Petra Ganglbauer: Die Tiefe der Zeit

Cornelia Stahl

Petra Ganglbauer:
Die Tiefe der Zeit

Zwei langsame Geschichten
Weitra: Bibliothek der Provinz
74 Seiten
ISBN: 978-3-99126-024-0

Nachwirkung prägender Lebenserfahrungen. In der Rückschau auf unser Leben fragen wir: An welche einschneidenden Begegnungen, die unser Leben geprägt haben, erinnern wir uns? In zwei Geschichten verhandelt Petra Ganglbauer die Pole Sicherheit und Geborgenheit.
In der ersten sind es behütete Jahre im Schoß der Großmutter, an die sich der Erzähler erinnert. Um eine einseitig forcierte Liebesbeziehung zwischen einer Patientin und ihrem Therapeuten rankt sich die zweite Geschichte. Ein existenzielles aufeinander-bezogen-sein wird hier angesprochen. Ein Mensch, der am Gegenüber wächst, sich auf ein „Du“ einstellt. Die Autorin entblättert vor uns einen weiten, bildreichen Kosmos: „So fand es sich in diesem sommerwarmen Raum aus Kleiderschürze, Kopftuch und einer großmütterlichen rechten Hand“ und versetzt uns in die Rolle des Kindes, welches umhüllt ist von großmütterlicher Zuneigung und Geborgenheit, ein Zustand, der die Kostbarkeit des Augenblicks aufleuchten lässt: „Dieses pure Auf-der-Welt-sein hatte etwas von Schweigen, von Leere und Existenz“ (S.26). Selbst als der Mann „den Arm um eine Frau legte“ zehrt dieser vom Nachwirken einer vertrauensvollen Kindheit. Und auf Wegen des Scheiterns „hantelte (er sich) „über die Jahre – diesen ersten und unverwechselbaren Erinnerungen entlang“ (S.33).
Auch in „Entgrenzung“, der zweiten Geschichte, skizziert die Autorin bildhaft Facetten menschlicher Existenz: „Sie sucht das Zeichen, die Stimme, seine Stimme“ (S.43). Bedürfnisse nach Zuneigung und Geborgenheit, die selbst in demenzieller Verfassung der Patientin konstant bleiben, markieren die Sehnsucht, Grenzen zu überwinden und Verbundenheit bis ins hohe Alter zu leben. Ein zutiefst humanistischer Gedanke, der sich wegweisend durch die Lektüre zieht. Petra Ganglbauer, Autorin und Radiokünstlerin, leitet den Lehrgang „Schreibpädagogik“ des BÖS, veröffentlichte zuletzt: „Gefeuerte Sätze“, Limbus, 2019.

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