Raoul Eisele: Einmal hatten wir schwarze Löcher gezählt

Cornelia Stahl

Raoul Eisele:
Einmal hatten wir schwarze Löcher gezählt

Berlin: Schiler und Mücke
2021, 106 Seiten
ISBN: 9783899304350

Die Stille in den Alltag holen. Mit schwarzen Löchern hatte ich bisher wenig am Hut, ehrlich gesagt. Mit Lyrik umso mehr. Und jene Menschen, die Raoul Eisele begegnen, ihn persönlich kennenlernen, seine Lyrik lesen, werden überrascht sein, denn der noch junge Autor legt Texte vor, die tiefgründig und fein komponiert sind. Facetten – und bildreich lässt uns der Autor teilhaben an biografisch grundierter Lyrik, die Erinnerungen an noch lebende und verstorbene Personen hervorbringt: die ersten Jahre verbrachtest du in der Takelage/ verbrachtest am Hafen/der Hoffnung deinen Kindern näher, O. näher zu sein, eingesponnen in die Grenzen deines Raki- Glases und der Welt (S. 31).
Seine Lyrik gleicht der Eigenart schwarzer Löcher: verdichtet und lichtundurchlässig, die sich in Form schwarzer Seiten zeigen. Und nicht nur Lyrikfreunde werden die Vorliebe für eines oder mehrere Gedichte entdecken, wie folgendes: die Stille des Fährmanns, die Stille der Fische, wie versteckt unter Schnee / und wieder sieht man dezembrig durch die Bäume hindurch/ zwischen Barke und Wald nicht mal Wind, nur die Stille als Fährmann.
Jene Stille wird hier angesprochen, die scheinbar nur dem Fährmann obliegt und den Fischen. Eine Atmosphäre, die gegenwärtig längst wieder vom Alltagslärm übertönt wird. Eisele ist ein Meister der Zwischentöne und präziser Beobachter, der Texte wie Beziehungen feinsinnig spinnt. Eine prägende Stimme der österreichischen Literatur!

Raoul Eisele, 1991 im Burgenland geboren, studierte Germanistik und Komparatistik. 2017: Debüt: „morgen glätten wir träume“, Graz: edition yara. 2019: Lyrikpreis des Burgenlandes. 2020: Startstipendium für Literatur der Stadt Wien, Artist in Residence, Salzburger Künstler*innenhaus. 2021: Residency im Kunstatelier Paliano/ Nähe Rom. Herbst 2021: Stuttgarter Stadtschreiber. etcetera „Waldgang“.

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