Senta Baumgartner: Bittersegen. Erzählung

Cornelia Stahl

Senta Baumgartner:
Bittersegen. Erzählung.

Weitra: Verlag Bibliothek der Provinz 2022
70 Seiten
ISBN: 978-3-99126-000-4

„Nicht sterben“ so lautet der Titel von Terezia Mora`s Frankfurter Poetikvorlesung (2015), in der sie ihrer kleinen Tochter eine Geschichte von Steinzeitmenschen erzählt, die ihre Höhle verlassen und sich einer fremden Welt ausgesetzt fühlen.
Ähnlich ist es Rosa und Johann ergangen, als sie das Dorf verließen, um in der Stadt Arbeit zu suchen: „Viele Schritte sind es. Vom kalten dunklen Bahnhof in die neue Welt. Ungefähr ahnt sie den Weg ins Zentrum“
(...). Vorwärts, ja. Das will sie (S.6)
Abwechselnd wird aus der Sicht von Rosa, dann aus dem Leben von Johann erzählt. Am Ende führt die Autorin beide Erzählstränge zusammen, spricht von einem bitteren Ende und einem möglichen segensreichen Anfang (S.56).
„Schon lange überlegt sie, wie sie der Tochter ihre Herkunft, ihre wahren Familienverhältnisse erklären soll. (…) Aber ist nicht ihr gesamtes Leben ein (…) kompliziertes Gespinst (…) geworden? (S.56).
Der Krieg hat alles verändert, hat an und in Johann Spuren hinterlassen: „Die Front hat ihn noch weicher und gänzlich ungeschützt entlassen“ (S.57).
Der verdichtete, eingängige Text wird gelegentlich von Reflexionen durchzogen, die dem Text einen ruhigen Sound verleihen: „Gibt es denn überhaupt mehr als Mut? Etwas, das über den Mut hinausgeht? (S.7).
Die Lebensverläufe von Rosa und Johann, aus einem armen Dort stammend, stehen stellvertretend für tausende Schicksale, die unter den wirtschaftlichen Entwicklungen Anfang des 20. Jahrhunderts litten.
Baumgartner erzählt Zeitgeschichte: Vom Mut, eigene Verhältnisse zu verlassen, um in der Fremde Neues zu wagen. Hochaktuell!

Senta Baumgartner, geboren 1962 in Krems, aufgewachsen in Langenlois, seit 1993 als Lehrerin in Wien, veröffentlichte Schulbücher und einen Reiseführer.

Mehr Kritiken aus der Kategorie: