Christoph Szalay: Rändern.

Cornelia Stahl

Christoph Szalay: Rändern. 2020.

Klagenfurt: Ritter-Verlag. 119 Seiten.

ISBN: 978-3-85415-607-9

 

 

 

„Sprache ist nicht unschuldig“ konstatierte Christoph Szalay 2019 in seiner Berliner Poetikvorlesung und bezog sich auf Eugen Gomringers Gedicht AVENIDAS. In seinem Lyrikband „Raendern“ zitiert Szalay eingangs Martin Pollack „Kontaminierte Landschaften“ und bezieht sich auf die heimatliche Landschaft, die als Hintergrundfolie einer Auseinandersetzung dient, eine Auseinandersetzung mit überkommenen, idyllisch verkitschten Heimatvorstellungen. Die Verse ähneln einer Anrufung, die gezielt ein Gegenüber, ein Du, befragen und herausfordern. Es ist ein Insistieren, jene Leerstellen zu füllen, die bisher ausgelassen wurden im Erzählfluss. Sinnlich erobern wir Wälder und Berge: legst deine taufrischen Hände aus Holz, S.9, blicken zurück: ein Gang durch Historien S.9, entdecken plötzlich Einschüsse. Die zuvor gezeichnete (scheinbar) friedvolle Landschaft erlebt Risse und Brüche: hast den Himmel geschwärzt S.9. Prophetisches Heimatidyll ade! Der Autor seziert Volkslied und Märchenelemente in Puzzleteile, verzichtet auf Idiome einer Herz-Schmerz-Wohlfühlmelodie. Im letzten Abschnitt oszillieren Kindheitserinnerungen und Erwachsenenwelt zwischen Anfang und Ende, Suchbewegungen und Möglichkeiten „eine neue Fährte zu legen“ (S.28). Und immer wieder Interventionen: sag´, was weißt du von den Rändern dieser Landschaft zu erzählen (S.31).  Szalay verwendet Textmaterial anderer Autoren/Autorinnen, spielt mit händischen Überschreibungen, visueller Poesie, Skizzen und Fotos, verlässt konventionelle Schreibweisen, setzt am Ende den Schlusspunkt: Heimat, das sind die schneebedeckten Gipfel, die wir erkundet haben, S.104. Die eigene Hand vor Augen: Imaginierte Heimat-, Landschafts- und Fremdbilder werden neu verhandelt, existieren nur vorläufig. Szalay entwirft Gegensatzpaare zu national und patriotisch konnotierten Begriffsmustern, fordert uns zum Dialog heraus! Ein wichtiger Impuls für den Umgang mit gegenwärtigen Selbst- und Fremdbilder!  

Christoph Szalay, geboren 1987 in Graz, studierte Germanistik und Kunst im Kontext an der UdK Berlin. Zuletzt: Alice Salomon Poetik-Preis (2019).

 

 

Mehr Kritiken aus der Kategorie: