Art faces. Rez.: I. Reichel

Ingrid Reichel
DIE NEUGIERDE AUF DEN MENSCHEN HINTER SEINEM WERK

 

 
   
 
ART FACES
Künstlerporträts aus der Sammlung Würth
Art Room Würth Austria (Böheimkirchen, NÖ)
Eröffnung: 22.02.10
Ausstellungsdauer: 23.02.10 – 30.05.10.

Wanderausstellung der Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall vom 25.01.03 – 29.06.03
Ausstellungskonzept und –realisation: François Meyer, C. Sylvia Weber, Kirsten Fiege

 

Zur Ausstellung erschien ein deutsch-englischer Katalog:

ART FACES
Künstlerporträts aus der Sammlung François und Jacqueline Meyer
Künzelsau: Swiridoff Verlag, 2003. 128 S.
ISBN 978-3-934350-93-3
€ 34.-

 

Das Portrait steht hoch im Kurs. Die Kunsthalle Wien und Krems haben sich vergangenes Jahr ausgiebig mit dem Thema beschäftigt. Nun zeigt auch Artroom Würth Austria eine Wanderausstellung aus dem Jahr 2003, die sich ausschließlich mit der Portraitfotografie von KünstlerInnen auseinandersetzt.

Mit dem Gesicht der KünstlerInnen hat es eine besondere Bewandtnis, waren es doch einst nur die Werke, die zählten. Alleine Selbstportraits diverser Maler aus vergangenen Jahrhunderten geben uns Zeugnis über ihr Aussehen. Mit Ende des 19. Jahrhunderts und der Erfindung der Fotografie wuchs auch das Interesse an den Personen, die die Museen mit ihren Werken füllten. Vorreiterrolle hatten diesbezüglich Picasso und Dalí. Sie erkannten die Werbewirksamkeit und wussten sich in ihrer Rolle als Künstler markstrategisch in Szene zu setzen. Dafür bedurfte es allerdings einer dritten (!) Figur: der des Fotografen. In diesem Sinne wuchsen der Künstler, sein Werk und deren Fotograf zu einer Symbiose und ein neuer Genre der Fotografie entstand: das Künstlerportrait. Dabei bedurfte es zu Beginn noch einer gewissen Intimität. Bei Picasso war das nicht schwer, hatte er doch in den 30er Jahren die Fotografin Dora Maar als Geliebte. Doch erst nach dem II. Weltkrieg, in den 1950er Jahren, konnte sich das Künstlerportrait durch die Kunstströmungen in Paris und New York voll entwickeln.

 

Wenn wir heute über Kunst reden, denken wir nicht mehr darüber nach, wie sensationell diese Entwicklung war und wie bedeutungsvoll sie für den gegenwärtigen Kunstmarkt ist. Der Künstler ist zur Kultfigur geworden und unterscheidet sich dennoch von den üblichen Berühmtheiten mit ihren Starallüren in den Adabeiszenerien. Man möchte wissen, wer sich hinter manchen Kunstwerken verbirgt. Und mit WER ist in diesem Fall nicht der Name, sondern die Person mit ihrem Aussehen gemeint. Vermutlich ist diese Neugierde nichts anderes als der Drang sich zu beruhigen, dass eben Künstlergenies auch nur Menschen wie du und ich sind. Vielleicht will manch Kunstinteressierter auch den göttlichen Funken spüren und hofft ihn in einer Fotografie zu entdecken. Was auch immer die Beweggründe sein mögen, der Mensch hat den Drang sich ein Bildnis zu machen.

Interessant an der oben genannten Symbiose der Dreifaltigkeit (Künstler-Werk-Fotograf) ist das Phänomen, dass die Fotografen meist einer jüngeren Generation angehörten und sie somit, im Vergleich zu den bereits arrivierten Künstlern, die sie ablichteten, noch nicht bekannt waren. Nur wenige schafften es zu Anerkennung und Ruhm. Die meisten blieben im Verborgenen, im Schatten der Künstler. Das Künstlerportrait selbst bleibt jedoch naturbedingt immer zeitgenössisch und hat daher einen authentischen Charakter. Bis heute dienen diese Aufnahmen oft „nur“ als Dokumentation und füllen die Archive wie eine Begleiterscheinung eines großen Œuvres.

