Norbert Hummelt: Der Atlas der Erinnerung 

Cornelia Stahl

Norbert Hummelt: 
Der Atlas der Erinnerung 

Wädenswill: Nimbus-Verlag. 
2018, 167 Seiten. 
ISBN-13: 978-3- 0385004- 83 

Verwandlung  geographischer Räume in Texträume.

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ (H. Hesse). In Hummelt s´ Buch sind Anfänge, Textanfänge, verheißungsvoll. Sie machen Lust auf das Zukünftige und Unbekannte. Sie ebnen Wege für und an jene Orte, an die es den Autor in zurückliegender Zeit „gespült“ hat. Geographische wie literarische Orte der Erfahrung breitet Hummelt vor uns aus, entfaltet sie wie eine Landkarte. 
In vierundzwanzig Prosastücken nähern wir uns den Erinnerungslandschaften des Autors. Seine Forschungen beginnen mit Kindheitserinnerungen. In kreisförmigen Bewegungen erforscht er die heimatliche Gegend. Sukzessive erweitert sich der Radius. In die Großstadt Köln zieht es ihn als Jugendlichen, um ohrenöffnende Entdeckungen aufzuspüren. Zwischen Kaufhäusern, Baustellen und kollektiven Erinnerungsdenkmälern sammelt er akustische und optische Erfahrungen, bündelt sie zu einem Ganzen. Durch den Umzug nach Berlin und der Nähe zum Grenzfluss Neiße sowie dem Nachbarland Polen, erschließt Hummelt neue Landschaften. Zufällig stößt er auf das Kultur- und Bildungszentrum Eichendorff, welches sich dem verstorbenen Dichter widmet. 
Mit dem Lesen von Karten entwickelte der Autor ein Gespür für Maßstäbe und Grenzen, übertrug sein Wissen auf Literaturlandschaften. Leerstellen und Begrenzungen erzeugen Stimmungen, geben Orientierung in Großstädten wie Köln oder Berlin. Hummelt ermuntert: Irrwege und Abzweigungen gehören dazu, in der Literatur wie  im Leben. Hummelts wohlgeformte Prosa liest sich genussvoll und vermittelt ein Gefühl der Entschleunigung. 
Norbert Hummelt, 1962 in Neuss geboren, studierte Germanistik und Anglistik, wohnt als Lyriker, Essayist und Übersetzer in Berlin. Acht Gedichtbände, zuletzt „Fegefeuer“, liegen vor. Empfehlenswerte Lektüre! Schreibt für die NZZ. 

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