. Rez.: Gertraud Artner

Gertraud Artner

„Trotzdem Kunst“ im Leopold Museum 8.5.14
ANTON KOLIG:  ICH MALE IN GROSSER NOT

Hundert Jahre nach dem tödlichen Attentat in Sarajevo richtet die Schau „Trotzdem Kunst“ im Leopold Museum den Fokus auf die Weltkriegsjahre 1914 bis 1918. Auch wenn die Sammlung Leopold bislang unter dem eher nostalgischen Label „Kunst um 1900“ wahrgenommen wurde, bestätigt sich, dass kaum ein anderes Museum prädestinierter ist, sich dieser Thematik anzunehmen.Zu sehen sind insgesamt zirka 280 Objekte, 130 Werke davon von öffentlichen und privaten österreichischen und internationalen Leihgebern.

Doch wie soll man einen Krieg ausstellen? Gleich zu Beginn der Pressekonferenz stellte Elisabeth Leopold, Direktorin und zugleich eine der drei Kuratoren der Präsentation, klar: „Es ist eine Antikriegsausstellung.“ Wenn die BesucherInnen in das Untergeschoss des Museums hinabsteigen, finden sie sich quasi zum Auftakt drei monumentalen Werken von Albin Egger-Lienz gegenüber: eine Fassung des „Totentanz“, „Nordfrankreich 1917“ und das dem Grauen des Krieges ein abschließendes Mahnmal setzende „Finale“. Unweit dieser zutiefst verstörenden Bilder zieht das „Selbstbildnis, eine Hand ans Gesicht gelegt“ (1918) von Oskar Kokoschka die Aufmerksamkeit auf sich. Nach schweren Verwundungen des Künstlers entstanden, widerspiegelt kaum ein anderes Gemälde deutlicher die traumatischen Kriegserlebnisse, Angst und Verzweiflung, aber auch Unsicherheit für das zukünftige Geschick. Dabei ist festzuhalten, dass – wie viele der zeitgenössischen Künstler damals- sowohl Egger-Lienz als auch Oskar Kokoschka voll Kriegseuphorie sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatten und erst im Verlauf des Krieges einen drastischen Sinneswandel durchmachten.

 

Der ursprünglichen Kriegsbegeisterung trägt auch das Ausstellungsplakat Rechnung. Das Bild ist dem Umschlag der Zeitschrift „Der Ruf“  entnommen und zeigt ein Selbstporträt Egon Schieles, das durch blutrote Farbe entfremdet wurde. Die Beiträge des Heftes unterstreichen die gewaltverherrlichende Haltung eines Teils der Frühexpressionisten. Kurator Stefan Kutzenberger: „Das Themenheft Krieg vom November 1912 sieht einen potentiellen Krieg deshalb auch nicht als alles vernichtende Katastrophe, sondern als reinigende Möglichkeit eines Neuanfangs.“

 

„Trotzdem Kunst“ fokussiert auf drei Künstlerpersönlichkeiten, zu denen jeweils ein biografischer Auszug der Kriegsjahre geliefert wird:

Albin Egger-Lienz, der sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte, aber schon bald wegen Herzbeschwerden entlassen wurde. Als offizielles Mitglied der Kunstgruppe im k.u.k. Kriegspressequartier malte Egger-Lienz 1916 an der Südfront, später nur mehr im Atelier. Der Krieg wurde zu einem einschneidenden Erlebnis für sein künstlerisches Schaffen, er gilt zurecht als der beeindruckendste Kriegsmaler des 20. Jahrhunderts.

Anton Kolig, der sich bei Kriegsausbruch in Südfrankreich befand und auf eigene Faust über Italien zurückschlug. Ab 1916 als Kriegsmaler an der italienischen Front tätig,wurde er 1917 in das Kriegspressequartier nach Wien versetzt. Doch abgeklärt nach Angst und Not musste er erkennen, dass sich das Ergebnis seiner Arbeit nicht als Propagandakunst eignete.

