
Eva Schörkhuber: Die Gerissene
Eva Schörkhuber:
Die Gerissene
Roman, 227 Seiten
Wien: Edition Atelier. 2021
ISBN: 978-3-99065-047-9
Eine Schelmin erobert die Welt. Wer Eva Schörkhubers Erzählung „Die Blickfängerin“ (2013) mochte, der wird ihre vorliegende Protagonistin Mira ebenso ins Herz schließen. Mira, eine Schelmin und Träumerin, die die Welt neugierig und bisweilen naiv erobert. Bei ihrer Ankunft am Bahnhof von Marseille wird ihr Geld gestohlen. Doch Mira bleibt optimistisch: „So viele Wendungen mein Leben auch genommen, so viele Rückschläge (…) es sind immer wieder jene hellen Momente aufgetaucht..“ (S.11).
Die Hauptfigur, eigenwillig und einfältig, durchwühlt Mülltonnen, avanciert zur Modeschöpferin, feiert Feste im Haus in Marseille, lernt verschiedene Menschen und Substanzen kennen (S. 25). Nach und nach taucht sie ein in eine neue Welt und eine fremde Sprache, die ihr ermöglicht, ihre vorhandenen Französischkenntnisse anzuwenden. Die Reise führt sie weiter ins algerische Oran, wo sie Minirocktaschen entwirft. Die erste Begegnung mit der Wüste Sahara wird zur Herausforderung. Von Hitze und innerer Leere wird die Protagonistin heimgesucht.
Ihre Weiterreise nach Havanna bringt sie in Kontakt mit widerständischen Bewegungen und Wünsche nach einem autonomen und sinnerfülltem Leben flammen erneut auf. Mira, die ohne Konventionen und in Freiheit leben möchte, erkennt, dass jede geographische Erkundung eine Reise ins Innere einschließt.
Der Autorin gelingt mit Mira eine glaubwürdige Figurenzeichnung. Wie schon in der „Blickfängerin“, steht eine Protagonistin im Fokus, die ihr Leben unkonventionell
gestaltet, dabei wiederholt Rückschläge erlebt, dennoch die Zwischentöne als Veränderungszeichen wahrnimmt. Schörkhubers Protagonistin ist ein Beispiel für weibliche Selbstermächtigung!
Eva Schörkhuber, geboren 1982 in St. Pölten, erhielt 2012 den exil-literaturpreis, 2013 den Theodor-Körner- Preis, 2015 die Buchprämie der Stadt Wien, 2020 war sie author@musil in Klagenfurt.