INTERVIEW HEFT 83 Feb.21 Spiel/ Spielerisch Heftkünstlerin Edith Haider

Eva Riebler

INTERVIEW  Jänner 21

Fotokünstlerin

Edith Haider

Zu Beginn des neuen Jahres 2021, im harten dritten Lockdown, interviewte Eva Riebler die Fotokünstlerin Edith Haider aus St. Pölten. Gemeinsam saßen sie in einem netten Gedankencafeé, die Beine spielerisch übereinander geschlagen und …

 

Liebe Edith, Du hast erst mit 55 begonnen, fotografisch tätig zu werden und bist jetzt so intensiv am Gestalten von Projekten, wie der Ausstellung: „Frauen, die auf Männer schauen“ 2017/18 und der Auslagen-Serie von ausgestorbenen Geschäften und bald ganzen Straßenzügen (Linzerstr. In St. Pölten).

Mit 55 schloss ich die berufsbegleitende Ausbildung „ Angewandte Fotografie“ an der FH St. Pölten ab, aber meinen ersten Fotokurs absolvierte ich schon vor 30 Jahren.

Die Projekte sind meine Reaktion auf zahlreiche Gespräche mit unterschiedlichsten Künstlerinnen und meine persönlichen Erfahrungen zum Thema Ausstellungsmöglichkeiten für Frauen.

Aus verschiedensten Vorstellungen, Kunst im öffentlichen Raum zu präsentieren, entwickelten sich Möglichkeiten, die Arbeiten der Künstlerinnen in den Schaufenstern leerstehender Geschäftslokale

auszustellen.

 

Du sagst, das Schaufenster-Projekt ist Deine kreative Spielwiese. Welche Möglichkeiten hattest Du als Kind ausgiebig kreativ zu sein?

Das Gestalten der Auslagen ist aktuell wirklich meine nicht reglementierte Spielwiese.

Als Kind bin ich stundenlang in der Sandkiste gesessen und habe mit allerlei Naturmaterialien meine Phantasielandschaften gestaltet. ….und dann gab es da noch den großen Matadorkasten -  ohne Bauanleitung! Später habe ich gezeichnet und gemalt.

 

Woher nimmst du die spielerische Leichtigkeit so verschiedene Themen, wie Egon Schiele, Art Dance oder das Thema Präsentation oder Fleisch als ….? fotografisch zu verarbeiten?

Ich liebe Vielfältigkeit und Abwechslung. Wenn sich ein spannendes Thema anbietet, beginne ich meistens gleich meine Archive zu durchstöbern, zu fotografieren und  zu recherchieren ….dann habe ich manchmal zu viele Ideen.  Die bringe ich  beim Bergsteigen…wenn ich lange genug bergauf gehe…. auf ein umsetzbares Niveau.

 

Mit welchen Projekten bist du besonders zufrieden?

Mit meinem Bertha Suttner Projekt -  dabei sind die Fotos eher zufällig entstanden.  Anlässlich der Documenta in Kassel wurde der Parthenon aus Gerüststangen in Originalgröße nachgebaut und mit gespendeten Büchern verkleidet, die irgendwann und irgendwo auf der Welt verboten waren. Ich habe dort beim Fotografieren sehr viel experimentiert. Erst 2 Jahre später beschäftigte ich mich mit dieser visionäre Aktivistin und Denkerin.  Ihr aktives Engagement für Frieden und Dialog spricht  jeder Frau aus der Seele.

Die beiden Bilder „Phantasiereich“ sind subtil. Mit einem humorvollen Augenzwinkern möchte ich andeuten, dass wir Frauen nicht alle erotischen Phantasien tatsächlich erleben wollen. Die Zutaten für diese Collage sind exquisit: Die Dame ist Gala, Muse und Ehefrau von Salvador Dali. Der Mann trägt eine Kreation von Jean Paul Gaultier.

 

Momentan arbeitest Du an einer Serie für eine Jugendstilausstellung um diese Architektur der Stadt St.P. besonders hervorzuheben. Das ist natürlich mit Information, mit Kopfarbeit verbunden.