 

Der 1953 in Genf geborene Fotograf François Meyer begann 1975 bildende Künstler aus dem europäischen und amerikanischen Raum in ihren Ateliers zu besuchen und zu fotografieren. Mayer verdankt sein Kunstgespür seinem Vater, der Sammler surrealistischer Malerei war. „80 Fotografien lagen mehr als 20 Jahre vergessen in einer Schublade“, steht im Vorwort des Katalogs geschrieben. Erst die Krebserkrankung seiner Frau Jacqueline im Jahr 1995 brachte ihn dazu, seine Sammlung durch Ankauf anderer Künstlerfotografien zu erweitern. Dahinter verbarg sich die Idee diese Sammlung später der Krebsstiftung Fondation du Centre pluridisciplinaire d’Oncologie anzubieten. Als die Firma Würth das Projekt mit der ersten Ausstellung im Jahr 2003 unterstützte, umfasste die Sammlung 250 Fotografien von 42 verschiedenen Fotografen. Wann genau die Sammlung in den Besitz der Firma Würth überging, bleibt jedoch laut Katalog und Ausstellung unbekannt. Jacqueline Meyer verstarb noch vor der Realisation der Ausstellung. Seither ist die Ausstellung als Wanderausstellung in den verschiedenen Artrooms der Firma Würth zu sehen.

 

Das älteste Foto der Sammlung stammt von August Sander mit einem Portrait von Otto Dix aus dem Jahr 1928. Die jüngsten Werke sind 1999 datiert. Alle in der Ausstellung und im Katalog gezeigten Fotografien sind schwarz-weiß Aufnahmen. Der jüngste Fotograf ist der 1968 geborene Franzose Philippe Bonan. Viele Fotografen und abgebildete KünstlerInnen sind bereits verstorben oder sehr alt.

Meyer erfasst mit seiner Sammlung ein Jahrhundert bildender Künstler von Rang und Namen: Von Hans Arp, bis Andy Warhol. Die ältesten: Ferdinand Hodler (1853-1918) von Fred Boissonas fotografiert, Pierre Bonnard (1867-1947) von André Ostier (1946), Cuno Amiet (1868-1961) von Kurt Blum (1954); die jüngsten: Jean-Michel Basquiat (1960-1988) von James van der Zee (1982), Jean-Charles Blais, geboren 1956, und Stephan Balkenhol, geboren 1957, beide fotografiert von Martin Bühler.

 

Meyer ging in seiner Sammlung weder chronologisch vor, noch hatte er das „Who is who der Kunstwelt“ im Sinne. Wichtig waren ihm die Qualität der Fotografien und die Einheit zwischen dem Künstler und seinem Werk. Dabei sammelte er auch Aufnahmen (noch) relativ unbekannter Fotografen, wie Philippe Bonan und Sebastiano Piras. Berühmte Highlights der Anfänge der Künstlerportraits wie von Man Ray, Henri Cartier-Bresson und Brassaï, fehlen völlig. Dafür kann man sich umso mehr an den Aufnahmen wiederentdeckter Fotografen, wie Michel Sima, erfreuen.

 

Fazit: eine sehenswerte Ausstellung, dazu ein sehr schön gestalteter Katalog mit einem aufschlussreichen Essay der Schweizer Kunsthistorikerin Erika Billeter über die Sammlung Meyer und die Geschichte der Künstlerportraits.

Es bleibt zu wünschen, dass Würth diese Sammlung weiter ergänzt und hoffentlich demnächst den Katalog aktualisiert, da die Daten nicht mehr zeitgemäß sind. Von der Auswahl der Fotografen im Katalog sind seit 2003 immerhin vier Fotografen und sechs Künstler verstorben.

 

LitGes, Februar 2010

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