Egon Schiele, dem Fronterlebnisse zwar erspart blieben, der aber trotzdem am Soldatendasein leidete. „Ich bin nun Soldat und habe die 14 schwersten Tage meines Lebens hinter mir“, schrieb er  während der Ausbildung. Im Zuge seines Militärdienstes malte Schiele Porträts russischer Kriegsgefangener ebenso wie Vorgesetzte. Gegen Ende des Krieges sollte er noch seinen bis dahin größten Erfolg, eine Einzelausstellung im großen Mittelsaal der Secession, erleben, bevor ihn ein halbes Jahr später die Spanische Grippe im Herbst 1918 dahinraffte.

 

Der Ausstellungstitel ist zweifelsohne mehrdeutig zu verstehen. Neben einer Fülle von Antikriegsbildern verweist die Schau in einem (zu) knappen Segment auch auf das propagandistische Wirken des Kriegspressequartiers. Kunst als Propaganda also. Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass der Kunstbetrieb auch während des Krieges nie stillstand. Umfangreiche Ausstellungen wurden organisiert, Aufträge vergeben und Bilderkäufe in die Wege geleitet. Nicht zuletzt sollte dadurch wohl auch die Vitalität der zerfallenden Monarchie unter Beweis gestellt werden. In diesem Zusammenhang unterstreicht Elisabeth Leopold die Bedeutung der Kunst für das Leben der Menschen in Kriegszeiten: „Die bildende Kunst blühte während des Krieges weiterhin, es gab Ausstellungen, Theater, Film und gesellschaftliches Leben. Es schien wichtig, dass neben den Schrecken und Grausamkeiten an den Fronten sowie Hunger und Elend im Land, sozusagen „trotzdem“ ein reiches kulturelles Leben bestand.“

Als herausragendes Ereignis, mit dem sich auch die Präsentation im Leopold Museum ausführlich beschäftigt, ist die „Österreichische Kunstausstellung“ in Stockholm 1917 zu nennen. Von Josef Hoffmann organisiert, wurden damals über 600 Objekte von höchster Qualität gezeigt, die einen beeindruckenden Querschnitt durch das österreichische Kunstschaffen jener Zeit darstellten. Gustav Klimts Meisterwerk „Tod und Leben“, das er 1915/16 nochmals überarbeitete, war in Stockholm ebenso zu sehen, wie Egon Schieles thematisch verwandtes Gemälde „Entschwebung“ (1915). Diese Gegenüberstellung wird im Leopold Museum nachvollzogen.

 

Eine zusätzliche Aufwertung und Bereicherung erfährt die Ausstellung durch den lobenswerten Versuch, Bezüge zum Heute herzustellen. KünstlerInnen aus den ehemaligen Frontstaaten Italien, Rumänien, Russland und Serbien wurden eingeladen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Kurator Ivan Ristic: „Die Ausstellung verzichtet auf belehrende Schlussworte. Stattdessen wird der Versuch unternommen, einen diskursiven Konnex zur Gegenwart herzustellen.“ Besonders beeindruckt die vor Ort entstandene Arbeit der aus Rumänien stammenden Künstlerin Racula Popa, die auf Thomas Manns „Zauberberg“ zurückgreift. „Der Kriegsausbruch als böses Erwachen in einem Niemandsland der Gefühle“ wird in eine Wandzeichnung übertragen. Nicht weniger überzeugend die Fotografien der Italienerin Paola de Pietri, in denen sie die Topographie der karstigen Landschaft rund um den Isonzo erkundet, wo einst die blutigen Schlachten tobten. Schützengräben, Krater und Felsverstecke sind hier wie Narben in die malerische Gegend eingebrannt. Der in Moskau lebende Künstler Dmitry Gutov hingegen stellt Lenins Aussage „Die revolutionäre Klasse kann in einem reaktionären Krieg nicht umhin, die Niederlage ihrer eigenen Regierung zu wünschen.“ in den Mittelpunkt seiner Reflexionen. Der Chronologie der Kriegseintritte folgend, zeigt er diesen Satz in den Sprachen all jener Länder, die am Ersten Weltkrieg beteiligt waren.

 

„Trotzdem Kunst“ ist bis 15. September im Wiener Leopold Museum zu sehen. Der Katalog zur Ausstellung (Brandstätter Verlag) kostet 29,90 €.   

 

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