St. Pölten hat wirklich eine erstaunliche Anzahl geschmackvoll renovierter Jugendstilgebäuden und Villen. Mich interessieren allerdings verfallene oder zum Teil architektonisch „verschandelte“  Objekte mehr. Sie lassen mir mehr kreativen Spielraum.

 

Wie würdest Du zum Unterschied Fotoserien für Kinder gestalten?

Auweh….da bietest du mir ja schon wieder eine neue „ Spielwiese“ an. Fotoserien für Kinder müssen aus meiner Sicht unbedingt lustig sein und etwas Gefährliches oder Geheimnisvolles beinhalten.

 

Sind Kinder an laufende Bilder so gewöhnt, dass sie die Ruhe zum Betrachten von künstlerischen Fotoserien, wie Du sie machst, nicht haben?

Kinder setzt man vor laufende Bilder, wenn man gerade keine Zeit für sie hat. Sie fordern - schauen zu dürfen – geschickt ein.

Mein Enkerl schaut sich meine Fotos nur an, wenn sie den zuvor genannten Kriterien entsprechen, bzw. wenn sie besonders bunt sind. Einen Großteil meiner Serien kann ein Kind nicht erfassen.

 

Ein harmonisches Bild beeindruckt rasch, aber wird vielleicht auch bald als Kitsch bezeichnet. Sollen Fotos Ecken und Kanten, einen Witz enthalten, z.B. eine geöffnete Banane, die einen Kaktus im Inneren als Frucht zeigt?

Ein technisch perfektes Bild mit einem schönen Motiv hat man mit einem Wimpernschlag erfasst.

Wenn ein Foto länger betrachtet wird, ist es gut. Sehr gut ist es, wenn es den Betrachter zum Nachdenken anregt oder ihn sogar zum Schmunzeln verleitet.

 

Hat die analoge Fotografie Deiner Meinung nach noch Berechtigung ausgestellt/prämiert zu werden? Sind nicht in der Fine Art Fotografie alle bisherigen Regeln außer Kraft gesetzt?

Auf alle Fälle. Ich bewundere jeden, der den Prozedere der Ausarbeitung noch beherrscht.

Die digitale Fotografie hat die Art zu fotografieren total verändert. Früher war das Experimentieren sehr kostspielig. Heute erzielen absolute Laien aufgrund von automatisierten Bearbeitungsprogrammen erstaunlich gute Ergebnisse.  Im Speziellen gelingen Jugendlichen, die die Regeln für ein gutes Foto gar nicht kennen und sich auf ihre Intuition verlassen Bilder, die eindeutig der künstlerischen Fotografie zugeordnet werden könnten. Dieser Zugang gefällt mir besonders gut.

Seit Beginn der Fotografie sind immer jene Bilder aufgefallen, bei denen die auferlegten Regeln nicht befolgt wurden!!!

 

Was beinhaltet Dein Plan in Bezug auf das aktuelle Projekt "Hippolyt und Töchter"?

2021 sollen Künstlerinnen ein Jahr die Möglichkeit haben,  das Thema Art Nouveau  zu durchleuchten  und verschiedenste Arbeiten zu  präsentieren. Ich denke, dass es uns gelingen wird, die ambivalente „Jugendstilepoche“ für die PassantInnen  interessant und ansprechend aufzubereiten.

 

Wird hierbei auch das Thema „Machtspiel“ ausgelotet? Oder liegt der Schwerpunkt auf der Leichtigkeit und dem Fließenden oder Spielerischen z. B. bei den Frauendarstellungen im Jugendstil?

Macht wurde von Männern damals leider oft ausgespielt. Vor allem gegenüber Frauen, die sich mit Emanzipationsbestrebungen exponierten. Es bleibt den Künstlerinnen überlassen, wie sie gestalten.  Ich bin mir sicher, dass sehr unterschiedliche Arbeiten mit breitgefächerten Aussagen entstehen werden.

Die Leichtigkeit und das Spielerisches im Jugendstil sprechen aktuell sicher viele an. Man möchte sich an dieser kunstvollen Schönheit erfreuen. Alles andere auszublenden wäre allerdings nicht schlüssig.

 

Ich wünsche Dir  die Verwirklichung der spielerischen Leichtigkeit! Und danke für das Gespräch, gottseidank ohne Masken, aber leider digital!

 

Mehr Kritiken aus der Kategorie: