Hilde Langthaler: Verantwortungen

Cornelia Stahl

Hilde Langthaler:
Verwortungen.

Lyrik der Gegenwart.
St. Wolfgang: Edition art science.
2019, 72 Seiten
ISBN: 978-3-902 864-88-8

Wanderer sind wir... zwischen Geburt und Tod „Wanderer sind wir in dieser Welt, nicht Sesshafte“ (S.16) schreibt Hilde Langthaler in ihrem letzten Lyrikband. Eine Textpassage aus dem Hebräerbrief, könnte man meinen. Dieser weist auf ein Merkmal hin, das jedem Menschen anhaftet: das Unstetige. Kein Stein bleibt auf dem anderen, von Geburt an ist unser Leben geprägt von Veränderungen und Verwandlungen, Berufs- und Wohnungswechsel, Unwägbarkeiten.
Im Gedicht Jenseits von Eden markiert die Autorin das Vergängliche: „verschwunden, verdrängt, sublimiert/ ins meer des vergessens gestoßen”. Die Raupe steht als Metapher für schrittweises, mühsames Fortbewegen, im Wissen um die eigene Begrenztheit, um die Endlichkeit: über kurz oder lang wird es zu ende mit uns sein.(S.8). Melancholische Gedanken spiegeln sich in Langthalers Lyrik ebenso wie politische, gesellschaftskritische. So im Gedicht: Wir produzieren (S.15): „immer mehr maschinen … in immer kürzerer zeit / zugleich verlängern wir die arbeitszeit”. Kurzgedichte wechseln einander ab mit Prosagedichten, wie Novemberland (S.56), entwickeln ein eigenes Narrativ. Ein Werden und Vergehen stehen im Focus:„feuchte blätter am boden, gelb und verdreckt. Zähflüssig. Nebel hüllt alles ein“.
Die Holzschnitte von Richard Langthaler, geboren 1942 in Niederösterreich, durchbrechen die Texte, stehen nicht unmittelbar in Bezug zum Geschriebenen, lassen eine separate Lesart zu. Daraus entwickelt sich ein neues Zusammenspiel von Grafik und Text, der den Lyrikband zu einem genuinen Kunstwerk formt.
Hilde Langthaler (1939-2019), studierte Medizin, Soziologie und Publizistik. Langthalers Reflexionen über die Liebe erzählen von jener Kraft, die zwischen Geburt und Tod gelebt und verworfen wird, jedoch über den Tod hinaus weiterhin bestehen kann. Eine vielschichtige Stimme, eine Hommage an die Autorin, welche 2019 verstarb.
Empfehlenswert!

Mehr Kritiken aus der Kategorie: