Zwischen den Welten: Liu Xiuming. Rez.: Ingrid Reichel
Ingrid Reichel
UNPOLITISCHE KUNST ZUR DIPLOMATISCHEN BEZIEHUNGSFEIER
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ZWISCHEN ZWEI WELTEN
Liu Xiuming
Stadtmuseum St. Pölten
Eröffnung: 20.09.2011, 19 Uhr
Ausstellung: 21.09.2011 – 08.01.2012
Kurator: Thomas Pulle
Thomas Pulle, der Leiter des Stadtmuseums St. Pölten hatte mit der chinesisch-österreichischen Künstlerin Liu Xiuming eine besondere Ausstellung vorzubereiten, denn schließlich werden heuer 40 Jahre bestehende diplomatische Beziehungen zwischen China und Österreich auch in der Landeshauptstadt St. Pölten gefeiert. Seit 2005 unterhält St. Pölten eine Städtepartnerschaft mit Wuhan, der größten Stadt der Provinz Hubei in Zentralchina. Mit seinen knapp 52.000 Einwohnern hat St. Pölten gerade ein 160stel Einwohner von Wuhan und bedeckt ein 78stel seiner Fläche, dieser Vergleich ist jedoch für eine gute Partnerschaft völlig irrelevant. Bürgermeister Matthias Stadler sieht viele Überschneidungen zwischen den beiden Städten und bekundete in seiner Rede, dass es kaum einen Monat gäbe, indem nicht eine chinesische Delegation aus Wuhan zu Besuch wäre. Auch die HAK St. Pölten und die FH St. Pölten betrieben rege Austauschprogramme, freut sich der Bürgermeister. Die NÖ Landesrätin Barbara Schwarz kam in Vertretung des Landeshauptmann Erwin Pröll und sprach von der Kultur als Möglichkeit, die Welt kennen zu lernen. Die Künstlerin Liu Xiuming gelte als Beispiel, wie durch Kunst Brücken geschlagen werden. Länder brauchen Gesichter, damit die Kluft zum Fremden überwunden werden kann, schließt Schwarz ihre Rede.
Es sei nebenbei erwähnt, dass auch St. Pöltner Künstler in China bereits ausgestellt haben, wie z.B. Eva Riebler in einer Galerie in Peking (2009) oder Christina Starzer in Shanghai (2011).
So bedeutet diese Sonderausstellung „Zwischen zwei Welten“ eine gewisse kulturelle Krönung der lokalen Feierlichkeit zum 40-jährigen Jubiläum. Der seit 2010 amtierende Botschafter der Volksrepublik China S.E. Shi Mingde kam als Ehrengast aus Wien. In seiner kurzen prägnanten Rede lobte er die Künstlerin, deren Werke auch in seiner Residenz ausgestellt sind. Liu Xiuming sei die erste Künstlerin, die er während seiner noch jungen Amtszeit in Wien kennen gelernt habe. Der Titel der Ausstellung komme ihrer Biografie sehr nahe und schließe viele Antagonismen mit ein. Liu wandert zwischen Orient und Okzident, zwischen Realität und Fantasie, Zeit und Raum, Mensch und Natur, zwischen Kraft und Ruhe, so der Botschafter und beschreibt damit in gewohnt diplomatischer Manier am trefflichsten Lius Œuvre.
Liu Xiuming wurde 1957 in der Provinz Hebei geboren. Dort studierte sie an der Pädagogischen Universität (1977-1982). Nach ihrem abgeschlossenen Studium arbeitete sie als Illustratorin bei einer Jugendzeitschrift in Beijing. 1987 begann sie das Studium der Malerei in Österreich. Zwei Jahre war sie bei Maria Lassnig, bei Arik Brauer machte sie 1993 ihr Diplom. Liu widmete sich ebenfalls der vergleichenden Studien der westlichen Ölmalerei und der chinesischen Maltradition. Seit 1994 lebt sie freischaffend in Wien und entwickelte sich seither zu einer international anerkannten Künstlerin mit Ausstellungen in Österreich, Schweiz, Italien, Deutschland, New York und Beijing. Ihre Werke sind in den Sammlungen des National Art Museum of China, Today Art Museum und der Internationalen Kunstbiennale in Peking sowie dem Shanghai Museum und der Österreichischen Nationalbank in Wien vertreten.
Mit einem Lektorat an der Tsinghua Universität, Kunstakademie of Arts and Design, in Beijing 2003 begann ihre Reise zwischen zwei Welten. 2004 wurde sie Gastprofessorin an der Universität in Hebei, die sie einst als Studentin besuchte. 2006 folgte die Berufung zur Vize-Direktorin des China Art Institute in Peking.
