Mario Schlembach: Heute graben

Cornelia Stahl

Mario Schlembach:
Heute graben

Wien: Kremayr & Scheriau
2022, 188 Seiten
ISBN: 978-3-218-01323-9

Wonach suchen wir in den Träumen? Die Hauptfigur, Totengräber von Beruf, soll den elterlichen Betrieb übernehmen. Doch während er konzentriert seiner Arbeit nachgeht, dringen Träume und Sehnsüchte an die Oberfläche, unterbrechen den gewohnten Rhythmus.
Immer öfter stellt er sich selbst infrage, findet seine Träume lächerlich, noch lächerlicher sie aufzuschreiben.
(…) Inmitten all dieser Sehnsucht forsche ich einen Menschen aus mir heraus, den ich gar nicht kenne, S146.
Der Text verrät, dass Vater und Sohn einander sehr ähnlich sind: Der Vater, der es nicht übers Herz bringt, das Zepter aus der Hand zu geben, um seinen Ruhestand zu genießen.
Und der Sohn, dessen Leben zwischen Totengräberschaufel, Begräbnis und dem nächstem Dating in der Stadt ziellos erscheint. Nie ist die ersehnte Idealpartnerin dabei. Versuche, dem Elternhaus zu entfliehen, um eigene Wege zu gehen, scheitern: Nach dem Besuch im Diagnosezentrum erwächst im Protagonisten der Wunsch, sein Schreiben fortzusetzen: Was will ich im
Schreiben erreichen? Ich möchte eine Literatur finden, die (…) nach meinem Tod Bestand hat, S.147.
Den Protagonisten schließen wir von Anbeginn in unser Herz. Sein Suchen im Anderen spiegelt die Suche nach sich selbst. Eine leichte und unterhaltsame Lektüre.
Mario Schlembach,geboren 1985 in Hainburg/Donau, entwickelt einen unverkennbaren Sprachduktus, der Tagebucheinträgen gleichkommt. Mit seiner Figur, die in seinen Träumen das „richtige“ Leben sucht, schafft er für Lesende eine breite Identifikationsfläche.
Schlembach veröffentlichte Romane: Dichtersgattin: 2017, Nebel: 2018, (beide im Otto-Müller-Verlag), Essays und Theaterstücke. Ein Ö1 Feature: Die Sprache aber bleibt Treibsand eröffnet detaillierte Einblicke in die Arbeit des Schriftstellers und Totengräbers Schlembach.
Ein Autor, von dem wir hoffentlich noch weitere Werke erwarten dürfen.

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