In ihren Werken verbindet Liu westliche und asiatische Traditionen. Zu sehen sind Porträts und Landschaften in Öl und wenige Siebdrucke aus den Jahren 2005-2011.
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Liu Xiuming: Fred Öl auf Leinwand, 2010 |
In den Portraits kann man den farbigen Einfluss von Maria Lassnig erkennen. Doch der Rebellion ihrer einstigen Professorin, die sich mit festen, ja brutalen Strich dem klassischen Frauenkampf mit weiblichem Instinkt deklariert, kann Liu offenbar nichts abgewinnen. Sie vertritt im Gegenteil die sanfte chinesische Tradition ohne politische Motivation. In pastellenen Farben gibt sie einen verschwommenen Fotorealismus wieder. Ganz anders wie bei Lassnig fehlen bei Liu die wesentlichen charakterlichen Eigenschaften der gemalten Personen sowie die Befindlichkeit des Malers. Übrig bleiben angepasste, verschönte Porträts für die Wohnung der Kunden. Ausnahme bildet das Ölgemälde „Paradox“ aus dem Jahr 2009, welches in der Dynamik einer verzerrten Figur aus Francis Bacons Werk nachempfunden ist. Drei Werke aus dem Jahr 2011 zeigen Musiker beim Spiel: „Flammende Saxophone“ I und II und „Ekstase“. Doch Lius Malerei kommt der Leidenschaft ihrer Titel nicht nach. Ihre dargestellten Emotionen bleiben restriktiv und kontrolliert.
Nicht viel anders geht sie bei den Landschaften vor, die zwar mit kräftigen Farben und schwungvoller Abstraktion angelegt sind, und dennoch nichts als Harmoniesuche ausströmen.
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Liu Xiuming: Bewegte Landschaft Öl auf Leinwand, 2010 |
„Metaphysisch“ (2007) lehnt sich als einziges der ausgestellten Exponate an die Form der chinesischen Landschaftsmalerei an. Es ist ein in die Länge gezogenes schmales Bild (150 x 50), welches an die traditionellen chinesischen Rollbilder erinnert. Die Künstlerin verzichtet jedoch auf jegliche Schrift. Schade, denn gerade im Schriftbild erkennt man am besten die Verschiedenheit dieser zwei Welten. Die chinesische Tradition verbindet Malerei und Literatur und macht die Schrift zum optischen Sinnesgenuss, für Kenner der chinesischen Schrift sind sie der intellektuelle Anspruch in der bildenden Kunst.
In ihren diversen Siebdrucken lässt sich der Fantastische Realismus der Wiener Schule erahnen und kombiniert ihn mit chinesischer Thematik, wie es in „Without End 2“ (2005) zu sehen ist. Ein Pferd galoppiert quer über eine in orange-rot gehaltene unendliche (Wüsten-)Landschaft.
In ihrem Fünfteiler „3/4 Takt“ erweist sie dem Wiener Walzer eine Hommage und vollzieht die Vervollkommnung des Klischees des Wiener Opernballes. Der zweite Teil von links stand Pate für Plakat und Einladung der Ausstellung.
Auch wenn Liu zwischen zwei Welten pendelt, so bleibt sie doch in der traditionellen chinesischen Philosophie der Eintracht verhaftet und unterscheidet sich wesentlich von jenen chinesischen Künstler-Kollegen und Kolleginnen, die 1996 durch ein gemeinsames Projekt der Stiftung für Kunst und Kultur e. V. und des Kunstmuseums Bonn aus China nach Europa gelangt sind und u.a. im Künstlerhaus Wien im Frühjahr 1997 zu sehen waren.
Diese Ausstellung ist im Rahmen der diplomatischen Jubiläumsfeierlichkeiten eine begrüßenswerte, dennoch bleibt die Frage offen:
Wenn Kultur einem Land zur gegenseitigen Beziehungsförderung ein Gesicht geben soll, wie es Landesrätin Schwarz beteuerte, kann dann eine angepasste Kunst diese Aufgabe überhaupt erfüllen?
Die Frage ist streng genommen, mit einem klaren NEIN zu beantworten.
Festzuhalten ist, dass Kunst in einer offiziellen politischen Veranstaltung selbst niemals politisch sein kann. Leider!
Wolfgang Just, Generaldirektor der Sparkasse NÖ Mitte West AG, hatte Liu Xiuming ein paar Jahre zuvor bei einer Ausstellung in Wien kennen gelernt, sich für ihre Kunst begeistert und sie motiviert, eine Einzelausstellung in St. Pölten zu bestreiten. Mit seiner Kunstvermittlung hat er letztendlich einen guten diplomatischen Schachzug getätigt.
Homepage der Künstlerin: http://www.liuxiuming.com/chinese/indexcn.htm
Zur Ausstellung erschien ein Katalog.
LitGes, September 2011